Bestatterweblog im Interview mit Claudia Belis, Kapitän zur See, Inhaberin Seebestattungen Reederei Belis
Bestatterweblog: Warum entscheiden sich Ihrer Meinung nach immer mehr Menschen für alternative Bestattungsformen und dabei vor allem für die Seebestattung?
Claudia Belis: Menschen, die eine Seebestattung wünschen, hatten häufig in ihrem Leben einen Bezug zum Meer. Beispielsweise sind das Wassersportler wie Segler, Surfer oder Angler und natürlich Menschen, die zur See gefahren sind. Es gibt letztlich die unterschiedlichsten Motive, einer war im Krieg auf einem U-Boot, der andere ist aus Ostpreußen geflüchtet und wünscht sich über das Wasser wieder in die Heimat zu kommen. Ich hatte mal einen Verstorbenen aus dem Saarland und fragte die Familie, warum er sich denn die letzte Ruhe auf dem Meer gewünscht hätte. Die Witwe sagte mir dann, dass er gar keinen Bezug zur See hatte, aber als Biologe wusste, dass alles Leben aus dem Meer kommt und er deshalb auch wieder dahin zurück wollte.
Es gibt aber sicher auch gesellschaftliche Gründe, die ich etwas vereinfacht darstellen will: Früher haben die Menschen um den Kirchturm herum gewohnt. Es gab eine große Familie und die blieb in diesem Haus. Wenn es einen Trauerfall gab, war es selbstverständlich, dass der Verstorbene auch an diesem Ort bestattet wird. Heute ist es so, dass die Familie in ganz Deutschland verteilt – oder sogar im Ausland – wohnt. Wo soll die Grabstätte sein? Wer soll sie pflegen? So entstand nach und nach ein Trend zur Einäscherung und die Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen wie die anonyme Bestattung, das Urnengrab oder die Seebestattung kam auf.
Bestatterweblog: Muss es im letzten Willen festgehalten sein, dass der Verstorbene eine Seebestattung wünscht?
Belis: Da kommt es auf das Bundesland an, in dem der Verstorbene gelebt hat. Hier in Schleswig Holstein geht man als Angehöriger einfach zum Bestatter und gibt eine Seebestattung in Auftrag. Es kostet keine Gebühren und der Bestatter bekommt die Urne direkt vom Krematorium ausgehändigt. In Hamburg muss man sich hingegen gegen eine Gebühr, die meines Wissens etwa bei 30 Euro liegt, vom Friedhofszwang befreien lassen. In Nordrhein-Westphalen wird eine Seebestattung grundsätzlich nicht genehmigt, wenn man dies nicht ausdrücklich zu Lebzeiten eigenhändig schriftlich niedergelegt hat. Da kann dann der Bestatter nur noch pfiffig sein und unter dem Vorwand die Urne in einem anderen Bundesland beisetzen zu wollen, doch noch eine Seebestattung ermöglichen. Ich kann aber nur jedem empfehlen, der den Wunsch hat, auf See bestattet zu werden, dies schriftlich festzuhalten und das Papier zu seinem Stammbuch zu legen.
Bestatterweblog: Wie läuft eine Seebestattung ab? Und wer organisiert eine Seebestattung im Trauerfall.
Belis: Die Seebestattung organisiert immer der Bestatter vor Ort. Mit uns als Seebestattungsreederei spricht zunächst also nur der Bestatter. Zuerst gilt es ja zu klären, ob die Angehörigen noch eine Trauerfeier an Land wünschen und sich am Sarg in der Kirche, in der Kappelle oder in der Trauerhalle des Bestatters verabschieden möchten. Dann kommt der Sarg ins Krematorium und die Urne mit dem Bestatter oder auf dem Postweg zu uns. Die Aschenkapsel wird dann hier in eine Seeurne umgebettet, die sich die Hinterbliebenen ausgesucht haben.
Wir stimmen dann in der Regel direkt mit den Angehörigen den Ablauf der Seebestattung ab. Also die Blumen, die Musik, die gespielt werden soll und die Organisation der Trauerfeier hier an Bord. Manche Gäste wünschen sich einen Pastor, andere einen Trauerredner. Am Tag der Seebestattung fahren wir mit den Gästen etwa 40 Minuten zur Beisetzungsposition, die sich außerhalb der Drei-Meilen-Zone befindet. Das ist gesetzlich vom Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie vorgegeben. An dieser Stelle darf nicht mit dem Schleppnetz gefangen werden, da darf nicht getaucht werden, da liegen Steine am Meeresboden – man spricht vom so genannten unreinen Grund – was konkret bedeutet, dass eine Urne trotz eines womöglich stattfindenden Sturms nicht an den Strand gespült werden kann.
Bestatterweblog: Was unterscheidet die Seeurne von einer traditionellen Urne?
Belis: Die Seeurne löst sich auf, sobald sie in Kontakt mit Wasser kommt. Die Vorgabe vom Gesetzgeber lautet, dass sich die Urne innerhalb von 48 Stunden komplett aufgelöst haben muss. Der Hersteller unserer Urnen sagt, dass es in der Praxis tatsächlich nur acht bis zehn Stunden dauert. Es gibt mittlerweile hier neue Materialien, neben dem traditionellen Seeurnen aus Salz und Muschelkalk, wie beispielsweise aus Brotteig, Salzteig, Pappmaschee, Cellulose oder chinesisches Reispapier, die eine individuelle Urnenform ermöglichen.
Bestatterweblog: Was passiert, wenn das Schiff die Bestattungsposition erreicht hat?
Belis: Noch bevor wir losfahren, wird die Flagge aus Halbmast gesetzt. Wenn wir die Beisetzungsposition erreicht haben, werden die Maschinen gestoppt. Bei schwierigen Wetterverhältnissen lasse ich aber die Motoren eingekuppelt. Es ist üblich, dass nach dem Erreichen der Bestattungsposition die Trauergemeinde sich an einem Punkt des Schiffes versammelt und beispielsweise vom Pastor, einem Trauerredner beziehungsweise der Familie noch etwas gesagt wird. Manchmal ist es auch der Wunsch, das noch ein Musikstück gespielt wird. Das kann übrigens auch gerne von einem Musiker live gespielt werden, es lässt sich hier im Prinzip alles organisieren, was an Land auch möglich ist. Zum Schluss spreche ich in meiner Funktion des Kapitäns die letzten Worte. Dann wird die Urne beigesetzt. Wenn die Angehörigen es wünschen, können Sie Blumen oder Blumenblätter auf das Wasser streuen. Während der Beisetzung werden vier Doppelschläge mit der Schiffsglocke geglast. Das ist das Zeichen für einen Wachwechsel in der Seefahrt. Zum Schluss wird noch ein Ehrenkreis um die Bestattungsposition gedreht und drei Mal das Schiffshorn betätigt. Das ist alles alte, überlieferte Seemannstradition.
Bestatterweblog: Was passiert auf der Rückfahrt?
Belis: Wenn die Gäste es wünschen, kann bei uns ein Buffet bestellt werden, was man auf der Rückfahrt verzehren kann. Selbstverständlich bieten wir auf allen Schiffen während der Fahrt alle Arten von heißen und kalten Getränken – natürlich ohne Vorbestellung. Manche Gäste buchen auch eine Extra-Stunde für die Rückfahrt und möchten da noch mit der Familie zusammen sein, oder sich einfach die Bucht noch ein wenig anschauen.
Bestatterweblog: Ohne tief in die Klischeekiste greifen zu wollen: Es gibt nur wenige Frauen mit Kapitänspatent, die Seebestattungen machen. Wie sind Sie zu den Seebestattungen gekommen?
Belis: Ich musste, um überhaupt auf die Seefahrtsschule gehen zu dürfen, einen seemännischen Beruf erlernen. Und da gibt es zwei Varianten. Entweder den früheren Matrosenbrief, der sich heute Schiffsmechaniker nennt, oder die Ausbildung zum Fischwirt. Man muss erst mal diese Ausbildung haben, um nachher auf der Fischereischule zugelassen zu werden. Ich hätte damals gerne den Schiffsmechaniker gemacht, aber seinerzeit waren auf der Travemünder Seefahrtsschule alle Ausbildungsplätze ausgebucht. Ich hätte drei Jahre warten müssen. Also bin ich nach Eckernförde gegangen und habe den Beruf des Fischwirtes erlernt. Da musste man drei Jahre lernen. Danach konnte man sein Maschinenpatent machen und das kleine Kapitänspatent. Parallel habe ich dann noch weitergelernt und den Meisterbrief der Fischwirtschaftsmeisterin gemacht, was allerdings für meinen heutigen Beruf nicht mehr so relevant ist. Danach bin ich noch mal zur Seefahrtsschule nach Lübeck gegangen und habe das größere Kapitänspatent gemacht.
Die Seefahrt liegt in meiner Familie: Mein Vater ist seinerzeit mit seinem eigenen Fischkutter von Ostpreußen geflüchtet. Nach dem Krieg konnte man von der Fischerei kaum leben – was aber gebraucht wurde, waren Minenräumer. Somit lies sich mein Vater als Taucher ausbilden und hat in den ersten Nachkriegsjahren fast ganz Helgoland von Minen befreit. Als die Minen dann weg waren, fing er an die Steinfischerei zu betreiben. Er entfernte Steine von Riffen, um damit das Ufer zu schützen und Dämme zu bauen. Anfang der 60ziger begann mein Vater mit dem Hochseeangeln, bis es zehn Jahre später losging mit den Butterfahrten. Zunächst hatte er diese Fahrten noch mit seinen Angelkutter gemacht. Als dies aber 1972/73 immer mehr wurde, brauchte er ein größeres Schiff. Er kaufte sich die Hanseat und somit hatten wir dann zwei Schiffe, die reine Einkaufsfahrten gemacht haben. Nachdem die EU langsam anfing an den Butterfahrten zu nagen, kam mein Vater auf die Idee, Seebestattungen durchzuführen. Im Jahre 1982 hat er sich dann die Motoryacht „Marina“ gekauft. Ich hatte zu dieser Zeit mein Kapitänspatent schon und konnte so in die Seebestattung reinwachsen, bevor mein Vater dann zwei Jahre später verstarb. Er hinterließ mir eine große Flotte: Mit der Cetara sind es nun vier Schiffe. Drei werden davon werden für die Seebestattung eingesetzt.
Bestatterweblog: Drei verschiedene Schiffe für verschiedene Ansprüche der Seebestattung? In welchen ungefähren Rahmen liegt man preislich bei einer Seebestattung?
Belis: Das ist nicht pauschal zu beantworten. Es kommt darauf an welche Urne und Blumen die Angehörigen wünschen. Je nach Anzahl der Trauergäste können unterschiedlich große Schiffe gebucht werden. Der Abfahrtsort von dem wir starten spielt eine Rolle, auch der Wochentag ist individuell buchbar. Da unsere Preise frei kalkulierbar sind und wir unsere Schiffe ausschließlich an Bestattungsinstitute verchartern, kann ich es nicht genau sagen.
Bestatterweblog: Es gibt auch anonyme Seebestattungen. Wie kann ich mir das vorstellen?
Belis: Oftmals sind es nicht Kostengründe, die Menschen dazu bewegen sich dafür zu entscheiden, sondern dass die Angehörigen schon alt sind, weit weg wohnen oder das Schiff-Fahren nicht vertragen. Das bedeutet höchsten Respekt für die Wünsche des Verstorbenen, wenn die Angehörigen das trotzdem durchführen. Bei einer anonymen Seebestattung fahren meine Mitarbeiterin und ich mit bis zu fünf Urnen auf See. Selbstverständlich machen wir auch ein paar Fotos damit die Familie noch eine Erinnerung hat.
Bestatterweblog: Was bleibt den Angehörigen von dem Angehörigen nach einer Seebestattung?
Belis: Die Angehörigen bekommen ein Logbuchauszug mit Seekarte, ein Foto von der aufgebarten Urne und sie haben die Möglichkeit noch zweimal im Jahr mit dem Schiff rauszufahren. Zusammen mit unserer Trauerrednerin Frau Zeiss bieten wir jeden dritten und vierten Sonntag im Mai und im September eine Gedenkfahrt für die Angehörigen an. Auf der Hinfahrt hält sie eine ganz tolle Ansprache. In Begleitung schöner Hintergrundmelodien lesen wir die Namen der Verstorbenen vor. An der Beisetzungsstelle können die Angehörigen Blumen nachwerfen oder auch Steine und Muscheln. Letztens fand ich es ganz toll, da hat die ganze Familie Seifenblasen mitgebracht. Es sah wunderschön aus, als die Seifenblasen im Meer verteilt waren. Man kann aber auch Luftballons mit Gas gefüllt in den Himmel schicken oder kleine Schiffchen ins Wasser lassen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Zum Gedenken an die Verstorbenen drehen wir eine Ehrenrunde und hupen dreimal. Eine Gedenkfahrt kann man natürlich auch individuell – also allein, ohne fremde Menschen an Bord – buchen. Das wird auch oft gewünscht.
Bestatterweblog: Sie sind eine Frau in einer eher männlich geprägten Domäne. Ihre komplette Besatzung besteht fast ausschließlich aus Mitarbeiterinnen. Wie reagieren die Gäste darauf?
Belis: Eher positiv. Damals war ich zwar eine der ersten die das Patent gemacht haben, mittlerweile sind aber 30 Prozent der Seefahrtsschüler weiblich. Hier an Bord gibt es natürlich auch ein paar Gäste, die im ersten Moment überrascht sind und sich anschließend ganz positiv äußern. Frauen sind vielleicht einfühlsamer, gehen netter auf die Hinterbliebenen ein, vom Service und Ambiente ist es auch was anderes als so eine Männerwirtschaft. (lacht) Frauen schauen eben mehr auf die Details, finden Sie nicht auch?
Bilder: (www.ostsee-seebestattungen.de)
- seebestattung-halbmast: privat
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Danke für das interessante Interview!
Schöne Idee und schöne Umsetzung. 🙂 Mir hat besonders gefallen, dass das Interview nicht zu stark auf dieses konkrete Unternehmen bezogen ist, sondern allgemeiner gehalten ist.
Schleichwerbung auf besonders unschleichigen Sohlen.
Und, Probleme damit?
Das ist schlichtweg Quatsch. Sie können ja für sich jederzeit eine andere Reederei wählen. Im übrigen ist das Lesen von Toms Blog keine Pflichtveranstaltung.
Bekäme man für Werbung nicht irgendwie auch Geld?
Ach, das ist doch nur ein Troll. Einer von denen, die immer wie aus der Pistole geschossen von Werbung krähen, wenn nur ein Firmenname oder eine reale Person genannt wird.
Das ist kindische Paranoia, mehr nicht.
Du lockst die Leute mit Geschichten an, die sie an den Bildschirm fesseln und dann schiebst du aus Gewinnerzielungsabsicht Propaganda ein. Das ist eine Täuschung der Leser und hat endlich einmal offen gelegt zu werden.
Wohl etwas dünnhäutig auf diesem Ohr, was?
Die LeserInnen haben ein Anrecht darauf zu erfahren wie viel Umsatz du so im Jahr mit diesen eingemogelten Werbungen machst.
Butter bei die Fische, Tom!
Ein sehr aufschlußreiches Intwiew, das mir in vielen Punkten die Augen geöffnet hat.
Dank an Frank und Tom.
Wer sonst, als eine erfahrene Seebestatter-Kapitänin könnte zu diesem Thema, was als alternative Bestattungsform sicher einige Leser interessiert, fundiert Auskunft geben?
Und um die Qualifikation als Fachfrau für diese Thematik zu klären, ist die Nennung des Namens der Person und des Bestattungsunternehmens durchaus im Interesse der Leser.
Und wenn der Blogbetreiber mir diese Information in Form eines Interviews unentgeltlich präsentiert, wie auch viele andere zum Blogthema passende Inhalte, Geschichten und Informationen – kann ich diesen werbenden Nebeneffekt gut und gerne mitlesen.