Geschichten

Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not

schwarze Kopie

Sparsamkeit unterscheidet sich vom Geiz vorrangig dadurch, dass sie aus wohlwollenden Motiven praktiziert wird. Man möchte etwas Positives erreichen und gibt die Sparsamkeit dann auf, wenn das gesteckte Sparziel erreicht ist oder etwas, das über dem Sparziel steht, das erforderlich macht. Geiz dient nur dazu, das Ego zu füttern und sich am Leid anderer zu laben.

Der Sparsamkeit steht die Verschwendung entgegen.

Ich kann mich richtig ärgern, wenn ich sehe, dass jemand völlig unnötigerweise Geld und Ressourcen verschwendet. Beispielsweise ärgere ich mich immer wieder über unsere Autoversicherung. Dort kann man vieles, so wie das heute üblich ist, schon online abwickeln. Es ist eine sehr freundliche Autoversicherung, die auch ein hohes Mitteilungsbedürfnis hat. Diese Mitteilungen sendet mir die Versicherung für mehrere Versicherungsverträge nicht etwa per Mail zu, sondern legt sie in meinen Kundenbriefkasten, wo ich sie dann abrufen und anschauen soll. Damit ich das auch nicht vergesse, schickt mir die Versicherung erst noch eine Mail „Sie haben Mitteilungen in Ihrem Kundenbriefkasten“. Bei dieser Mail steht dann schon im Betreff, worum es bei der Nachricht im Kundenbriefkasten geht. Zum Beispiel teilt mir die Versicherung viermal im Jahr mit, dass demnächst der Beitrags­einzug bevorsteht. Im Betreff der Mail steht dann „Beitragseinzug steht bevor“. Prima, jetzt weiß ich Bescheid, die Nachricht im Kundenbriefkasten rufe ich nicht ab, wozu auch?

Werbung

Nachdem nun einige Tage vergangen sind, merkt der Computer der Versicherung, dass ich die Nachricht im Kundenbriefkasten noch nicht angeschaut habe, und veranlasst, dass diese Mitteilung nun ausgedruckt und per Post an mich gesandt wird.
Das kann man ja noch verstehen, so ist sichergestellt, dass der Kunde auch alles mitbekommt. Aber: Bei jedem Schreiben druckt die Versicherung nochmal ein extra A-4-Blatt mit allem Drum und Dran aus, auf dem steht, dass man mir heute einen Brief schreibt, weil ich Nachrichten im Online-Postfach nicht abgerufen habe.

Den Satz hätte man auch auf die Mitteilung mitaufdrucken können, früher gab’s dafür Stempel. Heute wird aber eine A4-Seite ausgedruckt, auf der nur ein einziger sinnvoller Satz steht. Das kostet Geld, richtig viel Geld. Übers Jahr sind das zigtausend Seiten, die da unnötig ausgedruckt und verschickt werden.

Zu einem Beratungsgespräch komme ich zu Frau Wamser. Ihre Schwester ist gestorben und Frau Wamser möchte alles Notwendige bei sich zu Hause besprechen. Mir ist es ja lieber, wenn die Leute zu uns ins Bestattungshaus kommen, weil sie da die Särge, Decken und alles andere in echt anschauen können, statt nur in einem Katalog. Außerdem habe ich da mein Team und das Büro im Hintergrund, sodass man sofort Termine machen kann und alle Formulare bereit hat.
Aber Frau Wamser hat ein kaputtes Knie und will lieber daheim beraten werden. „Ich mach‘ Ihnen eine Tasse Kaffee, die trinken Sie erst einmal in aller Ruhe, ich hab‘ nämlich noch zu tun.“

So sitze ich da auf einem mit einer fusseligen Wolldecke abgedeckten Sofa, schlürfe viel zu heißen Kaffee und probiere von ihrem etwas weich gewordenen Spritzgebäck vom letzten Jahr. Es schmeckt ein bißchen nach sumpfigem Pappkarton.
Ich versuche die ganze Zeit, mich daran zu erinnern, woher ich diesen blumig-bunten Pappkartongeschmack kenne. Dann erinnere ich mich. Als Kind hatte ich eine umfunktionierte Waschpulvertrommel, in der meine Lego-Steine aufbewahrt wurden. Damals wurde Waschpulver nicht nur in quaderförmigen Kartons verkauft, sondern auch in runden kleinen Tonnen aus Pappe. Die eigneten sich vorzüglich zur Weiterverwendung als Ordnungshilfe im gesamten Haushalt. Mittels einer bunt bedruckten Klebefolie der Marke DC-Fix hatte mein Vater eine solche Waschpulvertrommel in meine Lego-Trommel verwandelt. Und bevor Lego mich abmahnt, was die ja, wie ich den Eindruck habe, sehr gerne und sehr oft machen, möchte ich darauf hinweisen, dass ich mir die Marke Lego nicht aneigne, dass es sich tatsächlich um echte Lego-Klemmbausteine gehandelt hat, und dass ich nie behaupten würde, dass Klemmbausteine anderer Hersteller auch nur im Entferntesten genauso gut, vielleicht sogar besser und vor allem günstiger sind.

Jedenfalls haben meine Legos damals so gerochen, wie das Spritzgebäck von Frau Wamser, leicht sumpfig, blumig und irgendwie nach Omo.

Unterdessen geht geht Frau Wamser irgendeiner Tätigkeit nach, die das Schleppen von vollen Putzeimern beinhaltet. Höflich wie ich bin, frage ich: „Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Frau Wamser?“

„Ach woher, das kann isch schon alleine. Ich mach‘ das jede Woche.“ Und etwas später sitzt sie bei mir und erklärt: „Wissen Sie, ich mache immer freitags warmes Wasser, dann lasse ich mir eine schöne Wanne voll ein und bade in Kernseife, das macht so eine schöne, weiche Haut. Fühlen Sie mal! Danach weiche ich meine Wäsche darin ein. Was für eine Arbeit! Wenn die Wäsche dann in der Maschine ist, lasse ich das Wasser nicht ab, sondern nehme drei Eimer voll davon und stelle sie ins Treppenhaus. Samstags putze ich damit nämlich die Treppe und den Flur. Mit dem restlichen Wasser aus der Wanne spüle ich dann die ganze Woche das Klo runter.“

Ja, so kann man auch sparen.

Wenigstens kann ich sicher sein, dass Frau Wamser frisch gebadet ist und mir die Plätzchen mit sauberen Händen auf den Teller gelegt hat. Das war bei Frau Böhnenkamp ein Jahr zuvor fraglich.
Dort gab es nämlich ebenfalls Gebäck, und zwar diese hellen Plätzchen mit einem Klecks Marmelade in der Mitte. Die mag ich besonders gerne und ärgere mich immer, dass in Tüten mit Gebäckmischungen davon viel zu wenige enthalten sind. Das ist so, wie mit den Kirschen in den Dosen mit dem Fruchtcocktail. Jede Menge Birnen- und Pfirsichstücke, aber von den Kirschen sind nur 5 halbe drin, so als ob die aus Gold wären.
Wie zuvor erwähnt, bei Frau Böhnenkamp gab es Marmeladenplätzchen und ich hatte schon drei vertilgt, als sie sagte: „Greifen Sie nur tüchtig zu, das sind die letzten. Dieses Jahr hab‘ ich nämlich nicht so viele gemacht, weil ich ja so arg den Fußpilz an den Händen habe.“

Frage: Hat man wirklich Fußpilz an den Händen oder heißt das dann nicht Handpilz?
Lecker!

Das wurde nur noch von Frau Körpengrath-Schnieder überboten. Sie servierte mir einen ganz leckeren Kuchen, so eine Art Philadelphia-Torte. Ein mürber, fast schon knuspriger Boden mit einer dicken Schicht Creme obendrauf.

„Lecker, oder?“

Ich nicke und schäme mich fast ein bißchen, weil ich so heißhungrig mampfe. Aber ich stehe dazu: Ich bin ein Kuchen-Genussfresser.

Der Kuchen ist wirklich gut, er bleibt mir dann aber doch fast im Halse stecken, als Frau Körpengrath-Schnieder erzählt: „Ja, das ist meine berühmte Krümelcremetorte. Sie müssen wissen, dass ich in der Kantine von Boppenreuth und Wallermann arbeite. Sie glauben ja nicht, wie verschwenderisch die Leute sind. Alle lassen immer ganz viel Büchsenmilch in den Kännchen übrig. Und wissen Sie was? Ich schütte die ganze restliche Büchsenmilch, die auf den Tabletts wieder zurückkommt, immer in eine Kanne und sammele die. Daraus mache ich die leckere Creme auf dieser Krümelcremetorte.“

Okay, kann man machen. Aber ob das so eine gute Idee ist, Reste, die schon mal vor einem Gast gestanden haben, und von denen man nicht weiß, was der Gast damit gemacht hat, weiterzuverwenden? Zu Hause, wo man alles unter Kontrolle hat, da vielleicht, aber in einer Kantine, wo 400 Leute abgefertigt werden?

Doch die Königin der Sparsamkeit war noch nicht fertig: „Und der Boden? Was meinen Sie? Kommen Sie drauf? Ha ha ha! Ich kratze alle Kuchenteller ab und sammele in einem Beutel die ganzen leckeren Krümel ein, die sind doch das Beste. Ich verstehe gar nicht, warum die Leute die nicht mit aufessen. Manchmal lassen die auch die Ränder vom Kuchen übrig. Aber bei mir kommt nix um. Meinem Chef hab ich gesagt, ich sammele das für meine Tiere, sonst dürfte ich das ja gar nicht. Aber wie Sie sehen, man kann eine leckere Torte davon machen. Früher habe ich die jede Woche gemacht, manchmal zweimal. Aber es kommen immer weniger Leute zu mir zu Besuch. Muss am Alter liegen. Umso mehr freue ich mich, dass Sie so herzhaft zulangen. Ich pack‘ Ihnen nachher noch ein paar Stücke ein.“

Aber ich erzähle den ganzen Kram eigentlich nur, weil der dicke alte Onkel mal wieder ins Schwafeln geraten ist. Eigentlich wollte ich das hier erzählen:

In unserer Firma gibt’s ein Faxgerät. Ich finde und fand Telefax immer extrem klasse. Vor allem, weil manche Behörden und Institutionen unterschriebene Faxe als Dokumente anerkannten und man sich so manchen Weg zum Amt sparen konnte.
Später haben wir das Faxgerät einfach als Relikt beibehalten, und erstaunlicherweise kamen auch in den Zeiten, als E-Mails schon populärer waren, immer mal wieder Faxe an. Heutzutage übrigens gebe ich meine Faxnummer nicht mehr raus, in den letzten Jahren kamen nur noch Abmahnungen von Rechtsanwälten darüber an. Manchmal 40 Seiten … Wenn am Router das Lämpchen blinkt, das einen Faxeingang signalisiert, bekomme ich schon einen Würgereflex. Ich blogge seit nunmehr fast 30 Jahren und bemühe mich, so gut es geht, alle Vorschriften, Rechte und Gesetze zu beachten. Und dennoch gelingt es immer wieder irgendwelchen Anwälten, Kleinigkeiten zu finden, die sie abmahnen. Dieses Jahr waren es rund 3.000 EUR, nur mal so nebenbei bemerkt.

Nun aber zurück zum Faxgerät. Irgendwelche Idioten haben es sich zum Geschäftsmodell gemacht, Inhabern von Faxanschlüssen ungefragt Reklame zuzusenden. Das sind Speisekarten von Restaurants, Listen von Sensationsangeboten und anderer unnützer Kram. Ich habe den Frauen im Büro des Bestattungshauses die Anweisung gegeben, die eingehenden Reklame-Faxe nicht einfach in den Schredder zu stopfen. Das teure Papier! „Legt das in die Box da an der Seite und wenn ein Stapel zusammengekommen ist, könnt ihr es umgedreht nochmal ins Papierfach legen, damit auch die Rückseite noch bedruckt werden kann. Und den Rest könnt ihr zweimal durchschneiden und die Rückseiten als Notizzettel verwenden. Man muss doch das ganze Papier nicht wegschmeißen, das kostet doch schließlich auch Geld.“

Mit Freude sehe ich, dass dieser Vorschlag von den Bürodamen positiv angenommen wurde. Überall stehen jetzt kleine Schachteln mit Stapeln unserer selbstgemachten Notizzettel. Niemanden stört es, dass auf der Rückseite Fragmente irgendeiner Reklame zu sehen sind.

Einige Wochen später sitze ich mit einer Familie zusammen und wir besprechen die Formalitäten einer Beerdigung, die an der Ostseeküste, irgendwo in Vocklenburg-Meerpommern, stattfinden soll. Antonia telefoniert unterdessen mit dem protestantischen Pastor dort.
Zwei-, dreimal kommt Antonia herein, um der Familie Terminvorschläge zu unterbreiten. Dazu hat sie diese auf unsere Notizzettel geschrieben. Eigentlich sollen die ja eher so für den internen Gebrauch genutzt werden, aber was soll’s?
Doch dann hält die Kundin einen Notizzettel so, dass ich die Rückseite sehen kann. Ich traue meinen Augen nicht. Ich kann nicht glauben, was ich da sehe!

Die Kunden sind gegangen, die Notizzettel liegen noch auf dem Beratungstisch, sie haben die nicht mitgenommen. Aber ich nehme die Zettel und stürme nach vorne ins Büro. „Seid Ihr denn von allen guten Geistern verlassen… (Rest zensiert.)“

In unserem Büro fallen ja nicht nur am Faxgerät A4-Blätter mit leeren Rückseiten an. Auch bei Sandy im Büro werden zig Seiten ausgedruckt, die dann für nichts mehr gebraucht werden und leere Rückseiten haben. Zum Beispiel druckt die junge Halbamerikanerin Kontolisten unseres Buchhaltungsprogrammes aus, weil sie auf Papier besser addieren und kontrollieren kann, als am Bildschirm. Und was haben die Hühner gemacht? Die haben tatsächlich diese Buchhaltungsunterlagen schön brav in vier Teile geschnitten und als Notizzettel weiterverwendet.

Das bedeutet: Seit Wochen werden unsere Kontostände, Preise, Gewinne, Verdienste und Löhne in geviertelter Form fröhlich an Gott und die Welt verteilt.
Das nenne ich mal freigiebigen Umgang mit Geschäftsgeheimnissen, vom Datenschutz mal ganz abgesehen.

Ich gebe zu, heute schäme ich mich für das Theater, das ich veranstaltet habe, aber ich war wirklich sauer.

Einige Tage später greife ich in die Zettelbox auf meinem Schreibtisch und will auf dem Notizzettel etwas notieren. Mir fällt auf, dass die Rückseite komplett schwarz ist. Und nicht nur dieser eine Zettel ist hinten schwarz, alle Zettel sind es.

Im Büro verlange ich eine Erklärung und Antonia strahlt über das ganze Gesicht, als sie mir erklärt: „Ja Chef, wir haben eingesehen, dass wir da mit den Zetteln einen Fehler gemacht haben. Tut uns auch leid. Aber es können nicht viele Zettel mit Buchhaltungsdaten gewesen sein, echt nicht. Aber ich habe eine geile Idee gehabt, damit das nicht mehr passiert. Ich nehme jetzt alles Papier und lege es in den Kopierer. Dann drucke ich auf die bedruckte Seite einfach einmal eine komplett schwarze Kopie drauf, man muss nur den Deckel vom Kopierer oben offenlassen. Dann ist alles geschwärzt und keiner kann mehr lesen, was da vorher stand. Ist das nicht geil?“

Auf einmal hatte ich eine Erklärung dafür, weshalb wir statt einer Kopiererpatrone drei in dieser Woche gebraucht haben. Das Stück für 49 Euro…, da spart man was, echt.

Bildquellen:

  • schwarz1: Peter Wilhelm KI

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Buchhaltung #Sandy #Sparsamkeit

Lesezeit ca.: 15 Minuten | Tippfehler melden


Das Bestatterweblog informiert und unterhält – ganz ohne Google- oder Amazon-Werbung

1,4 Millionen Besucher im Jahr, aber nur etwa 15 spenden. Dabei kostet der Betrieb rund 20.000 € jährlich. Wurde Dir hier schon geholfen? Hattest Du etwas zu lachen? Dann sei eine der seltenen Ausnahmen und gib etwas zurück. Schon 5 € – der Preis einer Tasse Kaffee – helfen weiter. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)