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Spät 3

Ziemlich schnöselig war ja die Arztgattin am Telefon gewesen und ich hatte mich ja eigentlich schon entschieden, den Auftrag gar nicht anzunehmen, da rief sie dann doch noch mal an und kündigte ihren Besuch für gestern 16 Uhr an.

Um 15.55 Uhr kam sie dann mit ihrem Bruder und es hat mich kurz in den Fingern gejuckt, sie noch die restlichen 5 Minuten draußen in der Halle warten zu lassen, dann siegte aber meine Kundenfreundlichkeit und ich habe die beiden begrüßt, so als ob vorher am Telefon nichts gewesen wäre. Wenn man solchen Leuten beikommen kann, dann indem man ihnen ein gutes Gefühl dabei gibt, der Kundenkönig zu sein, ohne daß man sich selbst als Lakaien oder gar unterwürfig präsentiert.

Zunächst schien mein Plan nicht aufzugehen, denn „Frau Doktor“ war der Meinung, in unserem Ausstellungsraum sei es ja viel zu dunkel, da könne man nichts sehen und außerdem sei es viel zu warm. „Das ist ja gräßlich hier.“
Was soll ich dazu sagen? Die Prunze trug eine Sonnenbrille und ein Pelzjäckchen. Ihr Bruder hatte seinen Mantel draußen aufgehängt, sie hatte das abgelehnt. Also ignorierte ich ihre Einwände und begann den beiden Kunden die Sargmodelle zu erklären. Als ich bei unserem schwersten Eichensarg angelangt war, unterbrach sie mich: „Sind Sie wirklich vom Fach? Das ist doch wohl ganz sicher keine Eiche, das Holz ist ja viel zu rot!“

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„Margot“, tönte in diesem Moment ihr Bruder, „findest du nicht, du solltest mal besser deine dämliche Sonnenbrille abnehmen, dann würdest du erkennen, daß du Unrecht hast.“

Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck nahm sie die Brille dann ab. „Der Sarg gefällt mir trotzdem nicht. Wie wäre es denn mit dem da?“
Sprachs und steuerte auf den „Adenauer“ zu. Der Adenauer-Sarg, den wir im Moment da stehen haben, ist eine große sehr kantige Truhe mit vielen geschnitzten und gedrechselten Elementen, sehr voluminös, sehr dunkel, sehr altmodisch und selbst für meine Begriffe unverschämt teuer. Solche Särge haben wir da stehen, um unser Angebot nach oben hin abzurunden und um auch mal was Außergewöhnliches zu zeigen. Aber auch der Bruder nickte zustimmend und meinte, das sei genau der Richtige.

Freundlich weise ich noch auf die Decken und Kissen hin und erkundige mich, welche Kleidung der Verstorbene tragen soll.

Die sprechende Pelzjacke entgegnete aber nur: „Das ist ja sowieso alles Beutelschneiderei. Sie kaufen den ganzen Plunder billig irgendwo in Osteuropa ein und verschachern ihn dann zu Wucherpreisen an ihre wehrlosen Kunden.“

Ich will gerade Luft holen, um die Tusnelda abzubürsten, wie sie es noch nie erlebt hat, da gibt mir ihr Bruder ein Zeichen, nimmt seine Schwester an die Seite und im Flüsterton übernimmt er es, ihr die Meinung zu sagen. Ich verstehe nur Bruchstücke, aber das was ich höre gefällt mir: „…benimmst dich ja wie eine arrogante Ziege…“, „…was soll denn der Mann von dir denken, der muß uns ja für asozial halten…“ und dann kam die Stelle, die mir am Besten gefallen hat: „…hat das gar nicht nötig uns zu bedienen, das ist der beste Bestatter im ganzen Umkreis und du benimmst dich wie die Axt im Hause!“

Gut, es heißt eigentlich „Axt im Walde“, aber ein Haus tut es in diesem Zusammenhang auch, finde ich.

Erstmal ist Ruhe. Margot benimmt sich bis wir im Beratungsraum sind und ich mich nach ihren persönlichen Daten erkundige.

„Das geht Sie alles gar nichts an, es dürfte ja wohl vollkommen ausreichen, wenn Sie meinen Namen aufschreiben, der Rest steht ja im Telefonbuch. Nachhin (sic!) verkaufen Sie meine Adresse noch weiter, das hört man doch heute überall.“

Eben reicht es mir. „So, Frau XY, jetzt reicht es mir. Seit Sie mich gestern angerufen haben, benehmen Sie sich, als würden Sie in Gutsherrenart mit einem Plantagenarbeiter sprechen. Als Unternehmer, der auf seine Kunden angewiesen ist, bin ich gerne bereit auf Ihre Wünsche einzugehen und alles zu tun, damit diese Bestattung für Sie so erträglich wie möglich wird. Aber ich muß mich nicht die ganze Zeit behandeln lassen, wie ein Wanderarbeiter aus der untersten Kaste. Entweder kommen wir jetzt in einem annehmbaren Ton zu einem Ergebnis oder wir lassen das Ganze hier einfach.“

Ihr Bruder springt mir bei: „Margot, jetzt komm mal wieder runter, der Herr XYZ macht doch wirklich nur seinen Job und du weißt genau, daß Werner und ich unbedingt hierhin wollten. Wenn wir wegen deines Verhaltens jetzt woanders hingehen müssen, würde das nicht unser Einverständnis finden.“

Werner, so stellt sich dann heraus, ist der Herr Doktor, also Margots Mann.
Unsere Worte scheinen geholfen zu haben, denn das weitere Beratungsgespräch verläuft absolut ohne weitere Zwischenfälle. Am Ende lasse ich den Vorgang direkt ausdrucken und von beiden, Margot und ihrem Bruder, zur Bestätigung unterschreiben. Außerdem beuge ich diversen nachträglichen Diskussionen um angebliche Fehler und eine Kürzung der Rechnung dadurch vor, daß ich mir gleich einen ausgefüllten Überweisungsträger von Margot unterschreiben lasse. Den kann man nämlich im Gegensatz zu Kreditkartenzahlungen und Lastschriften nicht zurückbuchen.
Überdies übernehmen wir in diesem Fall auch nicht die Fremdrechnungen für Kommune, Blumen und Anzeigen als durchlaufende Posten, sondern ich lasse die Rechnungen direkt an Margot schicken. Selbst Schuld!

Während Margot noch einmal einen Blick auf den Sarg werfen will, spricht mich ihr Bruder an: „Sind Sie uns bitte nicht böse. Meine Schwester hat viel Stress. Sollte sie Ihnen irgendwelche Schwierigkeiten machen, rufen Sie mich einfach an.“
Er übergibt mir seine Visitenkarte und ich staune nicht schlecht. Dr. jur. ist er und Dezernent einer Stadt in NRW.
Ich nehme mal an, sein Wort hat Gewicht und ich kann mich darauf verlassen, als er mir verspricht: „Ich werde mit meiner Schwester und mit meinem Schwager nochmal sprechen und ich denke, daß Sie keine Probleme mit ihr haben werden.“


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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 18. Oktober 2007 | Revision: 28. Mai 2012

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mi
17 Jahre zuvor

Am besten hat mir der Schluss gefallen,

Mittagspause wieder gerettet.

Sitze hier immer noch laut lachend.

17 Jahre zuvor

Die arme Sau leidet wahrscheinlich schon Zeit seines Lebens unter dieser arroganten Zicke. Schlechtes Verhalten lässt sich nur in den seltensten Fällen mit Streß erklären.

Barblogger
17 Jahre zuvor

Der Bruder hat das wohl mit Schiller verwechselt, denn lt. Wilhelm Tell erspart ja die Axt im Hause den Zimmermann. Ob man so eine Axt allerdings wirklich im Haus haben möchte…

Moritz
17 Jahre zuvor

ähmmm ich bin irritiert, wenn er sagt das er mit dem schwager sprechen will könnte das doch schwierig werden, es handelt sich doch bei dem verstorbenen um seinen schwager oder?

undertaker
17 Jahre zuvor

@Moritz: Das sehe ich nicht so:

Vor 20 Minuten hat eine Frau angerufen, deren Vater im Krankenhaus verstorben ist.

Auf ihren Mann, den Arzt, hob sie nur ab, um ihre "Wichtigkeit" zu unterstreichen.

Moritz
17 Jahre zuvor

Ahhh!!! Wer lesen kann ist klar im Vorteil!

17 Jahre zuvor

Ich war erst auch verwirrt (Schwager, Vater – wer ist tot?), habe aber sehr gelacht. 🙂 Menschen gibt es… für so ein Verhalten kann nicht bloß Stress verantwortlich sein. Da müssen noch andere Faktoren ihre Finger im Spiel haben. *kopfschüttel*

Britta
17 Jahre zuvor

Da sieht man´s mal wieder: Geld ist nicht alles!

Denn besonders viel Freude scheint Margotchen im Leben nicht zu haben..!

Matthias
17 Jahre zuvor

Mensch, der Adenauer ging ja doch mal weg! Glückwunsch! 😉

Bianca
17 Jahre zuvor

"… hat das gar nicht nötig uns zu bedienen, das ist der beste Bestatter im ganzen Umkreis …" ging bestimmt runter wie Öl 🙂

17 Jahre zuvor

ARGH was fällt dieser Frau ein, meinen Zweitnamen so in Verruf zu bringen.

17 Jahre zuvor

Solche Leute reisen auch noch. Aber das schönste daran ist für mich immer: Sonnenbrille von Gucci, teures Handtäschchen, Pelzmantel und dann einen Koffer in der Hand oder ständig in den Hacken – von Karstadt (Weihnachtsangebot 1990 für 19,95 DM, oder so) – häufig jedenfalls irgendwelche billigen Teile, weil den kann man ja nicht so oft vorzeigen…

…und erwarten dann auch noch, das man z.B. im Zug seinen reservierten Platz verlässt, da man es ja gar nicht nötig hat für einen Freitag eine Reservierung zu kaufen.

Frauen bekommen ja immer einen Platz, oder was haben die für einen Chip eingebaut?

Puh. Lang geworden.

gruftigirl
17 Jahre zuvor

Schickis sind der wahre Abschaum der Menschheit!

Manche meinen, mit ihrem scheiß Geld können sie alles kaufen…

Louffi
17 Jahre zuvor

Da kann ich – selbst als Frau – nur sagen: Mädel, hab mal wieder guten Sex!

toejam
17 Jahre zuvor

@gruftigirl: Und leider können sie das auch. Immerhin ist Undertaker durch ihr Geld mal den Adenauer losgeworden, hat also auch irgendwo sein Gutes, oder?

anita
17 Jahre zuvor

Frau Dr. = Frau vom Dr. sie hat im Leben also selber geleistet und denkt, sie waer was Besseres, weil sie fuer 'nen reichen Kerl die Beine breit gemacht hat. Solche Frauen hab ich gefressen.

gruftigirl
17 Jahre zuvor

@toejam

Vielleicht…

Aber dennoch würde ich für Geld nicht meine Seele verkaufen! (Entweder hat unser Undertaker einfach eine gute Dosis Menschlichkeit oder er sieht als Chef selbst schon die Euros winken *grins*)

Bianca
17 Jahre zuvor

@gruftigirl

wahrscheinlich war das das einzige, was ihn hat so lange aushalten lassen ^^

17 Jahre zuvor

LOL, super Bericht. Stil kann man halt nicht kaufen 😀




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