Menschen

Sprachlos

Vier Geschwister sitzen vor mir und trauern um ihre Schwester Roswitha. Obwohl Roswitha die Mittlere war, war sie dennoch das Nesthäkchen. Roswitha war von Geburt an behindert, wurde mit offenem Schädel und offenem Rücken geboren und war zeitlebens ein schwerer Pflegefall.

Drei Schlaganfälle hat Roswitha überlebt, so alle zehn bis fünfzehn Jahre einen, jeder schwerer als der andere und der vierte hat sie nun am Freitag vor einer Woche ins Koma fallen lassen. Heute ist sie gestorben.

Roswithas Mutter ist schon ein paar Jahre tot, ihr Vater kann sich um die Bestattung nicht kümmern. Er leidet momentan zu schwer unter dem Verlust, viel schwerwiegender ist aber, daß er sich mit seinen anderen vier Kindern hoffnungslos zerstritten hat.

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Die Familie ist hier bekannt, der Vater ist Elektromeister und seitdem er im Ruhestand ist betreibt einer seiner Söhne das Unternehmen.

Es sind zwei Brüder und zwei Schwestern.
Ein Bruder und eine Schwester weinen, sie trauern um Roswitha, hätten sie noch gerne bei sich gehabt, vor allem die Schwester, die sich seit drei Jahren um die pflegebedürftige Schwerstbehinderte gekümmert hatte.
Die anderen beiden hatten sich nicht gekümmert und sitzen mit versteinerten Mienen da.

Dann spricht es der Bruder aus: „Ist doch besser so.“

„Für wen?“ will die weinende Schwester wissen und ihr Bruder schüttelt nur langsam den Kopf: „Für alle, denke ich.“

Kurz schnaubt die Wut im anderen Bruder hoch, doch dann senkt er seinen Kopf in die Hände und weint.
Die beiden Schwestern funkeln sich kurz giftig an, doch auch hier fällt kein weiteres Wort.

Dann sitzen die vier traurigen Menschen da und schauen mich fragend an.
Ich kann nicht, ich weiß keine Antwort, ich halte lieber den Mund.
Mehr als ihnen etwas Zeit zu geben, später eine schöne Beerdigung zu machen und nett und liebevoll zu diesen Menschen zu sein, kann ich nicht tun.

Warum soll ich immer auf alles eine Antwort wissen?

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(©si)