Bemerkenswert

Theo Lingen – Kuriose Jahreszahl

Das Grab von Theo Lingen

Mit berichtigter Jahreszahl. Foto von Susanne Huber

Theo Lingen war einer der größten Komödianten des deutschen Films und Fernsehens. Und mit Komödiant ist hier nicht das gemeint, was sich heutzutage als Comedian bezeichnet.

Unter dem Begriff Comedian wird so viel Verschiedenes zusammengefasst, dass es schwer ist, ein allgemeines Urteil über diese Kunstrichtung zu fällen. Dazu gehören solche, die nicht mehr können, als Altherrenwitze und Kneipenanekdoten zu erzählen und solche, die ausgefeiltes (politisches) Kabarett beherrschen. Meine Kinder liebten, als sie junge Jugendliche waren, den Berliner Mario Barth und bekamen von uns mehrmals Karten für sein jeweils aktuelles Programm geschenkt. Ich selbst bin kein großer Fan seiner Kunst und mag eher Torsten Sträter & Co.
Aber die Geschmäcker und der Anspruch sind verständlicherweise unterschiedlich, und wenn ich jetzt etwas Abfälliges über Mario Barth oder Cindy aus Marzahn sagen würde, wäre das ungerecht.

Früher, als das Fernsehen noch jünger war, waren fast alle Prominenten schon irgendwo, irgendwie mit irgendwas erfolgreich gewesen und hatten bereits bewiesen, dass sie ihre Kunst beherrschten. Karrieren, die aus dem Sein des Mediums heraus entstanden, wie es bei den Big-Brother-Prominenten und Reality-Stars heute so ist, die gab es nicht. Jeder hatte schon eine Opern-, Operetten- oder Theaterlaufbahn oder Bühnenkarriere hinter sich.

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Wenn zu dieser Zeit jemand als Komödiant gefeiert wurde, dann waren das Menschen, wie der Schauspieler Theo Lingen.

Theo Lingen – Der Komiker mit der näselnden Stimme

Theo Lingen, geboren am 10. Juni 1903 in Hannover als Franz Theodor Schmitz, war für mich und viele Menschen meiner Generation einer der prägenden Schauspieler.
Besonders typisch für ihn war seine charakteristische Stimme mit der näselnden, aber sehr akzentuierten Sprechweise. Durch sein komisches Talent und seine enorme Vielseitigkeit schaffte er es, in mehr als 200 Filmen mitzuwirken.
Wir kennen ihn aus den Schülerfilmen mit Hansi Kraus, aus Karl-May-Filmen und als schlauer Diener, nervöser Lehrer oder schlitzohriger Bürokraten.

Seinen Durchbruch feierte Lingen schon in den 1930er-Jahren mit Rollen in Filmkomödien, oft an der Seite von Hans Moser oder Heinz Rühmann. Beeindruckend finde ich auch seine ernsten Auftritte, etwa in Fritz Langs Klassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931).
Wie viele Komödianten und Humoristen war Theo Lingen privat eher ernst und in sich gekehrt und galt als sehr belesen. Trotz seiner Ehe mit einer jüdischstämmigen Frau konnte er während der NS-Zeit dank einer Sondergenehmigung weiterarbeiten, stand aber später auch im Kontakt zu Widerstandskreisen.

Nach dem Krieg war Lingen als Theaterschauspieler am Wiener Burgtheater und auf vielen deutschen Bühnen erfolgreich. Später wurde er einem neuen Publikum durch Fernsehauftritte in Klimbim, Die Lümmel von der ersten Bank oder Lachen Sie mit Stan und Ollie bekannt. Auch als Regisseur und Autor trat er gelegentlich in Erscheinung.

Theo Lingen starb am 10. November 1978 in Wien. Sein hintergründiger Humor, seine Eleganz im Spiel und sein feines Gespür für Rollen machten ihn zu einer Institution im deutschsprachigen Raum. Bis heute gilt er als einer der großen Komödianten des deutschen Nachkriegskinos.

Kleine Verwechslung am Grab

Es ist halt so: Die Sehgewohnheiten ändern sich, das Angebot ist heute sehr groß; und deshalb sind Filme von der Art, in denen Theo Lingen vorwiegend in Nebenrollen mitwirkte, heute nicht mehr so wahnsinnig beliebt. Das junge Publikum wird sie wahrscheinlich gar nicht mehr so mögen.
Auch ich habe ewig nichts mehr mit ihm gesehen und staunte, dass mir Ella aus Wien eine kurze Notiz zukommen ließ, ob ich nicht von einem kleinen Umstand bezüglich seines Grabes erzählen möchte. Das will ich gerne tun, auch wenn das zu Erzählende jetzt nicht so die große Sensation ist.

Aber immerhin:

Der Deutsche Theo Lingen erwarb in seinem späteren Leben auch die österreichische Staatsbürgerschaft. In Österreich verbrachte er auch die meiste Zeit seines Lebens. Von 1939 bis 1960 lebte er mit Unterbrechungen in Strobl am Wolfgangsee bei Salzburg. 1944 verlegte er seinen Wohnsitz nach Wien. Anfang 1945 zog er sich nach Strobl zurück.

So kam es, dass Theo Lingen von den Deutschen als deutscher Schauspieler und von den Österreichern als Österreicher wahrgenommen wurde. Das ist ja unterschwellig und scherzhaft ein ewiger Streit unter diesen deutschsprachigen Nationen, der in dem Spruch gipfelt: Die Österreicher wollen jedem weismachen, dass Beethoven Österreicher und Hitler ein Deutscher war.

Bei mir ist es so, dass ich hier in der Nähe von Heidelberg als waschechter Ruhrgebietler aus dem Kohlenpott gelte, dem man das angeblich auch mit jeder Silbe anhört, während ich in meiner ursprünglichen Heimat im Ruhrgebiet als süddeutscher Künstler gelte, der einen derben badischen Dialekt spricht. Dabei habe ich rund zwanzig Jahre im Ruhrgebiet gelebt, vier oder fünf Jahre im Wechsel dort und hier; und seit über 40 Jahren lebe ich nun in diesem kleinen Fischerdorf an den Gestaden des Neckars. Meine Heimat ist und bleibt Essen-Kray und ich ‚krieg Pipi in die Augen‘, wenn ich auf Google-Earth dort heute spazieren gehe. Mein Zuhause ist aber seit Ewigkeiten hier in der Nähe von Heidelberg und Mannheim. Hier fühle ich mich wohl. Aber mein Zuhause wäre immer da, wo meine Allerliebste ist. Ich bin da wie ein Hund und würde ihr auch nach Lappland nachlaufen.

Zurück zum Deutsch-Österreicher Theo Lingen. Der Schauspieler kollabierte im Oktober 1978 infolge einer Krebserkrankung und starb am 10. November 1978 in einem Krankenhaus in Wien. Die Stadt widmete ihm, dem Wahl-Wiener, ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 C, Nummer 46).

Hier gibt es einen Link zu seiner Grabseite im österreichischen Friedhofsführer

https://www.friedhofsfuehrer.at/wiener-zentralfriedhof/theo-lingen/

Das Kuriose, auf das mich Leserin Ella aus Wien aufmerksam machte: Einige Wochen nach dem Begräbnis wurde auf dem Grab von Theo Lingen eine große, schwere Grabplatte angebracht. Dort hatte der Steinmetz als Sterbejahr 1979 eingemeißelt.
Gestorben war Theo Lingen aber ein Jahr früher, nämlich 1978.
Immerhin blieb der Fehler ganze 33 Jahre unberichtigt.
Auch 1984, als seine zehn Jahre ältere Ehefrau Marianne in diesem Grab beigesetzt wurde, korrigierte man das falsche Sterbedatum nicht.

Es ist bis heute völlig unbekannt, ob der Fehler niemals bemerkt wurde oder ob man ihn einfach nur hingenommen hat.

Grabplatte mit falscher Jahreszahl

Grabplatte mit noch falscher Jahreszahl. Foto von Oliver Schuster

Erst im Jahr 2012, ein Jahr vor seinem 110. Geburtstag wurde der Fehler durch einen von der Stadt Wien beauftragten Steinmetz behoben.

Das Grab von Theo Lingen

Mit berichtigter Jahreszahl. Foto von Susanne Huber

Links:
Friedhofsführer Österreich
Wikipedia über Theo Lingen

Bildquellen:
  • Grab_Theo_Lingen: Oliver Schuster, Bild-frei, wikipedia.org
  • Zentralfriedhof_Theo_Lingen: Susanne Huber, CC BY-SA 3.0, wikimedia


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 1. April 2025

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