Frau Seipel war in unser Beerdigungsinstitut gekommen, um ihren sechs Jahre älteren Bruder bestatten zu lassen.
Der war verwitwet, so wie sie auch, und hatte die letzten Monate seines Lebens in ihrer Obhut und Pflege verbracht.
„Wir müssen nicht sparen“, hatte Frau Seipel gesagt: „Mein Bruder hat ganz schön was gespart. Nicht, daß ich als Erbin jetzt davon reich werden könnte, die Pflege war auch sehr teuer, aber für eine anständige Beerdigung mit allem Drum und Dran reicht es auf jeden Fall und dann bleibt noch ein Sümmchen übrig.“
So etwas hört jeder Bestatter gerne, denn wir machen den Job ja nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern auch oder sogar in erster Linie, um damit Geld zu verdienen.
Das wird den Bestattern oft angelastet und der Spruch, wir würden Kapital aus dem Tod von Menschen schlagen, wird uns immer wieder um die Ohren gehauen. Dabei verdient die ganze Welt am Leid der Menschen. Firmen, die Salben gegen Fuß- und Scheidenpilz herstellen, Unternehmen, die Operationsbestecke und Medikamente herstellen, Ärzte, Pfleger, Krankenhäuser, sie alle sind gewinnorientiert und wollen am Leid der Menschen verdienen.
Ob es dabei auch hehre Ziele gibt, vielleicht den Wunsch, Menschen zu helfen und Leid zu lindern, ja das gesteht man vielleicht noch Ärzten und Pflegekräften zu, aber der Bestatter ist und bleibt in den Augen der Mitmenschen der Aasgeier, der aus der Trauer noch ein Geschäft macht.
Schade eigentlich, denn sind wir nicht diejenigen, die das wegräumen, was die mit den zugestandenen hehren Zielen übrig lassen?
Wenn eine Kundin aber signalisiert, daß sie nicht sparen will und muß, ja dann erwachte auch in mir immer der Kaufmann. Wie oft hatte ich in letzter Zeit meine Waren und Dienstleistungen mit nur ganz geringem Gewinn verkaufen müssen, weil die Kunden einfach kein Geld hatten …
So zeigte ich Frau Seipel die günstigeren Särge und Decken, wandte mich im Verkaufsgespräch aber schnell den etwas teureren Produkten zu.
Das war ihr auch recht und sie streichelte das schön gemaserte Holz eines italienischen Sarges.
„Ach, was für ein schönes Material. Wissen Sie, ich liebe Holz. Wann immer ich in meinem Leben sparsam war, dann war das nicht bei Möbeln. Dieses Zeug aus den Möbelhäusern, zusammengetackert aus Pappe und Preßspan, das ist mir noch nie ins Haus gekommen, ich kaufe alle meine Möbel bei Antiquitätenhändlern und auf Auktionen. Diese Möbel, die man früher gemacht hat, die strahlen noch etwas aus und vor allem gehen sie nie kaputt.“
Ich schob die kleine, alte Frau etwas zur Seite und lächelte entschuldigend, weil zwei Männer aus der Werkstatt einen neuen Sarg in den Ausstellungsraum schoben.
Sie sagte: „Und wenn ich Ausschau nach Möbeln halte, dann ist eins immer ganz wichtig, sie müssen irgendeinen Kniff haben, irgendeinen Trick.“
„Wie meinen Sir das?“
„Nun, mein Sekretär zum Beispiel, der hat zwei Geheimfächer. An der großen Vitrine ist das Schloß nicht sichtbar und in meinem Schlafzimmerschrank gibt es ein verborgenes Kabinett für Schmuck und Preziosen. Wer nicht weiß, wie das alles aufgeht, der kann das gar nicht aufmachen. Ich habe auch noch einen Ohrensessel, wenn ich da an der rechten Lehne eine Rosette drücke, kann ich mich zurücklehnen und unter dem Sessel fährt eine Fußstütze aus. Das hat heute jeder billige Fernsehsessel, aber mein Sessel ist 150 Jahre alt und kann das auch. Was für eine Glanzleistung dieses Schreiners, der den gemacht hat!“
„Das klingt aber sehr interessant.“
„Nur eins wünsche ich mir noch, konnte das aber bislang nirgendwo finden.“
„Was denn?“
„Ein Tischlein deck dich!“
„Das gibt’s ja auch nur im Märchen.“ Ich lachte.
„Ja natürlich, aber ich will ja auch kein Tischlein, auf dem immer das ganze Essen wie von Zauberhand auftaucht. Nein, mein Tischlein soll ein kleines Tischlein sein, vielleicht so 80 mal 80 Zentimeter. Da nimmt es nicht viel Platz weg und ich könnte schön daran sitzen und alleine essen. Aber wenn Besuch kommt, dann möchte ich die Tischplatte mit einem Handgriff vergrößern können. Ich habe so etwas schon mal gesehen. Der Mann, der diesen Tisch verkaufte, drehte an der Tischplatte, so als ob er ein Lenkrad drehte und dabei schob sich der Tisch wie ein Fächer auseinander und wurde fast viermal so groß. Toll, sage ich Ihnen!“
Das Gespräch hatten auch meine beiden Angestellten gehört. Einer davon war Herr Stadelfinger, der gelernter Tischler war.
Stadelfinger hüstelte verlegen und ich merkte, daß er etwas zu sagen hatte, sich aber nicht ins Gespräch einmischen wollte. Ich ermunterte ihn zu sprechen, nickte ihm zu und sagte: „Na, Herr Stadelfinger, haben Sie auch schon mal von so einem Tisch gehört.“
Der Tischler strahlte über das ganze Gesicht und erzählte: „Ich habe genau so einen Tisch als Gesellenstück gemacht. Aber leider habe ich diesen Tisch nicht.“
„Och, das ist aber schade“, fand Frau Seipel, „Ich würde Ihnen den abkaufen.“
„Ja, das ist ’ne dumme Sache. Mein Chef, also nicht der hier, sondern der von damals, das war ein Ar…“, Stadelfinger bekam gerade noch die Kurve und verbesserte schnell: „… das war ein blöder Hund. Mit dem habe ich Streit bekommen, kurz bevor ich meine Gesellenprüfung gemacht habe. Wir haben uns darüber unterhalten, ob er mich wohl übernehmen würde und er hätte das auch gemacht, aber er bot mir einen Gesellenlohn, der kaum über meinem Lehrlingsgeld lag. Das war eine Unverschämtheit. Ich hatte schon von einer anderen Schreinerei ein viel besseres Angebot und das sagte ich ihm auch. Darüber wurde er so zornig, daß er mir noch in der selben Minute sagte, daß er nunmehr nicht mehr bereit sei, mich nach der Prüfung zu übernehmen.
Da brach dann ein regelrechter Kleinkrieg aus. Der hat mir vielleicht das Leben schwer gemacht und die letzten Wochen bis zur Prüfung waren die Hölle.
Seit Monaten hatte ich an diesem Tisch gearbeitet und nun verkündete er, ich müsse ihm diesen Tisch abkaufen, sonst gehöre er nach der Prüfung ihm. ‚Wieso?‘ habe ich gefragt, ‚Den habe ich doch gemacht!‘. Doch er meinte: ‚Den hast Du während Deiner Arbeitszeit gemacht, mit meinem Material und somit mußt Du mir Material und Zeit bezahlen. Gib mir 1.000 Mark und Du kannst den Tisch selbstverständlich haben.‘
Aber damals habe ich 250 Mark Lehrlingsgeld bekommen, da konnte ich keine 1.000 Mark für einen Tisch bezahlen. So habe ich ihn schweren Herzens da lassen müssen.“
„Das ist aber schade!“, rief Frau Seipel nochmals.
„Is‘ aber kein Problem, nochmal so einen zu machen“, meinte Stadelfinger und Frau Seipel schlug sofort in seine Hand ein: „Machen wir, ist geritzt!“
Stadelfinger hatte die Hand nur so hingehalten, am Ende seiner Gestik, und er hatte nicht damit gerechnet, daß die Frau das als echtes Angebot annahm. Aber nun war er drin in der Nummer, überlegte kurz, sah mich fragend an und ich zuckte nur mit den Achseln. Das war ein Geschäft zwischen den beiden und ging mich nichts an. „Sie müssen wissen, ob Sie das können“, sagte ich nur und der Schreinergeselle grinste: „Und ob ich das kann!“
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„So etwas hört jeder Bestatter gerne, denn wir machen den Job ja nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern auch oder sogar in erster Linie, um damit Geld zu verdienen.
Das wird den Bestattern oft angelastet und der Spruch, wir würden Kapital aus dem Tod von Menschen schlagen, wird uns immer wieder um die Ohren gehauen. Dabei verdient die ganze Welt am Leid der Menschen. Firmen, die Salben gegen Fuß- und Scheidenpilz herstellen, Unternehmen, die Operationsbestecke und Medikamente herstellen, Ärzte, Pfleger, Krankenhäuser, sie alle sind gewinnorientiert und wollen am Leid der Menschen verdienen.
Ob es dabei auch hehre Ziele gibt, vielleicht den Wunsch, Menschen zu helfen und Leid zu lindern, ja das gesteht man vielleicht noch Ärzten und Pflegekräften zu, aber der Bestatter ist und bleibt in den Augen der Mitmenschen der Aasgeier, der aus der Trauer noch ein Geschäft macht.
Schade eigentlich, denn sind wir nicht diejenigen, die das wegräumen, was die mit den zugestandenen hehren Zielen übrig lassen?“
Interessante Gedanken.