Frag doch den Undertaker

Umbettung nach einem Vierteljahrhundert

Guten Tag Herr Wilhelm,

ich bin sehr verzweifelt. In einigen Wochen steht die Umbettung meines vor 25 Jahren verstorbenen Vaters an, weil das Reihengrab abläuft.
Für die schriftliche Genehmigung meines Antrags hat sich das Friedhofsamt vier Monate Zeit gelassen, trotz mehrfacher telefonischer Versprechen.

Vorgestern teilte mir die zuständige Mitarbeiterin mit, dass man mir „keine 1000%ige Garantie geben kann, dass die tatsächlichen Gebeine meines Vaters umgebettet werden, es könnten auch diejenigen eines anderen Verstorbenen sein“.

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Aufgrund vieler anderer Erfahrungen habe ich das Vertrauen zu diesem Friedhofsamt vollständig verloren.

Gibt es Gutachter für Umbettungen, die vor Ort erfassen können, dass es die Gebeine des Verstorbenen tatsächlich sind? Schließlich gibt es ja auch nach langer Zeit Exhumierungen mit aufwendigen Analysen.

Außerdem ist es auf diesem Friedhof nur den Friedhofsarbeitern erlaubt, die Umbettung vorzunehmen. Ein Bestatter darf dies leider nicht, sagte man mir

Vielen Dank für Ihre Mühe

Gräber werden immer nur für eine bestimmte Zeit überlassen. Wahl bzw. Familiengräber (vielerorts auch Gruft genannt), kann man über viele Jahrzehnte, ja Generationen, hinweg verlängern.
Bei Reihengräbern ist das zumeist nicht so. Irgendwann kommt der Tag, an dem sie ablaufen und dann kommt nach einer Weile ein neuer Verstorbener in dieses Grab.
Auf manchen Friedhöfen hat man dann die Möglichkeit, eine -sonst nur schwer genehmigungsfähige- Umbettung vornehmen zu lassen, um den Verstorbenen -oder das was von ihm noch da ist- in ein anderes (meist Wahlgrab) Grab „umziehen“ zu lassen.

Nun ist es aber eben so, wie ich oben schrieb: Das Reihengrab läuft ab, der darin befindliche Verstorbene ist weitestgehend vergangen und dann kommt ein neuer Verstorbener oben drauf. So geht das immer weiter, alle rd. 25 Jahre kommt ein „Nachmieter“.
Natürlich befinden sich nun in dem Grab, wenn es für einen „Nachmieter“ geöffnet wird, noch Gebeine des vorher dort Bestatteten. Diese werden, sofern sie beim Grabaushub sichtbar werden, ganz unten in der Grube vergraben.

Wenn jetzt ein Grab nach 20-25 Jahren geöffnet wird, sind aller Wahrscheinlichkeit nur die großen Knochen noch erhalten, keinesfalls ein komplett erhaltenes Skelett am Stück, so wie man es aus dem Biologieunterricht kennt.
Die Friedhofsarbeiter werden sorgfältig vorgehen und versuchen, das was sie finden ordnungsgemäß zu bergen und in die Kiste zu legen, die man für gewöhnlich für eine Umbettung nimmt.
Bitte beachten Sie: Für eine Umbettung entfällt die Sargpflicht! Hier genügt eine der sogenannten und recht günstigen Gebeinekisten.

Nun ist es tatsächlich möglich, daß bei Ausgraben Ihres Vaters auch Knochen eines „Vormieters“ mit erwischt werden. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist nicht besonders groß, aber sie besteht.
Der Großteil der gefundenen Knochen wird aber zum zuletzt dort Bestatteten gehören, also zu ihrem Vater.

Jetzt hat ihr Vater aber ein Vierteljahrhundert gemeinsam mit seinen Vormietern in ein und demselben Grab gelegen und die haben sich ja offensichtlich alle miteinander vertragen.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Ihrem Vater etwas ausmachen würde, wenn der eine oder andere kleine Knochen von seinen „Mitbewohnern“ mit ins neue Grab umzieht.

Sehen Sie es doch einfach mal so, wie ich es hier geschrieben habe.
Ich will ihre Gefühle nicht verletzen und die Sache nicht ins Lächerliche ziehen.
Ich verstehe es gut, daß Sie möchten, daß im neuen Grab Ihr Vater liegt und keine völlig fremde Person.

Das wird aber auch nicht der Fall sein. Das Grab wird von oben her geöffnet und die großen Knochen die man findet, werden zu ihrem Vater gehören. Die größeren Knochen der Vorbelegung sind ein ganzes Stück tiefer.
Lediglich kleinere Knochen, wie Rippen, Finger oder Fußknochen des Vormieters könnten sich beim damaligen Öffnen des Grabes, als Ihr Vater bestattet wurde, mit dem Aushub vermischt haben und jetzt mit auftauchen.

An Ihrer Stelle würde ich mir die Mühe und vor allem die hohen Kosten ersparen, die damit verbunden sind, zu versuchen, aus dem gefundenen Knochenmaterial eine gentechnische Probe zu gewinnen und die Identität ermitteln zu lassen.

Auch wenn Ihre Erfahrungen mit diesem Friedhofsamt keine guten sind, können Sie sich normalerweise auf die Berufserfahrung der Friedhofsarbeiter verlassen.

Eventuell besteht ja die Möglichkeit, zu erfahren welche Arbeiter das machen werden. Und vielleicht hilft ein Händeschütteln etwas weiter, um die Motivation zu heben, noch sorgfältiger zu arbeiten.

Sollten Sie noch Fragen haben, die ich hier nicht beantwortet habe, scheuen Sie sich bitte nicht, mich zu kontaktieren.

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(©si)