Geschichten

Urne 20 Jahre daheim – jetzt beigesetzt

Vor Jahren erzählte ich hier im Bestatterweblog die Geschichte einer Frau, die die Urne ihres verstorbenen Mannes gerne zu Hause aufbewahren wollte. Wir haben ihr diesen Wunsch damals erfüllt. Ich beschrieb, wie das auf Umwegen über die Niederlande ermöglicht wurde.

Die Dame hatte die Urne im Wohnzimmerschrank hinter der Glasscheibe aufgestellt. An der Stelle, an der man normalerweise schöne Weingläser oder ein Service präsentiert. Daneben ein kleines Foto ihres Mannes.

Vor zwei, drei Jahren habe ich die Tochter der Frau getroffen. Das heißt, sie traf mich. Ich hätte sie nach nunmehr 20 Jahren nicht mehr wiedererkannt. Zwar habe ich mich auch verändert, aber so große, dicke Männer sind ja irgendwie unverkennbar. Die Tochter erzählte mir, dass sie die Urne im Wohnzimmerschrank immer ziemlich gruselig findet und nicht verstehen kann, dass es keinen allgemein zugänglichen Ort zur Trauer gibt.

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„Papa hatte doch auch viele Freunde, Vereinskameraden, Arbeitskollegen und es gibt doch auch Nachbarn und Verwandte. Die wissen alle nicht, wohin sie gehen können. Und erzählen darf ich von der Urne in Mamas Schrank auch nichts, weil das ja verboten ist.“

Ich gab zu bedenken, dass nach nunmehr so langer Zeit sicherlich kaum noch einer das Bedürfnis hat, oft auf den Friedhof zu gehen, aber sie gab dann wiederum zu bedenken:

„Da mögen Sie Recht haben. Jetzt ginge vielleicht keiner mehr hin, aber am Anfang war das schon doof. Wir haben immer gesagt, Papa sei anonym bestattet worden, dann war Ruh‘. Aber es ist ja auch so: Wenn der normal bestattet worden wäre, dann wäre das Grab inzwischen schon fünf Jahre weg. Die Trauer hätte dann einen Abschluss gefunden. So sitzt Mama aber immer vor der Dose mit meinem toten Vater und heult sich auch nach dieser langen Zeit immer wieder mal die Augen aus. Der ist einfach immer präsent. Das geht nie vorbei. Ist doch fürchterlich!“

Jetzt hat die Geschichte ihren Abschluss gefunden. Gestern las ich eine Todesanzeige in der Zeitung. Oben ein Sinnspruch, in der Mitte der Name dieser Frau und darunter ihre Lebensdaten. Und eine Zeile tiefer: „Die Beisetzung der Urnen von Mathilde und Karl W. findet am … um … statt.“

Den zuständigen Friedhofsverwalter traf ich gestern Abend an der Tankstelle. Eine gute Gelegenheit, ihn danach zu fragen. Für ihn und auch die Friedhofsverwaltung war das keine Sensation, dass da mit einer neuen Urne auch noch eine auftaucht, die schon vor rund zwanzig Jahren „abgefüllt“ wurde. „Hat niemanden interessiert. Solange die Gebühr für den Platz auf dem Friedhof bezahlt wird, ist uns das doch egal.“

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(©si)