Herr Kruse war zuerst bei einem anderen Bestatter. Solche Kunden hat man manchmal nicht so gern. Ich zumindest habe die Erfahrung gemacht, daß das was ihn beim Kollegen hat weggehen lassen, auch bei uns zu Schwierigkeiten führen kann. Kann sein, muß nicht sein, ist aber manchmal so.
Bei Herrn Kruse kann ich seine Verärgerung über den Kollegen aber verstehen.
Zunächst hatte der Kollege die komplette Bestellung von Herrn Kruse aufgenommen und als diese über 3.500 Euro hinausging, kam dann die Mitteilung, der Bestatter müsse nun eine Kreditauskunft über Herrn Kruse einholen, sonst spiele der Finanzierer nicht mit.
„Ich will doch aber gar nichts finanzieren lassen“, wandte Herr Kruse ein, doch der Bestatter erklärte dann, daß er alle seine Rechnungen zum „Factoring“ an ein spezielles Kreditinstitut abtrete, das dann das Mahnwesen übernehme.
So habe er sein Geld immer sicher und bei einem eventuellen Zahlungsausfall müsse sich die Factoringbank mit dem Kunden herumschlagen.
Bedingung sei aber, daß die Kunden bei Überschreiten einer gewissen Bestellsumme vorher überprüft werden.
Nee, das wolle er aber nicht, verweigerte sich Herr Kruse und bot stattdessen an, den Rechnungsbetrag gleich am Tag der Beerdigung in bar zu bezahlen. „Ich zeige Ihnen gerne Kontoauszüge, damit Sie sehen können, daß wir genug haben.“
Nein, wenn schon dann müsse Herr Kruse die gesamte Summe im Voraus bezahlen.
Das war Herrn Kruse dann doch zuviel Mißtrauen und er verabschiedete sich, ohne den Auftrag dort zu unterschreiben.
Vorkasse beim Bestatter? Ja, das gibt es.
Angehörige bestimmter Berufsgruppen, wie zum Beispiel Schausteller, Zirkusleute und auch Menschen, die mehr oder weniger nur auf der Durchreise sind und allenfalls einen festen Wohnsitz irgendwo weit entfernt haben, die kennen das gar nicht anders. Sagen wir es mal so, es ist kein grundsätzliches Mißtrauen, aber es vereinfacht die Angelegenheit für alle Beteiligten sehr, wenn diese Leute vorher bezahlen. Dann können Sie es auch nicht zufälligerweise vergessen, wenn die Kirmes, der Zirkus oder der Wohnwagen abgebaut werden und die Reise weitergeht.
Erstaunlicherweise gehören Binnenschiffer nicht dazu. Hier gibt es immer eine echte feste Meldeadresse und die Leute zahlen immer.
Auch wer aus dem „Viertel“ kommt, läuft schon mal Gefahr, daß der Bestatter -wie ganz viele andere Lieferanten und Handwerker auch- vorher sein Geld sehen will. Zu groß ist die Gefahr, daß die Kunden der Verlockung erliegen, zu aufwendig zu bestellen und damit ihre finanziellen Möglichkeiten überzustrapazieren.
Auf der anderen Seite muß man einfach auch ein gutes Gefühl, sozusagen einen sechsten Sinn haben.
In all den Jahren ist es mir nur ganz selten passiert, daß mir jemand aus dem Viertel was schuldig geblieben ist.
Am ehesten noch bleiben Rechnungen von Lehrern, Ärzten und Rechtsanwälten offen. Das sind sowieso mit Abstand die schwierigsten Kunden.
Es ist kein Witz, aber auch hier verlange ich eine deutliche Anzahlung. Ich will wenigstens meine Vorkosten in trockenen Tüchern haben. Dieses ewige Gemecker hinterher, um den Rechnungspreis zu drücken, dieses Herumtanzen auf unabwendbaren Vorkommnissen und nicht in unserem Einflussbereich liegenden Fehlern, das kotzt einen irgendwann so an, daß man sagt: Leg‘ Du erst mal die Kohle hin, dann arbeite ich für Dich und dann kann mir Dein Gejaule hinterher egal sein.
„Meine Güte, was waren wir entsetzt! An dem Kronleuchter oder wie das Dingen heißt, da in der Trauerhalle die Lampe in acht Metern Höhe, da waren ja Spinnenfäden dran. Also wirklich, dafür zahlen wir jetzt 10% weniger.“
„Hier im Licht des Ausstellungsraums sah der Sarg viel dunkler aus, als bei hellem Sonnenlicht auf dem Friedhof. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, uns darauf hinzuweisen. Für den Beratungsfehler ziehen wir jetzt 20% ab.“
„Sie wissen schon, daß ich Anwalt bin, oder?“
„Der Sarg, ach neeee, der Sarg! Grauenvoll, der sah ja so schrecklich nach Tod aus, und die Vorstellung, daß da jetzt mein Vater drin liegt, neee aber auch, das hat mich ja so fertig gemacht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Da muß ein Rechnungsabschlag drin sein, wegen seelischer Grausamkeit oder wie man da so sagt.“
„Der Prediger hat dreimal Äh gesagt und viermal Hmm gemacht, der war ja unfähig der Mann, das zieh ich Ihnen jetzt ab.“
„Ganz toll fanden wir ja, daß sie einen Pavillon aufgestellt hatten und Stühle für die engsten Angehörigen. Bei dem Regen war das eine prima Sache! Aber am Rand, da wo der Pavillon aufgehört hat, da hat es vom Dach getropft und einer guten Freundin der Familie den Hut ruiniert, die Rechnung dafür leg ich Ihnen bei und zieh das ab.“
Ich kann gar nicht soviel essen, wie ich da reihern könnte!
Wenn was schief gelaufen ist, und da wird mir jeder der hier mitlesenden Kollegen zustimmen, dann bringt man das möglichst schnell, zufriedenstellend und unauffällig in Ordnung. Bloß keine schlechte Mundpropaganda, bloß keinen Ärger. Kundenzufriedenheit ist das oberste gebot, aber nicht um jeden Preis.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Keine Schlagwörter vorhanden
Hui, da hat Tom aber ein paar besch…… Tage hinter sich.
Als „Auch-Dienstleister“ kann ich das alles nachvollziehen. „…aber nicht um jeden Preis…“ sollte man sich verbiegen, denn wenn man sich zum Deppen macht ergibt sich auch ein gewisser Ruf der entsprechende Nörgelkunden mag(net)isch anzieht. „Mit dem kannst du es ja machen, der Müller/Meier/Schulze hat da auch hinterher Rabatt/Abschlag rausgehauen.“
B. A.
Ja, diese Kandidaten gibts überall sogar im Online Shop:
Email eines Kunden:
Ich bestelle:
2 x Produkt XY – 25 EUR
mit 10% Rabatt und versandkostenfrei.
Mit freundlichem Gruß,
Martin Wichtig
Bauamt Hintertupfingen.
Ja, was. Für ganze 25 EUR bestellen, 10% Rabatt wollen und ohne Versandkosten. Und dann noch in dem Ton. Da verzichte ich gerne. Scheint aber auf dem Bauamt so üblich zu sein, daß man da überall Rabatt kriegt. Aber ich wohn nunmal nicht in Hintertupfingen, will da auch nicht bauen, dann brauch ich auch niemandem in den Hintern kriechen.
Das ist doch ein Volkssport geworden in diesem unseren Lande. Meckern und beschweren und weniger zahlen wollen.
Aber möglichst erst, wenn der Teller schon leergefressen wurde.
Wäre ich bloß nicht zurück gekommen …
War schon immer so, dass die Leute, die mehr Geld als andere zur Verfügung haben, um jeden Pfennig/Cent geizen.
@Rena(4): Deswegen haben solche Leute ja auch mehr Geld als alle anderen. Eben weil sie völlig ehr- und anstandslos um jeden Cent feilschen.
Wenn sie das nicht tun würden, hätten sie nicht mehr Geld als andere 😉
Och möööönsch 🙁
Eintrag Nr.5 (Anonym) war ich. Hatte vergessen das Formular ganz auszufüllen… Sorry 😉
Was das Feilschen (was eben nicht das einfache Kürzen der Rechnungssumme ist) angeht, warum nicht?
Der Versuch (in einem ordentlichen Tonfall) kostet nichts und schadet nichts.
Ich gehe mal davon aus das Tom mit seinen Zulieferern auch verhandelt.
Was ist „das Viertel“?
„Sie wissen schon, daß ich Anwalt bin, oder?“
Mögliche Antworten:
– „Macht nichts, das kostet deswegen auch nicht mehr.“
– „Deswegen wollen wir ja Vorkasse.“
– „Auch Sie werden mich bestimmt noch einmal brauchen.“
Artikel zu €7,99 im Online Shop.
Mailverkehr mit einem Besteller:
„Wenn ich kaufe, kann ich einen Rabatt haben?“
„Klar, vieviele möchten Sie denn abnehmen?“
„Einen!“
Oder der hier:
„Bei XY kostet der Artikel nur €4,99!“
„Den Preis mache ich Ihnen gern – wenn ich auch seine Versandkosten bekomme.“
„Nein, dann zahl ich ja mehr als bei Ihnen!“
@muzzi (2)
Da schreibt man freundlich zurück.
„Sehr geehrter Herr Wichtig,
ich bedanke mich für Ihre freundliche Anfrage, muss Ihren Antrag jedoch wegen institutionsbedingt veränderter Losgröße zurückweisen. Statt dessen möchte ich Ihnen folgendes Angebot unterbreiten:
1 5er-Paket Produkt XY – 82,90 EUR
Und wenn Sie heute noch bestellen, gewähre ich Ihnen einen Nachlass in Höhe von 20 % und liefere versandkostenfrei.
Mit freundlichem Gruß
Sven Schlau“
Die schickt man dann um 16:30 Uhr zurück. 😉
@Sue: Ich glaube das liegt einfach daran, dass die Menschen hier genaus angep**** sind wie in anderen Laendern aufgrund von Finanzkrisen, kompetenzfreien Politikern und Volksverarschung. Die Griechen gehen lautstark demonstrieren, die Franzosen legen mit Streiks das Land lahm und die Deutschen beschimpfen ihre Mitmenschen, am liebsten im Dienstleistungsgewerbe. Das sind alle ihre Aggressionen los.
Er ist Jurist, und auch sonst von mäßigem Verstand. 😉
Ich würds so gern überlesen können und mich nicht angesprochen fühlen, aber ich kann einfach nicht anders …
Warum immer gegen Lehrer? Ich bin einer von ihnen und weil meine Eltern mir Anstand beigebracht haben, bin ich dankbar, wenn ein Handwerker seine Arbeit gut macht, und äußere das auch, außerdem biete ich immer etwas zu trinken an und wenn Kuchen o.Ä. da ist, auch diesen.
Viele meiner Kollegen sind liebenswerte, anständige Menschen, die schlichtweg ihren Job machen, dafür aber ständig vorverurteilt werden („DIE Lehrer“). In meinem Kollegium von 60 Menschen sind vielleicht 7 „Superkritische“ dabei, die feilschen würden – und gibts nicht auch unter 60 Bestattern 7 dieser Art? Unter 60 Handwerkern 7, die ihre Arbeit schlampig verrichten oder mich abzocken wollen?
Die misslungenen Beispiele bleiben im Gedächtnis, aber muss man diese unbedingt an der Berufsgruppe festmachen? Reicht nicht Haar- oder Augenfarbe oder Schuhgröße? DAS fände ich mal innovativ … und tolerant.
Die Einstellung einiger Menschen ist mir schleierhaft. Aber ich hörte oft genug, dass gerade die, die sich keine Sorgen um Geld machen müssen, immer am geizigsten sind und scharf darauf sind, alles und jeden herunterzuhandeln.
Ich vermute: Das gibt ihnen einen Kick, wenn man ein paar Euro tatsächlich weniger zahlen muss, weil das bezahlen an sich ja keinen Kick mehr geben kann, wenn man sich eh alles leisten kann.
Wir kommen zwar aus einer anderen Branche (man sagt uns aber nach, dass wir Tom und seinen Kollegen Kunden zuführen), mit Ärzten, Lehrern und Anwälten haben wir jedoch die gleichen Erfahrungen. Rabatte, die an bestimmte Bedingungen (Ausführung, Termin, Menge) geknüpft sind, werden von Ärzten wie selbstverständlich eingefordert, obwohl die Voraussetzungen bei weitem nicht erfüllt sind, Lehrer feilschen schlimmer als die Einkäufer von Aldi und Edeka, Anwälte haben Sonderwünsche, die auch beim dreifachen Preis nicht kostendeckend zu erfüllen wäre. Neulich hat sich eine Anwältin, die nach schriftlicher Bestellung noch zig Extras bei gleichem Preis dazu haben wollte, beschwert, weil sie noch keinen Termin hatte. Unsere Antwort: „Wir haben noch keinen Zahlungseingang verspürt – Sie wissen doch, dass wir Vorkasse wollen“ – „Warum?“ – „Bei Anwälten bestehen wir immer auf Vorkasse, wir haben unsere Erfahrungen“ Nie wieder was von der Dame gehört, Auftrag zerrissen und wohl dabei gefühlt. Zum Glück können wir uns das leisten, unsere Mitbewerber nicht.
@ Rena (4) und Astrid (16) – Altes Sprichwort: Von reichen Leute kann man das Sparen lernen und von von armen Leuten das Kochen.