Frag doch den Undertaker

Weggeworfen, renoviert und ausgelöscht?

orgel

Nach langem Zögern habe ich mich durchgerungen, Ihnen heute zu schreiben.

Es geht mir dabei um die Frage, ob man sich auf den Tod eines Menschen vorbereiten kann. Mein Großvater ist um die 80 und wir haben ein inniges Verhältnis. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass ich die ersten 25 Jahre meines Lebens mit Eltern und Großeltern unter einem Dach wohnen durfte.
Nun ist es so, dass meine Großeltern ab und zu vom Sterben reden. Sie fingen an, Haus und Hof von diesen und jenen angesammelten Erinnerungen und Staubfängern auf dem Dachboden etc. zu befreien, ließen die Fassade sanieren und erklärten dies mal den Worten: „Wir wollen alles ordentlich hinterlassen.“

Dabei treibt es mir immer die Tränen in die Augen, ich werde sogar leicht zornig und unterbreche die beiden dann stets. Ich kann und möchte mich mit diesem Gedanken nicht vertraut machen. Doch eine Verwandte sagte einmal, dass ich darüber nachdenken muss, da es mich sonst komplett aus der Bahn wirft. Doch momentan mag ich nicht daran denken. Lieber hoffe ich, dass es ewig so weiter geht, wie bisher. Opa schraubt an Motoren, Oma kocht Marmelade und wir sitzen oft zusammen und trinken Kaffee oder ich lade mich spontan am Wochenende zum Mittagessen ein.

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Wie kann ich damit lernen umzugehen?

Mit freundlichen Grüßen,

Bei meinen Eltern war es damals so und bei meinen Schwiegereltern ist es so, daß irgendwann so Sätze fielen wie: „Schenkt uns bitte nichts mehr zu Weihnachten. Wir trennen uns schon von allem möglichen und wollen nichts mehr was herumsteht.“
Dabei gaben sie vor, diese ‚Herumsteherles‘ seien ja nur Staubfänger und verursachten nur Arbeit.
In Wirklichkeit erkenne ich aber, daß alte Menschen teilweise von ihrem ganzen Hab und Gut erschlagen werden. Einerseits ist es der Aspekt, daß der Umgang und das Aufbewahren von Gegenständen, die man nicht mehr so oft benötigt, wie jüngere Menschen, ihnen vom Handling einfach zuviel wird. Andererseits erkenne ich auch immer wieder die Parallele, daß man ’sein Feld gut bestellt‘ wissen will. Der Gedanke daran, was aus den ganzen Sachen mal wird, wenn man mal nicht mehr ist, beschäftigt doch so manchen älteren Menschen.

Mein Vater ist zehn Jahre vor meiner Mutter verstorben und meine Mutter hat es nicht übers Herz gebracht, seinen Werkstattkeller auszuräumen, seine Bücher und Geräte zu entsorgen und sich von vielen anderen Dingen zu trennen. „Das erinnert mich an ihn, das kann ich doch nicht weggeben, daran hat ihm doch so viel gelegen.“
Wir sahen auch keinen Grund, sie zu drängen. Sie selbst hatte dann auch aufgehört, sich eigener Sachen zu entledigen und ist unserer Ermutigung gefolgt, ihr Geld auszugeben, sich alles zu gönnen, wonach ihr das Herz stand und keinesfalls sparsam zu werden.
„Genieße Dein Leben!“, hatten wir gesagt und ich glaube, das hat ihr in den Jahren der Trauer geholfen.

Doch dann kam der Zeitpunkt, an dem meine Mutter uns auch verlassen mußte und ich fuhr von Heidelberg nach Essen, um mich gemeinsam mit meiner Frau der Haushaltsauflösung zu widmen.
Das war für mich eine heftige Erfahrung! Wir hatten im Wohnzimmer einen langen Tisch aufgebaut und viele schöne Sachen dort aufgebaut, wie für einen Flohmarkt. Alle guten Freunde und Bekannten meiner Mutter hatten wir eingeladen, sich davon zu nehmen, was sie haben wollten, sei es, daß sie es gebrauchen konnten oder es als persönliches Erinnerungsstück besitzen mochten.
So kamen viele schöne Stücke in gute Hände.

Am anderen Tag aber lag dann vieles vom Rest einfach auf dem Sperrmüll. Es waren die Sachen, die keiner haben wollte, hauptsächlich Möbel.
Das hat mir in der Seele weh getan.

Natürlich haben auch wir wahnsinnig viel mitgenommen und ich besitze heute noch Sachen und Werkzeuge, die mein Vater und vor ihm mein Großvater besessen hat.

Was ich Dir damit sagen will: Es kann auch für die Familie später durchaus eine seelische Entlastung sein, wenn ältere Leute sich von vermeintlich Überflüssigem trennen.

Es kann nicht ewig so weitergehen, Dein Opa wird nicht ewig schrauben können und Deine Oma wird nicht ewig Marmelade kochend in der Küche stehen können. Sie werden, wie wir alle, sterben müssen.
Ich verstehe Deine Gefühle, ich denke heute, nach Jahrzehnten, immer noch oft, wie schön es wäre, wenn meine Eltern an diesem oder jenem teilnehmen könnten oder wenn sie dies oder das noch erlebt hätten.
Keiner mag sich gerne vorstellen, wie es sein wird, wenn liebe Menschen nicht mehr da sind.

Ich kann Dir nur raten, diese Phase nun gemeinsam mit Deinen Großeltern zu durchleben. Wehre Dich nicht gegen ihr Tun, sondern nimm daran teil! Bitte sie um den einen oder anderen Gegenstand und behalte sie als Andenken. Sprich mit ihnen offen über das Thema Sterben, denn dieses Thema verliert ein wenig seinen Schrecken, wenn man es mal besprochen hat. Dadurch, daß Du das abblockst und zornig reagierst, baust Du einen Panzer in Dir auf, der eine Beschäftigung mit dem Thema nicht zuläßt.
Du machst es damit nicht nur Dir selbst, sondern auch Deinen Großeltern nur schwerer.

Ich hoffe, daß andere in den Kommentaren noch weitere Ratschläge für Dich haben.

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(©si)