Jeder Mensch gehört zu Lebzeiten sich selbst. Sein Ich schaut durch die Augen aus seinem Körper heraus und sein Gehirn bestimmt im wesentlichen seine Handlungen.
Ist ein Mensch verstorben, so bleiben uns nur vage Vorstellungen davon, was aus diesem Ich, der Seele oder wie man es auch sonst nennen möchte, wird.
Hier bleibt nur der Körper, gerne auch als sterbliche Hülle bezeichnet.
Und diese sterbliche Hülle, dieser Leichnam gehört nicht dem Bestatter und auch nicht der Stadtverwaltung.
In allererster Linie haben die Angehörigen ein Recht darauf, zu bestimmen, wann und wo sie den Verstorbenen sehen möchten, ob sie ihn anfassen möchten und in welcher Art sie von ihm Abschied nehmen wollen.
Kommt ein Bestatter zu oft mit der Floskel „das geht nicht“, sollte man auch ruhig mal hartnäckig sein.
Ich sage jetzt mal so als Faustregel: Ein Verstorbener, von dem der Bestatter weiß, daß ihn die Angehörigen noch einmal sehen möchten, ist auf jeden Fall ordentlich gekleidet, geschminkt, gewaschen und frisiert.
Das wird bei der ganz überwiegenden Zahl der Bestatter sowieso der Fall sein, aber mit dem einfachen Satz: „Ich will den Toten bzw. die Tote noch einmal sehen“, nimmt man schwarzen Schafen den Wind aus den Segeln.
Das Gleiche gilt, wenn der Bestatter sich weigert oder es als ungebührlich empfindet, wenn man Teile der Totenasche oder Haare des Verstorbenen zu einem Edelstein verarbeiten lassen will.
Erst neulich sprach ich mit einer jungen Frau. Okay, aus meiner Sicht jung. Sie mag so um die 30 sein, dynamisch, Marathonläuferin und wie man so sagt: Mit beiden Beinen mitten im Leben.
Sie trug einen Edelstein um den Hals, nicht sehr groß, schön gefasst und erzählte mir, in diesem ‚Juwel‘ seien Haare von ihr, ihrem Mann und ihrem gemeinsamen Sohn verarbeitet worden.
Die ganze Familie sei quasi in einem Familienstein verewigt.
Blöderweise fragte ich nach, was denn sei, wenn sie nun noch ein Kind bekommen würden, von dem könne man dann ja schlecht noch etwas in diesen Familienstein einfügen.
Sie nahm mir das nicht krumm, denn ich konnte es nicht wissen: Ihr Mann war vor zwei Jahren bei einem schrecklichen Autounfall auf der Autobahn von einem Lastwagen und mehreren PKW überrollt worden.
Ein schwerer Schicksalsschlag, bei dem ein Mensch, den man eben so mit einem „bis später, Schatz“ verabschiedet hatte, urplötzlich und unwiederbringbar aus dem Leben gerissen wird.
Eine Chance, den Verstorbenen noch einmal anzuschauen, konnte ihr der Bestatter (in diesem Fall sicherlich berechtigterweise) nicht erfüllen.
Bei der Trauerfeier hatte man ein Bild vom Verstorbenen aufgestellt, doch das war der Frau irgendwie nicht genug.
„Wissen Sie was ich in den ersten Tagen immer gemacht habe? Ich habe mir den Pullover, den mein Mann am Tag vor seinem Unfall getragen hat, immer mit ins Bett genommen. Der roch nach ihm, nach seinem Rasierwasser, eben einfach so, wie ich ihn immer gerochen habe. Irgendwie wurde in mir der Wunsch größer, mehr von meinem Mann zurück zu behalten und auf irgendeine Weise immer bei mir zu tragen. Eine Freundin riet mir, ich solle mir seinen Ehering mit einem Schmuckstein aufarbeiten lassen und diesen dann tragen. Eine gute Idee, die ich auch später umgesetzt habe.
Aber dann erzählte ich dem Bestatter davon und der schlug mir das mit dem Edelstein vor. Gott sei Dank war da die Trauerfeier erst drei Tage her und mein Mann lag noch im Krematorium. Der Bestatter hat dann einen Mann vom Beerdigungsinstitut da hin geschickt und der hat meinem Mann eine Locke abgeschnitten. Tja, und daraus ist dann mit ein paar Haaren von mir und von Finley, unserem Sohn, dieser Stein gemacht worden.“
Jetzt verstand ich auch, warum diese Familie nicht mehr wachsen würde.
„Ob ich nochmal heirate? Das weiß ich jetzt noch nicht“, sagte die Frau zu jemandem, der sich in das Gespräch eingemischt hatte. „Kann aber gut sein. Im Moment denke ich da noch nicht drüber nach, aber ich kann mir auf der anderen Seite nicht vorstellen, jetzt 50 oder 60 Jahre allein zu bleiben. Aber den Stein hier, den werde ich bis an mein Lebensende tragen.“
Link: Mevisto, Edelsteine des Lebens, Edelsteine der Verstorbenen
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Sehr bewegende Geschichte.
Geht mir genauso. Bis jetzt habe ich – ehrlich gesagt – über das Thema gedacht: „Unnötiger Kommerz“. Aus TOMs Blickwinkel sieht es noch mal ganz anders aus…
Genau, aus Asche und Haare kann man einen Edelstein herstellen lassen, früher ging ja nur ein diamant aus der Asche. Heute gehn auch andere Farben. ich finde es einen schönen Gedanken…
bewegende Geschichte
kann die Frau verstehen
Schöne und bewgende Geschichte
Kann die Frau verstehen …
Das könnte sich schon bald, über die Köpfe der Staatsbürger hinweg, gravierend ändern: https://www.bz-berlin.de/landespolitik/berliner-fdp-will-alle-buerger-zu-organspendern-machen