Im vorherigen Eintrag geht es um die tragische Verwechslung zweier Leichen. Damit stellt sich natürlich die Frage, wie es zu einer solchen Verwechslung überhaupt kommen kann und wen da die Schuld trifft.
Nun, diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten.
Sortieren wir mal die Beteiligten aus dem Zeitungsartikel der Augsburger Allgemeinen:
Angehörige
Augsburger Bestattungsinstitut
Bestattungsamt Augsburg
Polizei
städt. Bestattungsdienst Augsburg
Pathologie Klinikum Augsburg
Das sind mal die Beteiligten so wie sie im Artikel genannt werden.
Gehen wir mal durch, wie so etwas abläuft.
Ein Unfall passiert und die Polizei wird gerufen. Sie stellt die Umstände fest und führt die Ermittlungen. Sie beauftragt auch den städtischen Bestattungsdienst bzw. einen niedergelassenen Bestatter, der die Leichen vom Unfallort abtransportieren soll.
Meiner Meinung nach hat allein die Polizei die Möglichkeiten, die Identität der Opfer festzustellen, sei es anhand von mitgeführten Ausweisunterlagen, Fingerabdrücken, genetischen Spuren und wenn nichts anderes hilft: durch eine Identifizierung durch Angehörige oder Personen, die die Opfer zu Lebzeiten kannten.
Ein Bestatter, ob nun städtisches Institut oder ein beauftragter Bestatter, kennt die Verstorbenen in den seltensten Fällen und es ist gewiss nicht die Aufgabe eines Bestatters, am Unfallort die Identität der Leichen zu ermitteln. Er muß sich hier auf die Angaben der Polizei verlassen. Ist die Identität nicht klar, dann heißt die eine Leiche eben „weibl. Frauenleiche 1“ und die andere „weibl. Frauenleiche 2“.
Absolut korrekt wäre es jetzt, wenn sich niemand auf irgendwelche Angaben von irgendeiner Stelle verlassen würde, sondern wenn die Angehörigen noch im pathologischen Institut eine Identifizierung vornehmen würden. Alles andere ist Mumpitz.
Wir wissen zu wenig über die eingetretenen Verletzungen, aber oftmals sind diese so gelagert, daß nur nahe Angehörige überhaupt noch bestimmen können, wer wer ist, vor allem dann, wenn die Gesichter in Mitleidenschaft gezogen worden sind.
Letzten Endes müßte die Ermittlungsbehörde hier also die Polizei, dem Bestatter einwandfrei mitteilen, wer welche Leiche ist.
Zwei junge Frauen, in etwa dem gleichen Alter, in einem Fahrzeug verunglückt, ja, da liegt es doch nahe, daß ein Verwechslungspotential besteht. Schon deshalb hätten alle Beteiligten höchst alarmiert sein müssen und von vornherein daran denken müssen, daß man hier besondere Vorsicht walten lassen muß.
Die Angehörigen sind, wie immer in solchen Fällen, außen vor. Von ihnen kann man nicht erwarten, daß die an so etwas in dieser Situation denken. Aber die erfahrenen Beteiligten von Seiten der Polizei, der Pathologie und letztlich auch der beiden Bestattungsinstitute hätten um diese Gefahr wissen müssen und die Angehörigen behutsam durch das Verfahren der letztendlichen Personenklärung führen müssen.
Wenn man aber davon ausgeht, daß es eine logische und faktische Kette gibt, dann ist das erste Glied dieser Kette die Polizei.
Sie hat am Unfallort die Ermittlungen aufgenommen und sie kann nur dem Bestatter sagen, wer welche Leiche ist.
Steht das zu diesem Zeitpunkt nicht fest, dann sind es eben „Leiche 1“ und „Leiche 2“ und dann wäre spätestens in der Pathologie die Frage aufgetaucht, um wen es sich bei welcher Leiche handelt. Es ist ja doch höchst unwahrscheinlich, daß die Leichen im Auftrag der Staatsanwaltschaft von einem Pathologen untersucht werden und der sich nicht absolut sicher ist, wen er da aufschneidet und wessen innere Organe er da auf die Waage legt.
Wenn der städtische Bestattungsdienst dann kommt, um eine Leiche für die Einäscherung abzuholen, und wenn der niedergelassene Bestatter dann kommt, um die andere Leiche für die Bestattung abzuholen, dann befinden sich bei den jeweiligen Verstorbenen entsprechende Unterlagen und auf die muß sich ein Bestatter verlassen können.
Der Fehler ist also eindeutig vor der Übergabe an die letztausführenden Bestatter passiert.
Selbst wenn der Bestatter, der die Toten am Unfallort birgt, eine Verwechslung verursacht hat, so kann man ihm dies nicht anlasten. Oft sind Leichen nur in Teilen zu bergen, manchmal sind Leichen entstellt, verschmutzt, blutverschmiert.
So kann hier evtl. zwar schon eine Vertauschung passieren, sie müßte sich aber bis zur späteren Übergabe der Verstorbenen zum Zwecke der Beisetzung auf jeden Fall aufklären.
Ermitteln und untersuchen tun nur Polizei und Pathologen.
Wir haben es hier aber nicht mit einer seltenen Ausnahmesituation, wenn auch in einer tragischen Ausprägung, sondern mit einem grundsätzlichen Problem des deutschen Leichenwesens zu tun.
Um es mal auf gut Deutsch zu sagen: Kein Mensch schert sich wirklich um die Identität von Toten.
Wenn Opa Franz stirbt und Opa Franz hatte eine gute, fette Rente und er hat einen etwa gleichaltrigen männlichen Verwandten, der von 322 Euro im Monat leben muß. Wer will denn da beweisen, wer da wirklich gestorben ist?
Ein bißchen Mullbinde um den Kopf gewickelt, damit der Mund des Toten auch schön zubleibt, dann einen Arzt rufen, der die Familie zwar kennt, aber den Opa Franz doch nicht so genau kannte, sich schön brav die Papiere ausstellen lassen und dann behaupten, daß sei gar nicht Opa Franz, sondern eben jener altersarme Verwandte.
Ja und der lebt froh als Opa Franz weiter, bezieht ab sofort dessen Rente…
Wer will denn das überprüfen?
Bei einem ganz normalen Haussterbefall wäre allerhöchstens der Arzt, der die Leichenschau im häuslichen Bett vornimmt, in der Lage die Identität festzustellen und eventuelle Zweifel anzumelden. Aber tot sieht sowieso kaum einer aus wie zu Lebzeiten und oft waren die Leute ja auch krank oder sind im Tode verzerrt, sodaß die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, daß überhaupt niemand was merken würde.
Der Bestatter verlässt sich auf die Angaben der Angehörigen und auf das was auf dem Totenschein steht. Manchmal bekommt er noch den Ausweis. Einen Ausweis mit einem Foto das im besten Fall zehn Jahre alt ist, wo Opa Franz noch gut im Futter stand und einen Bart hatte…
Letztendlich läuft das Ganze darauf hinaus, daß eine professionelle Leichenschau durch einen „Coroner“ (professionellen Leichenschauer) unabdingbar ist. Er muß die Todesursache ermitteln und bestätigen und auch die Identität des Verstorbenen.
Alles andere, auch wenn es seit Generationen bei uns so üblich ist, ist und bleibt kalter Kaffee.
Vor diesem Hintergrund, nicht vor dem des Datensammelwahns unseres Innenministers, ist die Einführung von eindeutig einer Person zuzuordnenden Ausweispapieren mit biometrischen Daten (z. B. Fingerabdrücken) eigentlich gar keine so schlechte Idee.
Jedenfalls kann es nicht angehen, daß einfach irgendwer behaupten kann, dieser Verstorbene sei der oder der.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: Lektorin A, schuld, trägt, verwechslung
danke dir. ich wollte im artikel vorher schon danach fragen, wie denn sowas passieren kann.
Ein interessanter Artikel. Kann mir trotzdem echt nicht vorstellen, dass das passiert.
[quote]“weibl. Frauenleiche 1”[/quote]
Gibt es etwa auch „männl. Frauenleichen“ oder „weibl. Männerleichen“ 🙂
*scnr*
Ein bißchen gruselt es einem schon, wenn man liest, wie schnell zwei Verstorbene bei einem Unfall (oder anderweitigem „Massensterben“) vertauscht werden können.
also ein weißer Schimmel 😉
vielleicht gibt es sogar „männl. aussehende Frauenleichen“ bzw. „weibl. aussehende Männerleichen“
je nach Zustand der/des Verblichenen und „Aufbereitung“ danach
Im Jahre 1978 verstarb in der Stadt Essen laut statistischem Jahrbuch ein Mann an den Folgen einer Geburt.
vielleicht war er bei der Entbindung seiner Frau dabei, ev. traten Komplikationen auf, er
konnte den Stress nicht aushalten und erlitt einen Herzstillstand –
somit verstarb er an den Folgen einer Geburt; wenn auch nicht unmittelbar betroffen
Wird nicht immer gemacht. Wenn die Opfer „nur indirekt beteiligt“ waren, dh nicht am Steuer, sondern auf dem Rücksitz saßen und die Sache ein ansonsten „einfacher Fall“ ist, läßt man die Obduktion wohl auch gerne mal ausfallen.
War der Teil mit dem Organe wiegen jetzt auch spezifisch fuer den gegebenen fall, oder nur ein generelles Beispiel?
Wuerde also nach einem Autounfall wie dem hier passierten wirklich eine Obduktion an allen Beteiligten durchgefuehrt werden? Mal abgesehen von einer Blutentnahme beim Fahrer natuerlich.
Männliche Frauenleichen oder weibliche Männerleichen gibt es, wenn auch nicht oft.
Transistoren oder so.
Der Tipp mit Opa Franz ist genial……
@undertaker
hast Du tatsächlich schon mal eine(n) Verstorbene(n) in Bekleidung des jeweils anderen Geschlechts
bestatten müssen, weil es dessen ausdrücklicher Wille war.
Wie überall können Fehler passieren. Ganz besonders entsetzlich ists wie in deinem beschriebenen Fall, dass 1 Leiche schon verbrannt wurde und keiner der Angehörigen mehr Abschied nehmen kann.
@7
Das geht heutzutage alles viel einfacher 😉
[url=http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Aus-aller-Welt/Artikel,-Transsexueller-Mann-bekommt-ein-Baby-_arid,1198532_regid,2_puid,2_pageid,4293.html] Mann bekommt Baby[/url]
Mir tut das Kind bei der ganzen sache n bischen leid.
Off Topic:
Als in dem Bericht über den Unfall von einem betrunkenen jugendlichen Fahrer am Steuer eines Cabrios die Rede war, habe ich gleich an einen 3er BMW gedacht.
Meine Vermutung wurde auf den Bildern dann bestätigt.
Ok, bei dem Unfallfahrzeug handelte es sich um einen E30, obwohl ich eher an einen E36 gedacht hatte, aber immerhin nich ganz daneben.
Komisch wie manche Klischees doch immer wieder bestätigt werden.
Klugscheissen für Fortgeschrittene (Nervenärsche):
Im Grunde verstirbt _jeder_ an den Folgen einer Geburt.
Tja was soll man zu dieser Verwechslung sagen? Es werden auch
Babys vertauscht…
Ja, und ich möcht nicht wissen wie oft Zwillinge untereinander vertauscht werden. erst vom Personal, und später von der Mutter, denn zieht sie der Babysitter falsch an, und wenn sie größer sind, ärgern sie ihren Lehrer.