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Werner VI

Heute wird die Beerdigung von Werner sein.

Edith, seine Witwe, und seine Tochter Ilona konnten sich einfach nicht entscheiden, ob sie Werner nochmals sehen wollen oder nicht. Ich befürchtete, daß Werner nicht lange besuchsfähig bleiben würde und an eine offene Aufbahrung am Beerdigungstag war sowieso nicht gedacht. Deshalb bereiteten wir am Freitag alles für eine Aufbahrung in unseren Räumen vor.

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Zuvor hatte ich ja das Treffen mit dem Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit der Polizei gehabt und dieser Mann kam erstaunlicherweise in Uniform. Zunächst waren wir nicht warm miteinander geworden. Offenbar wollte er die Bestattung nach seinen Vorstellungen gestalten und das stand in manchen Punkten meinen Plänen etwas entgegen. Wir merkten dann aber nach kurzer Zeit, daß wir beide mit Werner gut bekannt waren und sprachen lange über diesen wunderbaren Menschen. Darüber vergaßen wir dann unser „Gegockel“.
Außerdem sagte er mir, daß andere Bestatter, mit denen er bislang zu tun hatte, alles nur nach Schema 08/15 abwickeln und er deshalb gezwungen sei, tief in den Ablauf einzugreifen. Wir entwarfen dann einen Plan, wie wir für Werner eine sehr schöne Beerdigung hinbekommen.

Wir hatten Werner in eine unserer Aufbahrungszellen geschoben und dort wollte ich ihn seiner Familie präsentieren. Dazu hatten wir Blumen bestellt und mehrere Ständer mit frischen Gestecken hinter dem Sarg aufgebaut. Für 10 Uhr am Freitag hatte sich die Familie angekündigt. Ich staunte Bauklötze, als eine gute halbe Stunde vorher die Polizei bei uns auftauchte. Was sie denn wollen, erkundigte ich mich und bekam zur Antwort: „Na, heute ist doch die Aufbahrung von Werner, oder?“

„Ja, aber die ist doch nur für die Familie.“

„Schon klar, wir sollen während der Zeit Totenwache halten.“

Das fand ich eine gute Idee und so standen die beiden, wie zwei Wachsoldaten, links und rechts von der Eingangstür, die zu dem Gang führt, an dem die Aufbahrungszellen liegen.

Werners Familie war pünktlich. Edith, Ilona, Ilonas Mann und der kleine Enkel von Werner waren gekommen. Den Kleinen kannte ich ja schon und es hätte mir nichts ausgemacht, mich während der Zeit mit ihm zu beschäftigen. Aber das wollte man nicht, denn der Enkel hatte für seinen Opa ein Bild gemalt und wollte das unbedingt seinem Opa bringen. Das Bild hatte er in einer Umhängetasche, auf der ein Pumuckl fröhlich winkte.

Langsam näherten sich die Gäste dem Aufbahrungsraum, Edith vorneweg, dann war man an der offenstehenden Tür angekommen und Edith blieb stehen, wankte etwas, mußte sich am Türrahmen festhalten, dann hielt sie inne, es war ganz still und man hörte nur die leise Musik, die aus den versteckten Lautsprechern drang. Edith drehte sich zu mir um und sagte: „Mein Gott, er sieht ja so schön aus, am Liebsten würde ich ihn mitnehmen“ und mit den Worten: „Ach Werner, warum läßt Du mich denn bloß alleine“ betrat sie den Aufbahrungsraum, ging zu ihrem Mann und stellte sich ans Fußende des Sarges. Die anderen folgten ihr, jeder hatte etwas für Werner dabei. Edith ein kleines Blumensträußchen, das sie in seine Hände steckte, Ilona und ihr Mann hatten Umschläge mit Briefen und Fotos mitgebracht und der Enkel holte sein selbstgemaltes Bild aus seiner Umhängetasche. Ich ließ sie allein.

Zwanzig Minuten sind sie geblieben, dann kamen sie wieder in die Halle. Edith bedankte sich noch bei den beiden Kollegen ihres Mannes, weil sie Totenwache hielten und währenddessen ging ich kurz zum Aufbahrungsraum, um die Kerzen auszublasen und das Licht auszuschalten.

Ich wollte gerade auf den Lichtschalter drücken, da hörte ich hinter mir schnelle Schritte. Ganz atemlos kam Werners Enkel gelaufen. „Darf ich nochmal zum Opa?“

„Was willst Du denn beim Opa?“

Da öffnete der Kleine seine Pumuckl-Tasche und zog eine Brille heraus. „Ich muß dem Opa noch seine Lesebrille in die Hände legen, sonst kann er im Himmel doch unsere Briefe und Bilder nicht angucken.“

„Na klar, Du hast Recht, daran habe ich gar nicht gedacht“, sagte ich und begleitete ihn zum Sarg.

Der Kleine legte ganz flink die Brille zu dem kleinen Blumensträußchen in Werners Hand, rief noch einmal „Tschüß Opi“ und schon war er wieder verschwunden.

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