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Born to be wild

Sagt man eigentlich noch Rocker? Oder muß man jetzt Biker sagen? Egal, die zwei die gerade aus meinem Büro raus sind, waren jedenfalls welche. Wie zwei Messdiener standen sie brav und ehrfürchtig nebeneinander, ganz in Leder. Der eine mit verspiegelter Sonnenbrille, der andere mit einem Piratenkopftuch. „Den Pepi hat’s zerbröselt.“

Ich nehme mal an, daß soll bedeuten, daß ein Motorradfahrer namens Josef ums Leben gekommen ist und so ist es auch. Heuler und Bobo nennen sich die zwei und erzählen mir, daß Pepi von einem Autofahrer geschnitten worden sei und seine „Mühle“ quasi über ihn drübergewalzt sei.

„Kohle hammer genuch“, sagt Heuler und legt zum Beweis ein ganzes Bündel auf den Tisch, „Wir hamm zusammengelecht!“
Bobo nickt zustimmend und zupft an seinem Piratentuch.

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‚Ne dicke Kiste‘ wollen sie und die Beerdigung muss am Mittwoch sein, das hätte man so mit den anderen Clubs abgesprochen, die alle mit einer Abordnung kommen wollen. Wieviele Leute da denn kämen, will ich wissen. „So an die dreihundert etwa und alle mit Mühlen“, sagt Heuler und was macht Bobo? Genau! Der nickt und nestelt am Kopfschmuck.

Sie wollen den „Kennedy“, eine Klapptruhe aus Holz nach amerikanischem Muster. Blumenschmuck ohne Ende und vorne am Sarg soll ein Emblem mit ‚Harley Davidson‘ angenagelt werden. Die Trauerfeier soll in ihrem Clubhaus stattfinden. Das ist einerseits draußen vor den Toren der Stadt in einer ehemaligen Fabrik und andererseits stellt uns das vor ein Problem. Trauerfeiern mit Sarg sind hier nur in der Friedhofskapelle oder in extra dafür zugelassenen Räumen, beispielsweise unserer Hauskapelle erlaubt.

„Wir woll’n aber die Mühle vom Pepi aufbauen, seinen Sarch davor un dann alle einen auffen Pepi heben.“

Ich überlege hin und her und komme dann zu dem Ergebnis, daß ich bei dreihundert Leuten unmöglich unsere eigene Kapelle vorschlagen kann, die ist mit knapp 200 Sitzplätzen zu klein, selbst die Trauerhalle auf dem Friedhof, den die wollen, ist zu klein. Da kommt mir die rettende Idee.

„Wir machen das so: Sie machen die Trauerfeier in ihrem Clubhaus, mit Drehbühne und kaputtem Motorrad, genau so wie Sie das geplant haben. Vor das Moped stellen wir ein großes Foto vom Pepi und meinetwegen können Sie dort auch auf Ihren Kameraden anstoßen. Wir kommen mit dem Sarg da hin, machen am Bestattungswagen die Gardinen auf, damit der Sarg mit den Blumen sichtbar ist und dann fahren wir im Konvoi vom Clubhaus zum Friedhof.“

„Jau“, sagt Heuler und Bobo? Genau, Bobo nickt und zupft. Nicht mal gegen das Wort ‚Moped‘ haben die etwas einzuwenden.

‚Born to be wild‘ wollen sie auf dem Friedhof gespielt haben, wenn der Sarg abgelassen wird.

„Alter, das geht alles klar, oder?“

Ja, Heuler, das geht klar!

Die zwei gehen wieder, nachdem Bobo (!) alles unterschrieben hat, der ist nämlich für den Schreibkram zuständig.

Wir müssen jetzt wirken und zwar heftig! Der Verstorbene muß zweihundert Kilometer weit entfernt abgeholt werden. Der Bestattungswagen muss umgebaut werden, denn im Gegensatz zu dem, was die Leute glauben, haben die keine Gardinen, sondern das sind fest bespannte Tafeln, die zwar herausnehmbar sind, aber dennoch ist das ein Akt.
Mal mit dem Ordnungsamt und der Polizei telefonieren, wie das mit dem Konvoi aussieht, das dürfte aber klar gehen, wahrscheinlich bekommen wir einen Streifenwagen zur Begleitung.
Dann einen Pfarrer finden, der die Feier im Clubhaus macht, auch das wird gehen, denke ich, ich habe da schon einem im Auge, der lange in Amerika war.
Das größte Problem wird wieder das Friedhofsamt sein. Ich muss einen Termin bekommen, der absolut frei ist, das heißt, daß vorne- und hintendran keine anderen Beerdigungen sind. Ich muss mit dem Landwirt sprechen, dem das Brachgelände am Friedhof gehört, ob die da mit ihren Motorrädern parken dürfen. Unsere Musikanlage muss gecheckt werden, damit wir „Born to be wild‘ spielen können.
Mal sehen, ob ich ein Grab finde, das nicht in dritter Reihe am engsten Weg liegt, damit auch alle bei der Grablegung etwas sehen.
Ich sehe schon, ich werde Bakschisch brauchen. (Bitte genau lesen! Da steht nicht ‚Haschisch rauchen‘ sondern ‚Bakschisch brauchen‘.)

So und jetzt muss ich viel telefonieren. Der Mittwoch wird stressig, vormittags wird die kleine Maria bestattet, das steht jetzt fest, am Nachmittag, so hoffe ich, dann der Biker.

Heute nachmittag ist offene Aufbahrung von Maria in unserer Hauskapelle.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 23. August 2007 | Revision: 28. Mai 2012

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Höllenchefin
17 Jahre zuvor

Klingt ja fast wie ausm Film … wenn das mal klappt

Mirlith
17 Jahre zuvor

Traumhaft *grinst immernoch* … damit hast du die Sünde mit der Goth wieder gutgemacht…

Michel
17 Jahre zuvor

Haschisch rauchen wird wohl die Trauergemeinde übernehmen 🙂

17 Jahre zuvor

das ist ja… süss 🙂

17 Jahre zuvor

Ich finde es echt phantastisch wie du versuchst hier allen ihre Wünsche bestmöglichst zu erfüllen!

Nur um das mal zum Ausdruck zu bringen!

17 Jahre zuvor

So, jetzt aber erzählt, ob alles geklappt hat. Bin ja soo neugierig.

Louffi
17 Jahre zuvor

Ich hab mal die Beerdigung eines Country-Musikers mitgemacht, war sehr sehr schön, viele Biker dabei, wir haben Country gespielt, die Verwaltung hat alles mitgemacht, war wunderbar…

Benni
17 Jahre zuvor

Hallo, ich finde es auch sehr schön, dass du das ermöglichen kannst 🙂

17 Jahre zuvor

Nun hab ich einen Ohrwurm, grummel!

Aber schön das man bei Dir auch individuelle Wünsche erfüllt bekommt. So kann ja nicht jeder die gleichen Vorstellungen von einer würdevollen Beisetzung haben wie die hierzulande dominierenden Kirchen.

Thomas
17 Jahre zuvor

Sagt man eigentlich noch Rocker? Oder muß man jetzt Biker sagen?

Die Bundeszentrale für sensible Ausdruckweise empfiehlt: "Mitbürger mit motorisiert-zweirädrigem Fortbewegungsuntergrund"

17 Jahre zuvor

@Thomas: Jetzt stell' dir vor, unter den Rockern wäre ein far.. neg… maximalpig… Schwarzer. Man könnte ja mal einen Wettbewerb zur Minimierung der Begrifflänge bei gleichzeitiger Maximierung der politischen Korrektheit starten.

LeSmou
17 Jahre zuvor

Moped ROFL

wie geil!

PS: war Kennedy nicht der Sarg der nur dasteht und nie einer nimmt? Oder war das Adenauer?

Dod
17 Jahre zuvor

Und bei der Beerdigung nicht die CDs verwechseln! Nicht, dass da plötzlich "Highway to Hell" läuft 😉 ..

Ansonsten : Respekt auch von mir für so viel Kundenfreundlichkeit!

Willy
17 Jahre zuvor

Wunderbar! Was wären Friedhöfe lebendige Orte, würden sich alle Freunde und Angehörige solche Mühe geben. Ich bin dabei! =)

17 Jahre zuvor

hm .. mist. Mittwoch ist mein Urlaub scho wieder vorbei – hätte gern vorbei geschaut 😀

cu, w0lf.

undertaker
17 Jahre zuvor

@LeSmou: Gut aufgepasst 🙂 Adenauer ist der Dicke, den keiner kauft.

egal
17 Jahre zuvor

Bei uns im Ort wurde vor 2 Jahren oder so auch ein Biker beerdigt.

300 "Mopeds" in nem 1000-Seelen-Dorf, Totenwache am Grab und Rock bei der Beerdigung. Weil der stehend beerdigt werden wollte und die Verwaltung kurzfristig (Tag vor der Beerdigung) zugestimmt hat mit der Vorraussetzung, daß trotzdem die normgerechte "Erdüberdeckung" gewährleistet sein muß, haben die Kumpels aus dem Club dann das Grab noch ca 1,50m tiefer gemacht damit er wenigstens mehr oder weniger steht…

Ins
17 Jahre zuvor

Awww… niedlich. Und toll, dass sie solche Sonderwünsche erfüllt kriegen 🙂

17 Jahre zuvor

wie kriegst du in solchen Fällen eigentlich mit, dass Josef vielleicht nicht doch Familie hatte, die für ihn etwas ganz anders geplant hat? Also leibliche Verwandte jetzt?

Simon
17 Jahre zuvor

Unter Motorradfahrern ist es sogar üblich, die Motorräder (selbst die großen mit mehr als 1000 cm3) als Moppeds zu bezeichnen. Hast also nichts falsches gesagt 😉

ToWi
17 Jahre zuvor

Joa, ich glaube sogar, ich hätte Mittwoch frei – muss ich mal nachsehen. 🙂

Allein die Konvoifahrt zum Friedhof ist vermutlich schon sehr sehenswert.

Das wird bestimmt eine ansehnliche Trauerfeier.

Nopsi
17 Jahre zuvor

Ich finde das klasse. Keine 0815 Beeridung. So stelle ich mir meine Beerdigung auch vor, irgendwie.

Viele Freunde und Bekannte die feucht fröhlich abschied nehmen. Wie gesagt, find ich klasse Tom das du denen dabei Hilfst.

Sabine
17 Jahre zuvor

Hut ab vor soviel Engagement!

Hagen
17 Jahre zuvor

200 Sitzplätze. Wow.

undertaker
17 Jahre zuvor

@Hagen: Ich will nicht angeben. Wenn es bequem sein soll, können wir nur mit 80 Stühlen bestuhlen. Ich bekomme aber hinten noch eine Reihe dahinter, links wie rechts und vorne noch eine davor. Außerdem machen wir den Mittelgang enger und dann haben wir exakt 175 Stühle drin. Im Vorraum können wir nochmals 25-30 aufstellen, dann müssen wir aber die große Tür offenlassen.

Bei dieser Vollbestuhlung ist es aber zugegebenermaßen sehr, sehr eng.

nimue
17 Jahre zuvor

es gibt motoradpfarrer, die fahren immer zu den bikertreffen. oder alternativ einen von den "holy riders", das sind christliche biker.

ich war vor 4 jahren bei einer solchen beerdigung, war sehr beeindruckend, bewegend und auch würdevoll.

Bine
17 Jahre zuvor

Sollte man nicht erst nach dem Konvoi auf den Pepe einen trinken? Oder stoßen Biker mit Kindersekt an?

Nulpe
17 Jahre zuvor

"Ich sehe schon, ich werde Bakschisch brauchen."

Nur für den Fall das einer fragt,eine andere Bezeichnung dafür ist "Gefälligskeitstaler" oder "Seifenpfennig".Ganz brutale würden es auch dezente Bestechung nennen,die aber generell üblich ist wenn man was außer der Reihe möchte.

Respekt vor so viel Kundenfreundlichkeit.Ein Bestatter wie man ihn sich seinen Hinterbliebenen nur wünschen kann.

Vielleicht kannst du ja ein Bild vom Konvoi reinstellen,wenn das geht.Warum schreibt einem eigentlich der Gesetzesgeber vor wo der Tote aufgebahrt werden darf?Eigentlich ist es doch egal,Hauptsache er landet nachher da wo der verblichene bzw. Dahingeschiedene(r) danch hingehört.

Peridan
17 Jahre zuvor

Moped ist im übrigen eine durchaus gebräuchliche Bezeichnung für ein Motorrad unter Motorradfahrern. Kenne ich keine der was dagegen hätte wenn seien Maschine so genannt werden würde.

Internetto
17 Jahre zuvor

@Nulpe

Ich würde Mal vermuten, damit nicht jemand seine Oma im Vorgarten "auststellt" und jeder der vorbeigeht sich die angucken muss. Oder etwas dezenter, damit niemand belästigt wird 😉

17 Jahre zuvor

[…] dies etwas anstössig und pietätlos, aber nach so 2-3 Leseminuten doch recht erheiternd (Born to be wild) und teils als sehr traurig (Maria) empfunden. Alles in allem aber doch recht lesenswert und […]

Bense
17 Jahre zuvor

Gibt halt Licht und Schatten, so nah an einem Tag. Drücke mal die Daumen, dass die trauernde italienische Verwandtschaft auf dem Nachhauseweg nicht in das Korso gerät, sonst kann man gleich die nächste Beerdigung planen.

undertaker
17 Jahre zuvor

@Bense: Mal den Teufel nicht an die Wand!

Roichi
17 Jahre zuvor

Wo bleibt die Fortsetzung?

*gespanntwart*

wildeSau
17 Jahre zuvor

Es gibt übrigens einen Motorradclub der sich Undertakers MC nennt. Da ich auch Ex-MC Member bin: Kann ich mich nicht mitsamt meinem Mopped (drauf sitzend natürlich) verbuddeln lassen???




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