Die Beisetzung von Frau Plietsch war am Dienstag. Ich habe nicht viel davon mitbekommen, aber man hat mir gesagt, Herr Plietsch sei sehr gefasst gewesen und habe viel damit zu tun gehabt, zu den übrigen Trauergästen höflich und nett zu sein. Im Kondolenzbuch standen hinterher über 40 Namen.
Gestern ist Herr Plietsch dann bei mir gewesen und hat Danksagungskarten bestellt. Das gab mir Gelegenheit, ihn nach seinem Befinden und dem weiteren Fortgang zu befragen. Er atmete tief durch, seufzte und sagte: „Ach, es ist schon schwer. Meine Mutter hat ja alles gemacht und ich brauchte mich nie um irgendetwas kümmern. Jetzt muß ich mich in alles einfinden.“
Eigentlich fühle er sich für die Seniorenresidenz noch zu jung, aber alleine würde er auch nicht fertig und vor allem bereue er, daß er nie Kochen gelernt hat. Das wolle er jetzt aber unbedingt nachholen und habe sich schon auf dem Gemeindebüro einen „Fahrplan“ für die Volkshochschule besorgt, da habe er noch so viele andere Kurse entdeckt, die ihn interessieren und schließlich sei ihm die Idee gekommen, Oboen- und Klarinettenunterricht dort zu geben. „Vielleicht hat ja jemand Lust und außerdem kann ich dort vortrefflich üben.“
Ganz so hilflos, wie ich ihn eingeschätzt habe, scheint der Mann gar nicht zu sein. Vielleicht bricht aber jetzt auch die Kruste auf und einer der Kommentatoren behält Recht und Herr Plietsch wird noch „voll der Punker“.
Jedenfalls biete ich ihm an, jederzeit vorbeikommen zu können, wenn er was auf dem Herzen hat und gebe ihm zum Abschluß noch die Adresse und Telefonnummer des pensionierten Pfarrers. Vielleicht treffen die sich mal zu Schachspielen. Ja, das interessiert ihn, vor allem weil er sich auch für Kirchenmusik interessiert und es könne ja sein, daß der Pfarrer sein Interesse teilt.
Kann sein, ich weiß es nicht genau. Aber ich wünsche ihm alles Gute und kann nur nochmals sagen, daß ich selten einen so höflichen und netten Menschen erlebt habe.
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Es ist schon ein komischer Gedanke – vom Kinderzimmer ins Seniorenheim. Dass der Herrn Plietsch nicht behagt, kann ich gut verstehen.
Ich find´s super, dass er nun versucht, sein Leben ein bisserl selber in die Hand zu nehmen und sich so schnell nach dem Tod der Mutter tatkräftig Beschäftigung und Hilfe sucht. Es wäre schön, wenn er mit dem Pfarrer schon mal einen adäquaten Schachpartner gefunden hat!
Und fast noch schöner wärs, wenn ers schafft, sich in sein Leben völlig einzufinden und nicht ins Seniorenheim muss.
Das nenn ich stark! Die ganze Zeit im "Hotel Mama" wohnen und dadurch keine Ahnung von nix haben.
Aber sich dann so ins Leben zu stürzen – Respekt.
ich frage mich, was er vorher so den ganzen Tag gemacht hat. Man kann doch nicht Jahre lang jeden Tag nur Schachspielen und Oboe üben.
Ich finde es ebenfalls sehr bewundernswert wie gefasst er alles aufnimmt. Außerdem scheint er eine gute Vorstellung davon zu haben, was er will, auch wenn ihm anscheinend vorher von Mama alles vorgekaut wurde.
Ich hoffe für ihn das er noch viele Jahre vor sich hat und sein Leben ohne Mutti gut genießen kann.
Ich hoffe, der Herr Plietsch meldet sich nichmal/hat sich nochmal gemeldet und wir erfahren in ein oder zwei abschließenden Sätzen, ob es ihm gelungen ist, so etwas wie ein eigenes Leben aufzubauen.
Viel Glück, Herr Plietsch!
Ich finde es besonders toll, dass er immer bei Dir willkommen ist. Ich denke nicht, dass das viele "Geschäftsleute" zu ihren Kunden sagen. Ich bin beeindruckt, ein Bestatter mit Herz!
Ich glaub', um den müssen wir uns keine Sorgen machen. Der schafft das. Freut mich für ihn, er klingt wirklich sehr nett.
@ MKN: Unser undertaker hatte da bestimmt keinerlei Hintergedanken. *fg*
🙂