Sonja ist schon Mitte Dreißig, sie ist ausgebildete Erzieherin, findet aber in ihrem Beruf keine Anstellung. Da kommt ihr das Stellenangebot in der Zeitung als Bürohilfe ganz recht. Ihre Bekannten witzeln ein bißchen, weil es sich bei dem Betrieb ausgerechnet um ein Bestattungshaus handelt, aber Sonja sagt das, was alle in der Branche ganz gerne sagen: „Gestorben wird immer, so ein Job ist krisensicher.“
Daß das vor dem Hintergrund sinkender Sterbezahlen und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nicht wirklich stimmt, konnte sie als Branchenfremde nicht wissen und ihr neuer Arbeitgeber band es ihr auch nicht auf die Nase.
Der Job jedenfalls machte ihr Spaß, das Arbeitsklima war angenehm und die Bezahlung war zwar nicht überdurchschnittlich, kam aber pünktlich und das ist heute ja auch schon was. Irgendwie hatte Sonja sich den Beruf des Bestatters anders vorgestellt. Selbst wenn sie nur im Büro tätig war, kam es doch recht schnell dahin, daß mal ein Zettel in die Werkstatt gebracht werden mußte oder mal jemand die Urnen ins Regal räumen mußte. Kurzum, die Distanz zu den Verstorbenen wurde von Mal zu Mal geringer und schließlich war es überhaupt nichts Ungewöhnliches, daß Sonja auch mal völlig freiwillig beim Ankleiden oder beim Falten der Hände mithalf.
Im Verlaufe der Zeit entwickelte Sonja Vorstellungen davon, wie man Vieles besser und anders machen könnte. Ihr kam der routinierte Umgang mit den Verstorbenen zu lieblos vor und der höchst standardisierte Ablauf der Bestattungen zu altmodisch und wenig individuell.
Spaß? Ob ihr der Beruf Spaß gemacht hat? Wem kann es schon Spaß im klassischen Sinne machen, mit Toten umzugehen? Aber es erfüllte sie mit Genugtuung und innerer Befriedigung, wenn sie einen Auftrag von Anfang bis Ende begleiten durfte und empfand es als erbauend und bestärkend, wenn die Kunden hinterher zufrieden waren und sich bedankten.
Ich schrieb ja schon von sinkenden Sterbezahlen und der wirtschaftlichen Lage und so verwundert es sicher niemanden, daß vor diesem Hintergrund auch der eine oder andere Bestatter seinen Laden zusperren muß. So ging es auch Sonja Arbeitgeber, der einerseits sein Alter hatte und andererseits keinen Nachfolger fand und nun damit begann, seinen Betrieb herunterzufahren, um ihn dann Ende des Jahres (2005) endgültig zu schließen.
Sonja war die Erste die gehen musste.
In der Branche gibt es diverse Zeitschriften für Bestatter, meistens herausgegeben von den Verbänden in denen sich manche Bestatter organisieren und in einer dieser Zeitschriften war Sonja schon vor längerer Zeit auf eine Anzeige gestoßen. Bei einem erfolgreichen Start in die Selbständigkeit will einem das Unternehmen BONATIAS helfen.
„Mensch, ruf da an“, riet ihr ein Bekannter, „Dir macht der Job doch Spaß und bevor Du Dir mit Arbeitslosengeld und Hartz IV Deine Bonität fürs ganze Leben versaust, solltest Du die Chance nutzen!“
Sonja rief bei BONATIAS an und wurde auch sofort zu einem Besprechungstermin eingeladen. Ihre kompletten Bewerbungsunterlagen brachte sie mit und die netten Herren von BONATIAS erklärten ihr gleich im ersten Gespräch worauf es ankomme. Man suche engagierte Kräfte, die sich in der Bestatter-Branche auskennen, um mit denen gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft zu gehen. BONATIAS kenne sich genau aus und wisse, wie man in kürzester Zeit ein erfolgreiches und ertragreiches Bestattungshaus aufbauen könne. Alles was ihnen fehle, seien erfolgsorientierte Partner. Dabei sei alles so einfach: Man müsse nur den Vertrag mit BONATIAS unterschreiben und schon sei man lizenzierter BONATIAS-Partner. Dann bekomme man alles was man an Hilfsmitteln und Unterlagen brauche, um ein Beerdigungsinstitut führen zu können. Lediglich ein passendes Ladenlokal müsse man sich selbst suchen, um den Rest kümmert sich dann BONATIAS.
„Am Besten wir gehen gleich zur Bank“, schlug Sonja ihr Ansprechpartner, Herr Schumacher, vor.
„Wie, zur Bank?“ wollte Sonja wissen und Herr Schumacher lachte sie halb erstaunt, halb vorwurfsvoll an: „Na, wegen der Lizenzgebühr!“
Bis jetzt hatte sich alles so schön und rosig angehört, doch als der Mann von BONATIAS ihr nun klar machte, sie müsse erst eine Lizenzgebühr in Höhe von sage und scheibe 16.000 Euro bezahlen, sah die ganze Sache auf einmal eher grau und trist aus. Sonja hatte keine 16.000 Euro.
Doch die Leute von BONATIAS sind seit Jahren in der Branche, kennen solche Fälle und ihnen kommt ohne vorherige Bonitätsprüfung sowieso kein Bewerber ins Haus. Deshalb umgarnte und umschwärmten sie Sonja, malten ihr in rosigsten Farben aus, wie die positive Entwicklung der nächsten Jahre sein würde und daß sie allein schon weil so ein erfahrener Partner wie BONATIAS hinter ihr steht, ganz sicher Erfolg haben würde. Man müsse es nur wagen, das Geld liege praktisch auf der Straße.
Natürlich hatten die Leute von BONATIAS auch eine Bank an der Hand, die Sonja tatsächlich einen Kredit über 20.000 Euro bewilligte und als Sonja sah, daß sogar Bänker Vertrauen in das von BONATIAS mitgegebene Geschäftskonzept haben, fiel ihr die Entscheidung leichter und sie unterschrieb den 76-seitigen Franchise-Vertrag.
Im Wesentlichen, so hatte sie es daraus herausgelesen, muß sie den Geschäftsbetrieb eröffnen und aufrecht erhalten, die Miete für den Laden selbst bezahlen, eventuelle Löhne und Nebenkosten, während die BONATIAS die Belieferung mit Särgen, Urnen und Hilfsmitteln, sowie der bestattertypischen Grundausrüstung sicherstellen würde. Für die allumfassende Betreuung und die Verwendung des Markennamens BONATIAS, der ja sofortige Umsätze garantiert, müsse sie nur schlappe 10% von jedem Auftrag an die Gesellschaft abführen.
Schon fünf Wochen später stand Sonja in ihrem eigenen Bestattungshaus und bereitete sich auf die Geschäftseröffnung vor. Die 16.000 Euro an die BONATIAS waren überwiesen und wie versprochen, hatten die Partner ihr mehrere Kisten mit teils gebrauchten Sachen gebracht, die jeder Bestatter so braucht. Das Wichtigste, den BONATIAS-Katalog und die Auftragsformulare hatte Herr Schumacher ihr persönlich vorbeigebracht und sie bei der Gelegenheit gefragt, ob sie denn schon einen Leichenwagen habe.
Bei allem Hin und Her hatte sie an den überhaupt nicht gedacht, meinte sich aber erinnern zu können, daß die Leute von der BONATIAS gesagt haben, die Überführungen könnten am Anfang noch von einem Kollegen in der Nachbarstadt mit übernommen werden.
„Nein, da müssen Sie was falsch verstanden haben. Einen Leichenwagen brauchen Sie natürlich. Wir hätten da aber auch gleich das Passende für Sie!“
2.000 Euro kostete der 21 Jahre alte Citroen-Bestattungswagen, den ihr die BONATIAS überließ. Für sein Alter sah er sogar noch ganz gut aus, bloß daß der Wagen schon in sieben Monaten zum TÜV müßte, das störte Sonja. „Darum werden wir uns dann kümmern“, versicherte Herr Schumacher und strahlte große Zuversicht aus, was Sonja die jetzt aufkommende Angst vor der eigenen Courage wieder etwas nahm.
Schumacher klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter: „Es wird schon alles gut, gestorben wird immer und Sie haben doch uns von der BONATIAS!“
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Oh verdammt… so wie das klingt will ich gar nicht wissen, wie das weitergeht.
Mhmm, eigentlich schon, aber es klingt nicht so, als würde das wirklich super für Sonja ausgehen…
Ich vermute jetzt schon mal das am Ende eine Privatinsolvenz erfolgt.
Darf man auch raten, was passiert? Ich tippe: Auto macht schlapp, neues bzw. Reparatur zu teuer, Belieferung nur mit BONITAS-Produkten zu überhöhten Preisen (vielleicht noch zu vorgeschriebenen VKs), zu geringer Umsatz für die hohen laufenden Kosten, Geldforderungen von BONITAS, Pleite, Schuldenberg. Auf jeden Fall eine sehr üble Abzocknummer, befürchte ich.
Im Nachhinein hören sich solche Geschichten immer sehr ähnlich an… Ich will gar nicht wissen, wie die Story weitergeht. Bei dem Erzählstil wird man sofort an die berühmt-berüchtigten 3 Buchstabenfirmen erinnert – dort gibts auch immer das blaue vom Himmel und dann den tiefen Fall.
Oh ne…immer wieder das gleiche Schema… aber wenn die Leute hilflos sind, sehen sie das als Strohhalm…
Ich hoffe irgendwie nur, daß Sonja irgendwie zwar nicht da raus kommt, aber irgendwie doch mit einem blauen Auge davon kommen wird… und sie irgendwo einen Job findet, als Angestellte
@undertaker, du suchst nicht im mom jemand neues, oder???
Au ha, ich glaube, ich möchte lieber erst wissen, was Sonja jetzt macht und wie es ihr JETZT geht, denn ich ahne Schlimmes.
Traurig. Wie Franchise-Geber ihre Franchise-Nehmer überrumpeln. Sie machen große Versprechen, kümmern sich nicht um die Menschen, sondern wollen nur schnell wachsen und hohen Profit machen.
@undertaker, liegt das mit den niedrigen Sterberaten daran, dass euch die Generation 2. Weltkrieg fehlt. Die Millionen Menschen die jetzt eigentlich "dran wären zu sterben".
Spann uns nicht so lange auf die Folter. Weiter, weiter, weiter…! 😉
Mir tut die arme jetzt schon leid, denn wie auch meine Vorredner ahne ich böses. Zum Ko…, dass die Not und das Unwissen solche Menschen ausgenutzt und sich Vertrauen erschlichen wird. Ich drücke Sonja die Dauemen!
Wer weiß, vielleicht darf sie ja bald bei dir arbeiten und Sandy Konkurrenz machen. 😉
Oh oh — bei der Story klingeln sehr viele Alarmglocken. Das kann nicht gut gehen — es sei denn, der Club der Milliardäre ist zufällig auf einen Schlag verstorben und gesammelt Kunde bei Sonja geworden.
Tux2000
Hoffentlich wird`s nicht so furchtbar teuer, dass sie das ganze Leben lang zahlen muß.
Bestattungswagen für 2000 Euro…
*Schrecklassnach* (Spreche aus Erfahrung)
Citroen Bestattungswagen?Ah jetzt fählts mir ein ein Bestatterkolleg aus der Kreisstadt fuhr mal so einen Wagen,Komisches Gefährt sieht aus wie ein Kombi mit Gardinen!Der Citroen von meinem Kollegen steht mittlerweile schon ein ganzes Jahr bei K*hlmann,das man den leuten so was komisches andrehen will?