Urbane Legenden: Weil Realität einfach zu langweilig ist!
Urbane Legenden, moderne Sagen, Schauermärchen oder – um es treffender zu formulieren – die feuchte Gehirnfürze der geistigen Unterschicht, sind Geschichten, in denen Halbwissen und völliger Nonsens als unumstößliche Wahrheit verkauft werden. Es sind die Geschichten, die den Wissensdurst derjenigen stillen, denen das kritische Denken abhandengekommen ist und denen ein gesunder Menschenverstand ebenso fremd ist wie ein Deutschaufsatz ohne Rechtschreibfehler.
Da den gläubigen Verfechtern dieser Märchen meist sowohl die Fähigkeit zur Analyse als auch der Wille zum Hinterfragen fehlt, wird die urbane Legende voller Inbrunst als Fakt weitergetragen – denn wenn es auf Facebook steht oder die Tante dritten Grades es von der Putzfrau ihres Friseurs gehört hat, dann muss es ja unbedingt wahr sein! Schließlich gibt es keinen besseren Beweis für die Existenz von Paralleluniversen, Aliens und einer Weltverschwörung als das Weltbild derer, die noch immer fest an „die Giftspinne im Bananenkarton“ oder „Horrorclowns“ glauben.
Der rechtsgelenkte weiße Lieferwagen mit dem britischen Kennzeichen, aus dem heraus Horrorclowns regelmäßig vor deutschen Kindergärten kleine Jungs und Mädchen ergreifen und entführen, wurde schon Ende der 1990er-Jahre als Werkstattwagen eines harmlosen Klempners aus Leicester/England „enttarnt“. Doch es finden sich auch heute immer noch und immer wieder angeblich besorgte Mütter und Väter, die das ewig alte Foto des Wagens erneut als sensationelle Warnung vor clownesken Kinderschändern an ihre Freunde und Bekannten schicken.
Sie tun das oft genug, obwohl sie längst mal irgendwo etwas über den Hoax-Charakter dieser Meldung gehört haben, finden sich selbst aber so wichtig, dass sie glauben, sozusagen über dem Wahrheitsgehalt der Falschmeldung zu stehen. Sich mit dem Versenden solchen Gedankenmülls einmal selbst in den Mittelpunkt der kurzlebigen Aufmerksamkeit in den sozialen Medien zu stellen, verschafft dem Bedeutungslosen, dessen unbedarfte Meinung niemanden interessiert, einen Mikroorgasmus in irgendeinem stillen Kämmerlein, des mit Blödsinn gefluteten Gehirns.
Die große Stärke dieser Mythen? Sie sind unerschütterlich resistent gegenüber Fakten. Selbst wenn ein Thema längst wissenschaftlich widerlegt wurde, hält der überzeugte Verfechter der urbanen Legende mit eiserner Dummheit daran fest. Denn warum sollte man sich mit schnöden Tatsachen abgeben, wenn man stattdessen eine “erschütternde Enthüllung” verbreiten kann? Wer einmal den Nervenkitzel erlebt hat, als Erster auf seiner WhatsApp-Familiengruppe die Warnung über „betäubende Visitenkarten von Menschenhändlern“ zu verbreiten, der gibt dieses Gefühl der Macht nicht mehr her.
Diese Perlen des Schwachsinns verbreiten sich vor allem in sozialen Netzwerken oder per Kettenmail – oft unter der Überschrift „Bitte dringend teilen!!!“. Hinter diesen Kampagnen steckt meist eine geniale Kombination aus Unwissenheit und sensationslüsterner Geltungssucht: Man kann sich als investigativer Enthüllungsjournalist aufspielen, ohne auch nur eine einzige Quelle zu überprüfen. Wer benötigt schon seriöse Informationen, wenn er stattdessen Klickzahlen für ominöse Webseiten generieren kann, die mit schreienden Überschriften à la „Medizinmafia vertuscht DIESE eine Wahrheit über Krebs!!“ oder „Regierung will, dass du DAS nicht weißt!!!“ hausieren gehen?
FOAF-Tales: Geschichten aus der Welt der unbelegten Behauptungen
Ein weiteres Markenzeichen dieser Pseudo-Weisheiten ist ihre nebulöse Herkunft. Niemand kann genau sagen, woher die Geschichte stammt – aber genau das macht sie ja so glaubwürdig! Die berühmten „Friend of a Friend Tales“ (FOAF-Tales) basieren stets auf vermeintlich vertrauenswürdigen Quellen, die jedoch genauso greifbar sind wie der Pups einer Elfe im Märchenwald.
Man kennt diese Formulierungen:
- „Die Oma meines Freundes hat erzählt…“ (Eine Quelle so zuverlässig wie der Wetterbericht von letzter Woche)
- „Ein Kollege eines Bekannten hat erlebt…“ (Wissenschaftlich bewiesen, irgendwo, irgendwie)
- „In Köln ist das wirklich passiert…“ (Ja, und die Erde ist eine Scheibe)
- „Das ist von Bekannten auf Facebook gepostet worden…“ (Facebook, die unerschöpfliche Quelle des Schwchsinns)
- „Das hat sogar der Fuzzyboy weitergeleitet…“ (weitergleitet von Idiot zu Idiot zu Idiot)
Aber wehe dem, der es wagt, eine solche Legende zu hinterfragen! Denn sobald ein Skeptiker die kühne Behauptung mit einer banalen Google-Suche entkräftet, wird er mit dem gefürchteten Argument „Ja, aber trotzdem…“ zum Schweigen gebracht. Es ist schließlich eine Binsenweisheit, dass jede Verschwörungstheorie ein Körnchen Wahrheit enthalten muss – so, wie auch jeder Wackelpudding ein Körnchen Kryptonit enthält.
Und wer es wagt, aus eigener Geisteskraft den blöden Mistkern solcher Meldungen zu entlarven, wer im Leben genug Bescheid weiß, um den Unsinn sofort richtigzustellen, der wird von den Dummen, Blöden und Ahnungslosen verlacht und ausgegrenzt, weil er sie letztendlich als dumme Lügner demaskiert hat. Ja, die Tatsache, dass ein Gebildeter oder sei es auch nur jemand mit einem Funken gesunden Menschenverstands, ihnen die Wahrheit sagt, wird von den gehirnbetäubten Social-Media-Gläubigen noch als Beleg für ihren unfassbar blöden Mist hergenommen. Denn intelligente Menschen als seltsame Außenseiter hinzustellen, deren Meinung nur besserwisserische Angeberei ist, gehört zur Strategie der Dummen.
Der Kampf gegen die Logik
Die meisten urbanen Legenden lassen sich mit minimalem Rechercheaufwand widerlegen. Doch das ist meist vergebene Liebesmüh, denn die Anhänger dieser modernen Märchen klammern sich an ihre Überzeugungen wie ein betrunkener Matrose an den Mast seines sinkenden Schiffes. Und so bleibt uns nur das resignierte Kopfschütteln, während die Welt weiterhin von Menschen bevölkert wird, die glauben, dass Zahnpasta gegen Überwachung schützt, Mikrowellenstrahlung die Gedanken manipuliert und Bill Gates in seiner Freizeit heimlich 5G-Chips in Impfstoffe mischt.
Aber gut – wenn es in einem YouTube-Video mit dramatischer Musik und blinkenden Lettern erzählt wurde, dann muss es ja stimmen, nicht wahr?