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Abzocke, Abzocke, Abzocke

Ein klein wenig stört es mich, daß bei jeder Diskussion rund um die Kosten eines Todesfalles immer sofort der Begriff Abzocke fällt.
Gerade in den letzten Tagen wird recht aufgeregt diskutiert, daß Kliniken die Gebühren für die Benutzung ihrer Kühlanlagen zum Teil drastisch erhöht haben.

Da heißt es dann: „Auch hier wird noch einmal kräftig Kasse gemacht, bevor ein Leben nur noch Geschichte ist.“
Und ich muss lesen: „Zahlen müssen das natürlich die Hinterbliebenen, der Bestatter nimmt sich davon nichts an.“

Ich habe gestern bereits mit dem Verwaltungsleiter eines hiesigen Krankenhauses deswegen telefoniert.
Er kann darüber nur lachen. „Wir verdienen an den Kühlanlagen keinen müden Cent. Im Gegenteil, wollten wir die Anlagen wirklich kostendeckend betreiben, müßten wir noch einmal die Hälfte mehr verlangen.“

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Der diplomierte Kaufmann rechnet mir dann am Telefon vor, was die Anschaffung, die Betriebskosten und die Wartung und Reparaturen über das Jahr hinweg kosten, ein erschreckender Betrag. „Vor allem aber die gestiegenen Energiekosten machen uns, wie jedem anderen auch, sehr zu schaffen.“

Die Kosten für die Aufbewahrung der Verstorbenen übernimmt die Krankenkasse nicht. Für sie endet die Zahlungsverpflichtung mit dem Tod des Versicherten, alles was danach kommt, müßte die Klinik auf eigene Kosten übernehmen. „Und genau das können wir nicht. Für jeden Handgriff sind exakte Vorgaben eingeplant und die Kassen feilschen mit uns um jeden Euro. Ich frage Sie, wer soll denn die Kühlung bezahlen, wir können das nicht.“

Ja und der Bestatter kann es auch nicht. Natürlich nimmt der sich nichts davon an, warum sollte er auch? Alle im Zusammenhang mit einem Sterbefall dem Bestatter berechneten Kosten gibt dieser natürlich über seine Rechnung an die Angehörigen weiter.
Natürlich ärgern sich die Bestatter, wenn Nebenkosten immer weiter ansteigen, sie machen inzwischen in der Summe den größeren Teil der Bestattungsrechnung aus und der Kunde differenziert oft später nicht und glaubt, der Bestatter sei besonders teuer.

Was jetzt zu einem kleinen Skandal hochthematisiert wird, ist jedoch überhaupt nichts Ungewöhnliches. Viele Kliniken und nahezu alle Stadtverwaltungen berechnen schon seit Ewigkeiten Gebühren für die Benutzung ihrer Kühlräume und -anlagen. Was jetzt aktuell für Aufregung sorgt ist u.a. die Mitteilung des Klinikums Stuttgart, daß jeder Kühltag 50 Euro kosten soll und ab dem 6. Tag gar 70 Euro berechnet werden.

Warum macht man das? Nun, die Antwort ist ganz einfach. Besonders in Großstädten, in denen es eine Ballung von großen Kliniken gibt, versterben auch sehr viele Menschen von weit außerhalb, die extra für die Behandlung dorthin gekommen waren. Die Bestatter aus den kleineren Gemeinden machen es sich oft sehr einfach und lassen die Verstorbenen manchmal bis zum Tag der Beisetzung(!) in der Klinikkühlung liegen. Das kann unter ungünstigen Umständen auch schon einmal eine Woche oder gar zwei sein.
Der Bestatter und die Angehörigen sparen sich zusätzliche Überführungen und natürlich die Kühlung beim Bestatter und bei der Friedhofsverwaltung.
Leidtragender und Kostentragender ist das jeweilige Krankenhaus, das hier Leichenzwischenlager spielen muß.

Nochmal zur Verdeutlichung:

Ein Mann aus Schwäbisch-Hall verstirbt im Stuttgarter Klinikum.
Normalerweise müßte der Bestatter nun sehr zügig nach Stuttgart fahren, um die Beurkundung beim dortigen Standesamt zu erledigen und den Verstorbenen mit nach Schwäbisch-Hall nehmen. Dann müsste er ihn bei sich bis zum Tag der Beisetzung, die eine Woche später stattfinden soll, kühl einlagern oder in die Kühlung des Friedhofes verbringen.
Ganz dumm wird es, wenn der Sterbefall an einem Freitag eintritt und das Standesamt geschlossen hat. Dann wird das mit der Beurkundung vor Montag nichts und der Bestatter müßte evtl. sogar zweimal fahren, einmal um die Leiche zu holen und einmal um zu beurkunden.

Bequemer und für ihn günstiger ist es, erst nach einigen Tagen nach Stuttgart zu fahren, wenn er alle erforderlichen Papiere in Ruhe zusammen hat. Dann nimmt er gleich den Sarg mit nach Stuttgart, bettet den Verstorbenen direkt in der Klinik ein, beurkundet und fährt direkt nach Schwäbisch-Hall auf den Friedhof.
Gespart: Ein- und Ausladen, eine Fahrt, Kühlkosten.

Und in der Zwischenzeit tickt im Klinkum die Kostenuhr, die Kühlkammer ist belegt, andere Verstorbene finden evtl. keinen Platz und keiner will dafür aufkommen. Klar, daß da die Krankenhäuser einen Riegel vorschieben.

Ich sehe natürlich, daß immer weiter steigende Kosten die Angehörigen auch immer mehr belasten. Aber man muß auch einfach mal die andere Seite sehen und das dumme Geschwätz einstellen: „Macht bei einer durchschnittlichen Durchschnittsgröße einer Kühlbox (ca. 1,8 Quadratmeter) einen Quadratmeter-Preis von rund 25 Euro. Das ist teurer als ein Quadratmeter im Luxushotel.“

Hier werden Birnen mit Äpfeln verglichen, vor allem wenn man bedenkt was ein Panzer kostet.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#abzocke

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(©si)