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Frag den Bestatter

Anonymität, Vereinsamung, einsam in der Wohnung gestorben

orgel

Abraxa fragte:

„Findet es außer mir eigentlich niemand beachtenswert und traurig, dass jemand 11 Tage lang von überhaupt niemandem vermisst wird, und dass in manchen Großstädten Leichen manchmal wochen- oder monatelang nicht entdeckt werden? Man könnte ja vielleicht mal beim Nachbarn klingeln und/oder den Hausmeister ansprechen, wenn man sieht, dass sich z.B. der Briefkasten füllt oder man jemanden lange nicht mehr gesehen hat..“

Ach, so ungewöhnlich ist so etwas nicht und man kann nicht alles immer auf die Anonymität der Großstadt und die fehlenden Kontakte schieben.
Unser Nachbar ist ein sehr netter Musikprofessor, der allerdings aus unserer Sicht sehr zurückgezogen lebt.
Manchmal sehen wir ihn wochenlang nicht, oft ist er verreist und sein Auto steht 6 Wochen oder länger vor der Tür.
Wenn wir uns sehen, sprechen wir gerne ausführlich miteinander, im Sommer besucht man sich öfter mal am Gartenzaun, aber keiner hier würde es merken, wenn der Mann tot in der Wohnung liegen würde.

Vor Jahren haben wir mal in einem Mietshaus gewohnt und über uns wohnte Frau Damowski. Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, Bud Spencer sei mir auf der Treppe begegnet, nur hat Bud Spencer vermutlich nicht so einen Bartwuchs…
Eine unheimliche und gruselige Alte war das, die auch jedem sofort klar machte, daß sie keinen Kontakt wünschte.
Auf meine freundliche Vorstellung als neuer Nachbar sagte sie: „Ach komme Sie, hören Sie doch auf, jetzt tun Sie hier schön und morgen werfen Sie Ihren Müll in meine Tonne. Ich lege keinen Wert auf so eine Anschleimerei, dann muss man sich hinterher auch nicht ständig wieder entschuldigen oder vertragen. Lassen Sie mich einfach in Ruhe.“

Das haben wir dann auch gemacht. Manchmal sah man die Frau fast jeden Tag dreimal auf der Treppe, dann wieder gab es Zeiten, in denen man sie sechs oder acht Wochen gar nicht sah. Auch hier hätte kein Mensch gemerkt, wenn die in der Wohnung gestorben wäre. Frau Damowski hatte weder eine Tageszeitung abonniert, noch bekam sie so viel Post, daß der Briefkasten vor Ablauf eines Jahres übergelaufen wäre.

Es wird immer so getan, nicht jetzt von Abraxa, als ob es die desinteressierte Masse sei, die sich nicht um Einzelne kümmert, dabei habe ich die Erfahrung gemacht, daß es oft die Einzelnen sind, die sich absondern, aus welchen Gründen auch immer.


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In „Frag den Bestatter“ findest Du meine Antworten auf Fragen von Leserinnen und Lesern. Diese Fragen sind zum Teil Inhalte Dritter, die mich tagtäglich auf den verschiedensten Wegen erreichen. Es handelt sich also um meist nicht bearbeitete und nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfte Fragen Dritter. Für die Fragen sind allein die Übersender der Mitteilungen verantwortlich. Ich mache mir die Aussagen nicht zu eigen.
Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 30. Mai 2012 | Peter Wilhelm 30. Mai 2012

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Glück Auf
12 Jahre zuvor

11 Tage sind aber schon Glücklich.
Wer sollte es denn auch merken, vorausgesetzt ein Fenster ist zumindest gekippt und die Miete geht per dauerauftrag raus, können schon mal mehere Monate oder Jahre vergehen.

Stefan
12 Jahre zuvor

wow. Diese Sicht der Dinge hab ich noch von niemandem Gehört und ehrlich gesagt ist sie mir auch garnicht in den Sinn gekommen.

Und ehrlich gesagt, finde ich das sollte mal in einer Zeitung stehen wenn einer nach monaten in der Wohnung gefunden wird.
Weil ich dachte mir auch immer, warum merkt das kein Nachbar. Aber auch wenn ich auch Nachbarn habe, die ohne das ich es merken würde Monatelang da liegen könnten, hab ich noch nie daran gedacht das jeder Mensch auch selbst daran Schuld haben könnte alleine zu sein.

Lutz
12 Jahre zuvor

Wer will, kann sich heute einer „Telefonkette“ anschließen. Hier rufen sich die Beteiligten zu festgelegten Zeiten in festgelegter Reihenfolgte täglich an. Schließt sich die Kette nicht, wird nach dem Grund gesucht.

Anonym
12 Jahre zuvor

@ Stefan
> könnten, hab ich noch nie daran gedacht das jeder
> Mensch auch selbst daran Schuld haben könnte alleine
> zu sein.

Die sind nicht daran Schuld, sie wollen es so!

Ich bin auch jemand, der sich gerne absondert.
Ich unterhalte mich gerne, wenn ich Nachbarn treffe, aber mir fehlt auch nichts, wenn ich sie Wochen nicht sehe.

Ja klar, ich bin dann de rideale Kandidat um wochenlang unentdeckt in der Wohnung zu liegen, aber was soll ich sagen,
mich stört es dann nicht mehr! 🙂

Anonym
12 Jahre zuvor

@ Stefan
> könnten, hab ich noch nie daran gedacht das jeder
> Mensch auch selbst daran Schuld haben könnte alleine
> zu sein.

Die sind nicht daran Schuld, sie wollen es so!

Ich bin auch jemand, der sich gerne absondert.
Ich unterhalte mich gerne, wenn ich Nachbarn treffe, aber mir fehlt auch nichts, wenn ich sie Wochen nicht sehe.

Ja klar, ich bin dann der ideale Kandidat um wochenlang unentdeckt in der Wohnung zu liegen, aber was soll ich sagen,
mich stört es dann nicht mehr! 🙂

Sonja
12 Jahre zuvor

Diese Nummer mit der Einsamkeit und Anonymität der Großstadt finde ich schon recht schwierig und kann man auch nicht so pauschalisieren. Ganz ehrlich: Ich würde nur bei zwei meiner 14 Nachbarn mitbekommen, wenn da was passiert wäre. Der eine wohnt mir gegenüber und wir fahren morgens zur gleichen Zeit zur Arbeit, wir haben auch beide ein Auto, sodass man schon mitbekommt, ob das vor der Tür steht, oder nicht, trotzdem fährt er sicher auch mal in Urlaub und seine Freundin wohnt auch nicht bei ihm, sodass er ab und an bei ihr schläft. Der andere ist ein Dauerruhestörer, wenn bei dem auch nur an einem Tag die Musik nicht auf Anschlag aufgedreht ist, muss man sich vermutlich wirklich Sorgen machen. Die meisten aber sieht und hört man so gut wie nie. Soweit ich mitbekommen habe, teile ich aber auch nicht den gleichen Lebensrhythmus wie der Rest meiner Nachbarn, vermutlich spielt sich mein Leben einfach ein paar Stunden früher ab als das der anderen. Beispielsweise habe ich eine Woche vor Weihnachten ein Paket entgegen genommen für… Weiterlesen »

12 Jahre zuvor

Naja, muß wirklich nicht immer an Anonymität liegen, wie [url=http://weblog.hundeiker.de/item-5721.html]die Sache mit der Nachbarin meiner Tante[/url] zeigt.

Naya
12 Jahre zuvor

Das muß meiner Meinung nach auch nicht mit schlechter Nachbarschaft oder Anonymität zu tun haben. Ja, ich grüße meine Nachbarn freundlich, ich unterhalte mich auch mit einigen von ihnen gern mal, ich nehme auch gern Pakete entgegen oder leere den Briefkasten, wenn jemand im Urlaub ist, aber gezielt besuchen tue ich keinen von denen, weil wir einfach zu verschiedene Interessen haben. Die beiden direkt über bzw unter mir höre ich, die nebenan und in den anderen Stockwerken weniger, liegt an der Bauweise des Hauses, in welche Richtung gut Schall übertragen wird. Manchmal sieht man sich mehrmals täglich, wenn es sich zufällig ergibt, manchmal wochenlang gar nicht. Bei den Nachbarn, mit denen ich mich dann auch gelegentlich unterhalte, fragt man dann schonmal, warum man sich in letzter Zeit seltener gesehen hat, und manchmal liegt das an Urlaub, teils ist es aber auch Zufall. Wir verabreden uns ja nicht, weil wir wie gesagt unsere Freundeskreise außerhalb der Hausgemeinschaft pflegen. Und mal ganz ehrlich: wie viele von euch sind mit euren Nachbarn so gut befreundet / bekannt, daß… Weiterlesen »

Sakasiru
12 Jahre zuvor

Ich nehme Päckchen für Nachbarn an und grüße im Hausflur, wenn ich ihnen begegne, aber ich führe nicht Buch darüber wen ich wie lange nicht gesehen habe und knoble dann aus, ob die wohl im Urlaub sind oder tot in der Wohnung liegen. Tut mir leid, aber da mach ich mir einfach keine Gedanken drum. Ich mag diese Anonymität, und da gerade die Nachbarn auf dem Stockwerk alle 2-3 Jahre mal wechseln, seh ich auch keinen Sinn darin, da nähere Kontakte zu knüpfen. Jedenfalls ist es nicht meine Aufgabe, über das Wohlergehen Fremder zu wachen, und wer Angst hat, einsam in seiner Wohnung zu verwesen, der wird sich ja auch zu Lebzeiten nach Kontakten sehnen und dementsprechend welche schließen.

Nennt
12 Jahre zuvor

Der ehemalige Nachbar vom Haus gegenüber hatte mit den Nachbarn neben uns die Vereinbarung, dass er jeden Morgen eine bestimmte Gardine zurück- und abends wieder zuzieht. So wussten die Nachbarn immer, dass es dem Herrn gut geht, ohne dass man sich täglich gesehen hat. Aber wie Murphy so will, ist der Herr genau in der Woche verstorben, als unsere Nachbarn in Urlaub waren und er saß einige Tage tot in seinem Sessel.
Trotzdem fand ich die Idee vom Grundsatz her gut.

josef
12 Jahre zuvor

Ich finde 11 Tage auch nicht lange.

Ich führe nun wirklich kein einsames Leben, habe viele Freunde und verstehe mich sogar mit den meisten Nachbarn prima. Aber wenn ich zu Hause sterben würde, würde das auch erstmal niemand merken. Am ehesten würden sich wohl Kollegen und Kunden wundern, wo ich denn wohl stecke, denn länger als 2-3 Tage bleibe ich dem Büro ohne Ankündigung eigentlich nicht fern. Aber eine Suchaktion würden die so schnell auch nicht starten.

Ansonsten?
Freundin, Mutter und Schwester würden wohl so nach ca. einer Woche anfangen, sich über Nicht-Erreichbarkeit zu wundern, weil ich denen von einer längeren Abwesenheit vorher meist erzähle. Aber bevor die sich so sehr wundern würden, dass die hier vorbei kämen um das Haus zu inspizieren, könnten auch schnell mal zwei Wochen vergehen.

Vorher nie so genau darüber nachgedacht finde ich diese Erkenntnis jetzt eigentlich nicht so erschreckend. 🙂




Rechtliches


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