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Aphrodite

Es ist schön warm draußen und kaum sind die ersten Sonnenstrahlen zu sehen, präsentiert sich die Hälfte der Mitbürger in unaussprechlich knapper und bunter Kleidung. Ich werde es nie verstehen, warum das ausgerechnet die Hälfte ist, die sich das eigentlich nicht erlauben könnte. Von halbschräg vorne Südsüdwest-Links kommt eine spindeldürre Krähe in Flip-Flops, deren Füße besser bedeckt geblieben wären, so sehen sonst untenrum nur Hühner aus.

Sandy und ich sitzen am Aphroditebrunnen auf dem Marktplatz unserer Stadt und essen einen Brezel. Wir haben Unterlagen beim Amt abgegeben und müssen eine knappe Stunde warten, dann können wir alles fertig genehmigt wieder mitnehmen. Ich will ja immer zu McDonalds, Sandy ist dagegen, sie hat da einen geheimen Pakt mit meiner Frau geschlossen; gemeine Verschwörerinnen.

Eben tippt mich Sandy an und nickt in die entgegengesetzte Richtung. Es nähert sich ein Schweinchen. Klein, dick und natürlich rosarot angezogen. Die fetten Schweinsfüßchen stecken in viel zu engen goldenen Sportschuhen, die weißen Beine lugen aus einer kurzen Taubstummenhose (1) heraus. Oben herum steckt Miss Piggy in einem farblich nicht ganz passenden röllchenbetonenden Top mit der Aufschrift „Killer Queen“.

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Ich bin gerade aufgestanden, um die Brezeltüte in den einzigen Mülleimer weit und breit, der 15 Meter entfernt steht, zu entsorgen, da nähern sich Sandy zwei alberne Typen in blaugrauer Verkleidung und scheinen sie zu belästigen. Zeit für mich, den Terminator raushängen zu lassen und sie zu verkloppen, doch ich plustere mich gerade zu voller Größe auf, da drehen sich die beiden Typen und ich sehe auf dem Rücken die Aufschrift „Ordnungsamt„.

Als ich näherkomme, höre ich wie einer der beiden Stadtbediensteten zu Sandy sagt: „Das ist nämlich verboten!“

„Aber ich habe doch gar nichts gemacht!“

„Sie haben hier Tauben gefüttert und das ist laut Stadtsatzung und Ordnungsverfügung verboten.“

„Ich esse nur einen Brezel und füttere keine Tauben.“

„Da sind aber ganz viele Tauben um sie herum.“

„Die sind schon vorher da gewesen und die sind immer hier.“

„Sie werfen denen Essensreste zu.“

„Nein, da fallen nur Krümel runter, der Brezel ist so knusprig.“

„Ach, und was wollen Sie jetzt machen?“

„Sie müssen 15 Euro bezahlen, Taubenfüttern ist eine Ordnungswidrigkeit.“

„Was bei Euch nicht alles verboten ist…“

„Tja, wir haben immer ein besonderes Auge auf den Brunnen, da baden manchmal sogar Touristen drin.“

„Was Sie nicht sagen? Was kostet das denn?“

„15 Euro.“

„Und was kostet Taubenfüttern und Brunnenbaden zusammen?“

„15 Euro.“

Und noch ehe ich eingreifen kann, hüpft Sandy mit allen Klamotten in den Brunnen und hüpft darin herum.
Die beiden Ordnungshüter schauen sich grinsend an, lachen und diskutieren die Situation. Währenddessen hüpft Sandy um die Aphrodite herum und ist für Sekunden dem Blick der Städtischen entzogen.
Und… auf einmal ist sie weg. Nur ein paar nasse Fußspuren zeigen einige Meter den Weg, dann verlieren sie sich.

Die Ordnungshüter kratzen sich am Kopf, laufen links herum, rechts herum und gehen dann schulterzuckend weg.

Wenig später finde ich Sandy in der Tiefgarage zitternd auf der Motorhaube meines Autos sitzend. Ich gebe ihr eine Wolldecke und gehe noch schnell die Unterlagen im Amt abholen, dann fahren wir in die Firma.

„Meine Güte, wie siehst Du denn aus?“ will Frau Büser erschrocken wissen, als sie die nasse Sandy sieht.

„Ich? Ich hab‘ nur Tauben gefüttert.“

(1) Man hört nichts, aber man sieht wie die Lippen sich bewegen.


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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 25. April 2009 | Revision: 7. Januar 2015

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15 Jahre zuvor

Da werden Nachts in der U-Bahn oder auf der Straße Menschen ins Krankenhaus geprügelt und die Pfeifen regen sich über angebliches „Taubenfüttern“ aus. Aber kam ja schon mehrmals raus, dass diese Ordnungsgelder im Finanzplan einer Stadt einen sehr sehr festen Bestandteil ausmachen und die Mitarbeiter angehalten sind ein Mindestmaß an „Umsatz“ zu erwirtschaften. *_*
Eigentlich sollte man denen vor die Waffel hauen, aber Sandys Methode ist dann doch etwas eleganter, zivilisierter und lustiger. 😀

MiniMoppel
15 Jahre zuvor

Also, Sandy hat’s mindestens genau so faustdick hinter den Ohren wie deine Fußnote…
Aber cool.

T0mm1
15 Jahre zuvor

Ich könnte mich stundenlang dafür schlagen, dass ich nachgesehen habe, was die kleine (1) da bedeutet…

gestaltungsmetzger
15 Jahre zuvor

taubstummenhose… köstlich 🙂

15 Jahre zuvor

Coole Aktion von Sandy 🙂

Und wegen der Fußnote: Ich brauch heut nix mehr zu essen, nachdem ich mir das bildlich vorgestellt habe *würg*

Nina (eine andere)
15 Jahre zuvor

Taubstummenhose – sehr witzig, auch wenn ich aus politisch korrekten Gründen hinzufügen muß, daß der Begriff ‚taubstumm‘ gar nicht gerne gesehen wird bei Gehörlosen – lieber taub oder gehörlos sagen, wenn überhaupt. Dies nur am Rande von einer begeisterten gehörlosen Mitleserin! 🙂

minibar
15 Jahre zuvor

Sandy ist eben eine Frau!
UND Sandy ist ’ne Wucht!

15 Jahre zuvor

Hihi – Klasse Aktion, find ich gut *g*

15 Jahre zuvor

Und wenn ich keine Gehörlosen meine, sondern Leute, die nicht sprechen und nicht hören können? Außerdem ist das sowieso nur so ein Gagbegriff und hat mit der Behinderung an sich nichts zu tun.

Sonja82
15 Jahre zuvor

Gute Frage… Man sagt ja auch nicht „Behinderte“, sondern „Menschen mit Behinderungen“. Dabei ist es ja nicht böse gemeint. Sagt man halt so.

Sonja82
15 Jahre zuvor

Gute Frage… Man sagt ja auch nicht „Behinderte“, sondern „Menschen mit Behinderungen“. Dabei ist es ja nicht böse gemeint. Sagt man halt so.

Sonja82
15 Jahre zuvor

Das war nicht so geplant 😉 Beim Absenden kam ne Fehlermeldung.

Robbi
15 Jahre zuvor

@Tom:
Da muß ich Dich dahingehend korrigieren, daß Du doch Gehörlose meinst. Angeboren taub UND stumm zu sein ist sehr sehr selten. Gehörlose können durch entsprechendes Training durchaus mehr oder weniger erfolgreich sprechen lernen, sie haben halt nur das Problem, daß sie sich selbst nicht hören können, was die Sache nicht unbedingt vereinfacht.
Früher, als es noch keine diesbezüglichen Therapien noch nicht gab, waren diese Leute tatsächlich „stumm“, sie hätte es aber durchaus lernen können.
Man verzeihe mir den Vergleich, aber den Begriff „taubstumm“ sollte man auch nicht verwenden, da er eventuell Assoziationen mit „staubdumm“ wecken könnte, die vielleicht allenfalls zu „Kentucky schreit f*****“ passen.

Stephan535
15 Jahre zuvor

Herrgott! Könnt Ihr einen Klasse Witz nicht einfach mal einen Klasse Witz sein lassen?
Immer dieses Zerreden! |-(

15 Jahre zuvor

Sahne, die Frau.
Einfach Sahne.

15 Jahre zuvor

Herrlich. Schönes Wetter, Popcornkommentare und die Taubstummenhose.

Ich scheiße auf political correctness. Will jemand nen Negerkuss? 🙂

15 Jahre zuvor

Und kleiner Nachtrag: Sandy ist richtig klasse. Die Frau hat wirklich Stil. 🙂

Kirstin
15 Jahre zuvor

Wo Männer überhall nur hinsehen…. 😀

Lars
15 Jahre zuvor

„Nein, da fallen nur Krümel runter, der Brezel ist so knusprig.“

„DIE Brezel“, bitte… Nicht „der Brezel“. Nur so nebenbei.
Danke.

😉

ein wiener
15 Jahre zuvor

bin ich froh, daß es bei uns kein ordnungsamt gibt, das einem wegen so einem blödsinn wie taubenfüttern nachsteigt.

allein bei dem gedanken, mein steuergeld könnte für solche blockwarts-tätigkeiten ausgegeben werden, kommt mir das grausen.

15 Jahre zuvor

Lars,

„the brezel“ hat Sandy bestimmt gesagt. 😉

Ach ja, Robbi, lass Dir das mal von deinem Vater erklären, warum die erwähnten Lippen von Geburt an kein Wort von sich geben.

Andreas Lechthaler
15 Jahre zuvor

Klasse Euphemismusdiskussion. Micha, hilf.
🙂 Lechthaler

Robbi
15 Jahre zuvor

@21:
Hey, das habe ich schon von Anfang an verstanden! 🙂
Nee, das mit den Lippen habe ich schon von Anfang an verstanden, nur hatte Tom ja erwähnt, daß er Leute meint, die nicht sprechen und hören könnten, da wollte ich das mal klarstellen. Viele wissen das wohl nicht, deshalb wollte ich das auch nur klarstellen und wirklich keine Spaßbremse sein. 😉
Wie doof würde sich denn auch „Gehörlosenhose“ anhören??? LOL

15 Jahre zuvor

@23
Gehörlosenhosen hören sich nicht an, sondern sehen immer doof aus, obwohl sie gar nicht sehen können.
Ausserden ist Hose ein Anglizisimus, wenn ich nicht irre, hihi.
In deutscher Sprache müsste es exakt heissen: Schlauch, deswegen auch der Plural in „die Hosen anhaben“
(Urspränglich bestand dieses kleidungsstück aus zwei einzeln überzustreifenden, mit um den Leib zu bindenden Schnüren befestigten Stoffschläuchen.)
Wollte das nur mal klarstellen,
könnte ja sein, irgendwen interessierts irgendwann.
Wie gefällt Dir Hörundsprechunfähigendoppelschlauch?

Robbi
15 Jahre zuvor

Aber wenn sich die Lippen drin bewegen, was paßt besser, „gehörlos“ oder „taubstumm“? Also „stumm“ finde ich passender. 😉
Und das mit der Hose als Anglizismus stimmt auch nicht ganz, „hosa“ hat im Altnordischen „Strumpf“ bedeutet und sich erst später dann in der Bedeutung gewandelt.
Ach, was soll das Ganze Gelabere, Tom’s Story war einfach geil!!
Und: ich hab noch nen Unterstrumpf an und damit gehe ich jetzt ins Bett, so!

Arthur Dent
15 Jahre zuvor

…jo, jetzt hab ich’s auch.

ich kenn den mit „…konnte man jeden Wunsch von den Lippen ablesen.“ Die Hose ist klasse.

Jens
15 Jahre zuvor

Dabei gibt es für dieses Phänomen auch einen offiziellen Begriff:

http://de.wikipedia.org/wiki/Cameltoe

🙂

Uzi
15 Jahre zuvor

„Und noch ehe ich eingreifen kann“ Tom, das glaubt Dir hier doch sowieso keiner, das Du eingegriffen hättest, selbst wenn Du gekonnt hättest. ;-P

Zu dem McD-Problem: da gibt es auch Salate (mußt ja keinen essen). 😀

Anonym
15 Jahre zuvor

So, ich mach mich gerade mal unbeliebt:

RUHE HIER!!!!!!!
Ist ja nicht auszuhalten!
Jetzt seit froh das TOM die Taubstummenhose negativ besetzt hat, er hätte auch schreiben können: Jeden Wunsch von den Lippen ablesen.

Mensch ehrlich wenn wir jetzt dienstag zwischen 11-16:00 hätten würde ich ja sagen alles Lehrer mit Langeweile aber so.

Anita
15 Jahre zuvor

*wuerg*
Ich haette die Fussnote nicht lesen sollen!

mimi
15 Jahre zuvor

War die „Killer Queen“ nun Antonia?

Anita
15 Jahre zuvor

@31
das ist die Killer Queen:
http://www.youtube.com/watch?v=MMz-wi50ACU

Micha der Eupheminator
15 Jahre zuvor

Stellt die political correctness an die Wand und opfert sie der Revolution der Vernunft!

Euphemismen bringen nämlich langfristig gesehen überhaupt nichts. Falls da nämlich eine Beleidigung im Wort lauert wird sie einfach mitgeschleppt und lauert dann auch im neuen Begriff. Siehe mein Link.

@21 sagen die Amis nicht eher „the pretzel“? Huh, klingt schaurig. So wie „weiner“ für Würstchen. Ich kenns übrigens auch als „die Brezel“

@Tom: Schöne Geschichte! Hatte die Fußnote ganz vergessen, die kam dann als after joke joke. Hehe

15 Jahre zuvor

@Micha der Eupheminator,

Yepp,yepp, auch richtig, kommt drauf an, aus welchem Staat sie kommen. 😉

Euphemismen wegen der political correctness zu verwenden, ist ja noch beleidigender, als das negativ belegte Wort selbst, weil man ja geradezu mit dem Euphemismus auf die negative Interpretation aufmerksam macht.
(Allerdings wünsche ich Fremden grundsätzlich nicht Frohe Weihnachten, weil das möglicherweise als unerwünschte missionarische Belästigung aufgefasst werden könnte wegen der PC. )

comrad
15 Jahre zuvor

Genau, ich sag jetzt auch nicht mehr Blogger, sondern Menschen mit Weblog.
Das ist eigentlich kein bösgemeinter Begriff, er wurde nur zum Böse sein stilisiert.

Micha der Eupheminator
15 Jahre zuvor

@11
Nachtrag: Wer ist eigentlich dieser „man“, der dies in jenes nicht mehr sagt?

„Man“ sagt nicht mehr „Behinderter“.
„Man“ sagt auch nicht mehr „Gesundheit!“, wenn jemand niest.
„Man“ sagt nicht mehr Neger, Immigrant, Lehrling, Frisöse, Putzfrau…

Nein, das sind Menschen mit Maximalpigmentierung, Menschen mit Migrationshintergrund, Auszubildende, Fachdienstleisterin für Terminalhaargestaltung und Spezialkraft für Raumpflege.

Ich würde diese ganzen „man“s gerne mal kennenlernen, und ihnen ordentlich eins aufs Maul hauen. Denn: Man trifft die nie auf der Straße, sondern nur Leute, die einem mitteilen, was „man“ denn so sagt. Oder zu sagen hat.
Aber viel zu sagen hat das nicht.

MacKaber
15 Jahre zuvor

Das ist wie bei den Sechswochenklos.
Viele tragen solche Hosen aus Überzeugung.
Jeder Schritt ein Lippenbekenntnis.

Andreas Lechthaler
15 Jahre zuvor

@ Micha den Eupheminator.
„man“ möchte nicht auffallen, nicht aus der Reihe tanzen, immer politisch korrekt sein. „man“ ist grundsätzlich betroffen, egal worum es geht, nimmt alles und jedes und jeden ernst, sieht den Scherz wegen Pawlowscher Reaktion auf Reizworte nicht. Würg…wenn allerdings die eigene Person direkt betroffen ist, z. Bsp. durch ein politisch korrektes Asylantenheim vor der Haustüre, ist „man“ ruck-zuck dagegen. Bigottes Volk, das ist „man“.
@ Undertaker A. J. Fox.
Ich wünsche dann immer „Frohes Fest“, da können die Adressaten draus machen was sie wollen, wie und wann sie wollen.
Lechthaler

MacKaber
15 Jahre zuvor

Saß sie etwa noch in den nassen Klamotten auf der noch warmen Motorhaube, um sich den Hintern zu wärmen? Hoffentlich hat sie sich nicht erkältetr, und Du mußt eine Woche Lohnfortzahlung leisten. Doch nachdem Du schreibst, dass Du ihr gleich eine Wolldecke überwerfen mußtest gehe ich mal davon aus, dass sie vernünftig war.

Olaf
15 Jahre zuvor

[quote=“Undertaker J. A. Fox“]Allerdings wünsche ich Fremden grundsätzlich nicht Frohe Weihnachten, weil das möglicherweise als unerwünschte missionarische Belästigung aufgefasst werden könnte wegen der PC.[/quote]

das hier hilft: http://www.wmamc.com/

Abraxa
15 Jahre zuvor

*gähn* Schon wieder so eine Euphemismus-Diskussion.
Gerade in meinem Beruf reißen sich die Lehrer in den Berufsschulen ein Bein aus, um uns pc Fachbegriffe beizubringen.
„Pflege“ soll zur „Assistenz“ werden, füttern muss „essen reichen“ genannt werden, eine Windel ist IKM usw.
Ist ja richtig gedacht, darüber nachzudenken. Aber ob ich jemanden füttere oder ihm as Essen reiche, liegt nicht am Wort, sondern an der Einstellung, die ich dazu habe..

15 Jahre zuvor

Und beim Bund heißt es nicht mehr „STELLUNG!!!1“ sondern „hinlegen.“

Wie langweilig. So zieht man einer Sprache die Zähne. Wie Orwell in 1984.

15 Jahre zuvor

Dankeschön Olaf, für deinen konstruktiven Vorschlag. Diese Ideee gefällt mir.




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