Menschen

Bärenklau

Herr Pottenkötter ist einer unserer Kunden. Zumindest mal in dem Sinne wie es viele verstehen, wenn sie mit uns Bestattern sprechen. Die allermeisten Laien meinen mit „Kunden“ die uns anvertrauten Verstorbenen, während wir Bestatter da fein unterscheiden: die einen sind die Verstorbenen und die anderen die Kunden.

Man kann es sich ganz leicht merken: Nur die Kunden geben Widerworte.

So gesehen ist Herr Pottenkötter also im eigentlichen Sinne kein Kunde und er ist es doch.

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So etwas kommt immer mal wieder vor, gehört aber zu den seltenen Ausnahmen.

Vor sieben Tagen ist Michael Pottenkötter zu uns ins Bestattungshaus gekommen und hat uns den Tod seiner Frau Dorothea gemeldet. Er bestellte eine preisgünstige Feuerbestattung mit Urnentrauerfeier und späterer anonymer Beisetzung der Urne.

Bei dieser Variante kann man den günstigsten Sarg nehmen, der kommt schon bald mit der Verstorbenen zum Krematorium. Drei oder vier Tage später steht die Urne zur Verfügung und damit sollte dann eigentlich am kommenden Freitag eine Trauerfeier in der Friedhofskapelle stattfinden. Danach bleibt die Urne beim Friedhofsverwalter und wird irgendwann und irgendwo auf dem Friedhof anonym beigesetzt. Geringe Kosten beim Bestatter, preisgünstiges Grab, die Kosten halten sich im Rahmen.

Nur zehn bis zwölf Leute erwartete Herr Pottenkötter zur Trauerfeier und hatte bei uns schon angekündigt, er würde mit den Trauergästen anschließend in seinen Laubengarten gehen, um dort selbst einen kleinen Umtrunk zu organisieren. „Da habe ich Platz genug, ich stelle noch ’nen Pavillion auf und drei Biergarnituren, dann paßt das schon.“

Nachdem er für seine Frau alles ausgesucht hatte, zeigte er sich noch interessiert und machte nach kurzer Zeit des Überlegens Nägel mit Köpfen. „Ich mach das jetzt gleich dingfest (sic!)! Ich will gleich alles für mich abschließen, jetzt habe ich ja niemanden mehr. Um mich kümmert sich später nämlich niemand mehr und da ist es besser, wenn ich jetzt gleich alles sattelfest mache.“

So kam es, daß er noch am selben Tag eine Bestattungsvorsorge für sich abschloß und ebenfalls eine Urnentrauerfeier mit anonymer Beisetzung bestellte. Er bestand darauf, das Geld für die Bestattung seiner Frau und die Vorsorge gleich am nächsten Tag in bar vorbei zu bringen.
So etwas machen wir normalerweise nicht, aber ich wollte den Mann nicht mit Formalitäten quälen und so quittierte Frau Büser ihm den Erhalt des Geldes und schloss es in den Stahlschrank ein. Später, wenn alles rund um die Bestattung seiner Frau vorüber wäre, dann wollten wir ihm geeignete Vorschläge für sein Beerdigungsgeld unterbreiten.

Dazu sollte es aber nicht mehr kommen.

Herr Portenkötter ist am Samstag mit einem Freund in seinen Garten gegangen und hat mit der Sense den hinteren Teil seines Grundstücks für die bevorstehende Feier gerodet. Dabei ist er auch einer Kolonie mannshoher Herkulesstaude zu Leibe gerückt und das wohl im wahrsten Sinne des Wortes.

Offenbar sondert diese Pflanze eine Flüssigkeit ab, die in Zusammenwirkung mit dem Sonnenlicht ätzende Hautverbrennungen hervorrufen kann. So wie es aussieht, hat Herr Portenkötter das Kraut bündelweise vor der nackten Brust zur großen Feuerstelle getragen und sich dabei Arme, Brust und Oberschenkel mit dem Pflanzensaft besudelt. Schon nach zwanzig Minuten, so sagt der Freund, hätten sich dort Pusteln und Quaddeln gebildet, die noch im Verlaufe des Samstagabends zu einer großen Blase zusammengewachsen seien.
Noch in der Nacht zum Sonntag mußte Herr Portenkötter mit Blaulicht ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Am Sonntag ist er dann mittags verstorben.
Eine vorgeschädigte Lunge, ein wahnsinnig hoher Blutdruck und die stundenlange Arbeit in brütender Hitze scheinen gemeinsam mit den Verätzungen durch die Herkulesstaude, die man wohl auch Riesen-Bärenklau nennt, todesursächlich gewesen zu sein.

So kommt es, daß Herr Portenkötter einerseits Kunde ist und andererseits auch nicht…

Wenn alles klappt, und wie es aussieht, wird die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln, dann könnte es mit viel gutem Willen sogar klappen, daß am Freitag beide Urnen da vorne stehen.
Der Freund von Herrn Portenkötter war heute nachmittag da. Er hat viel zu wenig mit dem Ehepaar zu tun gehabt, um sich wirklich verantwortlich zu fühlen, aber Familie gibt es keine… er kümmert sich halt zähneknirschend und will die Feier im Garten organisieren.

Hauptsache er bleibt vom Bärenklau weg!


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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 19. Juli 2010 | Revision: 25. Juni 2012

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14 Jahre zuvor

Du schreibst immer das Männer schlechter mit dem sterben des Partners zurechtkommen als Frauen. Wie sah das bei ihm aus?

Ich glaube das es doch nicht verkehrt sein kann, wenn jemand der seinen Partner verloren hat und nicht wirklich noch Freunde hat auch direkt im anschluß geht oder?

mortified_penguin
14 Jahre zuvor

traurige Geschichte, irgendwie.
Andererseits schön für Herrn P, zusammen mit seiner Frau beerdigt zu werden.

Luzie-Fehr
14 Jahre zuvor

so schreibt das leben seine kleinen geschichten.

r.i.p an frau und herrn p.

er folgte schneller als er dachte und sicher nicht wünschte.
auch ich hoffe das beide ihren gemeinsamen frieden finden.

auch wenn herr nachbar nun alles „zähneknirschend“ am hut hat, hoffe ich das es ihnen klappt beide in gemeinsame ruhe betten zu können.

L.

Big Al
14 Jahre zuvor

Schlimm, seiner Frau auf diese schmerzhafte Art so schnell nachzufolgen. Noch schlimmer daß sich keiner um die Beerdigung kümmern will bzw. dies nur zähneknirschend tut.
Zum Bärenklau:
Dreckzeug, diese Pflanzen.
Hat bei uns hier am Waldrand mehrere Jahre gedauert bis alles ausgerottet war. Dort gehen viele Leute spazieren und es spielen auch gerne Kinder dort.
B. A.

14 Jahre zuvor

Hm, diesmal hat wohl das Unkraut gewonnen…
Aber an und an gibts schlimmere Dinge als sterben…

Chisa
14 Jahre zuvor

Ach du schande, so schnell kann es gehen! Wie heftig ist das denn???

Dass Gartenarbeit tödlich sein kann, wusste ich ja (z.B. wenn man in den Häcksler fällt oder unter den Rasenmähertraktor gerät), aber an einer Pflanze sterben, die man nicht mal gegessen hat…????

Das macht mich jetzt echt fertig…

14 Jahre zuvor

Ich mag den Riesen-Bärenklau, wie eigentlich alle Pflanzen, die giftig sind. Das sind die einzigen, die bei mir wachsen und gedeihen, „normale“ Pflanzen gehen mir immer ein.
So habe ich von Tollkischen, über Herkulesstaude bis verschiedene Wolfsmilchgewächse im Garten und die fühlen sich bei mir wohl.
Mir fehlt eigentlich nur noch die Australische Brennessel (Dendrocnide moroides) und eine hübsche Trauerweide.

Andere halten sich giftige Tiere oder Insekten, ich hab giftige Pflanzen (vor dem Garten steht ein Warnschild), Kinder hab ich keine und ich kann mit den Pflanzen umgehen.

Zu dem oben beschriebenen Fall kann ich nur sagen der arme Mann. Ist keine schöne Art, abzutreten.
Vielleicht hätte er vorher besser jemanden gefragt der sich auskennt, wenn man Pflanzen wegmachen will die man nicht kennt. Sonst kann das schief gehen.
Aber von einem Todesfall wegen der Herkulesstaude hatte ich vorher nichts gehört, außer von zum Teil schweren „Verbrennungen“ die der Pflanzensaft in Verbindung mit Sonnenlicht hervorrufen kann.

Zero the Hero
14 Jahre zuvor

Du bist aber nicht zufällig der Hausgärtner der Munsters?

14 Jahre zuvor

Mist, ich bin erkannt 😉

Big Al
14 Jahre zuvor

Hähä, und als zweiten Arbeitgeber hat Mortician die Addams-Family…
B. A.

Veit
14 Jahre zuvor

@8 (Zero the Hero):
Nein, eindeutig die Frau im Haus der Addams Family…

14 Jahre zuvor

Ich heiß aber doch net Morticia sondern Mortician.
Gut, ist nur ein Buchstabe mehr, aber der ist entscheident.
🙂

14 Jahre zuvor

Wir benutzen gegen das Zeug Garlon 4. Ich kenne auch schlimme Fälle mit der Herkulesstaude von Verbrennungen bis hin zur Atemnot mit jeweiligen Krankenhausaufenthalt.
Ich finde die Art von Mortician aber auch schön, er behälts ja für sich im Garten. 🙂

Chrissi
14 Jahre zuvor

@7: Ist zwar ne ungewöhnliche Art, an einer Pflanzenverbrennung zu sterben, aber es geht – wenn mindestens der Brustbereich wie der Bauch und die Arme zumindest an der Oberseite verbrannt waren (soweit hab ich das zumindest rausgelesen) und nicht schnell genug eingegriffen wird, ist der verbrannte Teil zum Heilen zu groß und die Toxine, die sich unter der haut bilden und in den Körper gehen, sind von der Menge her zu giftig. Dazu kommt, das alte Menschen weniger dazu neigen, ihren Flüssigkeitshaushalt gut in Schuß zu halten, also hat der Körper auch gegen die Verbrennungserhitzung keine Chance. Und da der alte Herr noch in der brütenden Sonne gearbeitet hat, ergibt sich eines zum Anderen, warscheinlich noch ein mittlerer Sonnenbrand dazu und die Todesursache wäre damit geklärt – weitere Fragen sind hinfällig!

Ist trotzdem ein besch…eidener Tod, dafür treffen die Eheleute sich wenigstens früh genug im Jenseits wieder 🙂 mögen sie in Frieden ruhen!

Ma Rode
14 Jahre zuvor

@Mortician: beherbergst Du auch Ambrosia in Deinem Garten?

14 Jahre zuvor

Moin, die Ambrosien (Traubenkräuter) sind nicht wirklich giftig, aber sie sind hochallergen und da ich selbst mit Allergien zu kämpfen habe schaffe ich mir diese Pflanze garantiert nicht an.

Thomas
14 Jahre zuvor

Jaja, die gesunde Gartenarbeit: Ein betagter Nachbar mußte bei Temperaturen weit über 30° Celsius unbedingt neue Gehwegplatten am Gartenhaus verlegen. Als seine Frau sich wunderte, warum das so lange dauerte, war er schon nicht mehr unter den Lebenden.
Und meine Großtante, die im August um 12 Uhr mittags noch schnell den Rasen mähen wollte, durfte ich auch im Krankenhaus abholen – in diesem Falle zum Glück lebend.

14 Jahre zuvor

Krass – eine traurige Geschichte. Da hat mal jemand trotz des Todes seiner Frau noch ordentlich Tatendrang und „Schaffenskraft“ und es passiert ihm dann sowas. je länger ich darüber nachdenke, desto schlimmer.
DAS Kraut ist also Bärenklau. Ich kenne es, mache immer einen Bogen drum, weil es mir irgendwie unangenehm ist, so riesig und so komisch… Aber ich hätte nie gedacht, dass man durch den Kontakt mit Bärenklau sterben kann! Eine Geschichte zum Merken.




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