Menschen

Bekloppter Klops

Das ist doch mal Integration: Familie Owadan hat ihre Wurzeln im Libanon und der Opa möchte trotzdem hier auf dem Friedhof beerdigt werden. Obwohl die Owadans schiitische Muslime sind, wünscht sich Opa Owadan eines Tages mal einen schönen Sarg, viele Kränze und vor allem Glockengeläut.

Das Läuten der Glocken findet er ganz toll, im Gegensatz zu seiner Frau, seinem Sohn und dessen Frau und den zwei Töchtern seines Sohnes; die finden das Läuten der nahegelegenen katholischen Kirche störend. Sie betonen aber, daß das nur was mit der Lautstärke zu tun hat und keinesfalls religiösen Vorbehalten geschuldet ist.

„Religion? Jeder hat Religion, sollte wenigstens eins haben. Was für ein Religion das ist, ist doch egal. Hauptsache er hat ein Gott zum Beten, ist ehrlich, friedlich und ein guter Nachbar, der auch an die Armen denkt“, sagt Opa Owadan zu diesem Thema und damit ist auch schon alles gesagt.

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Ob sie mich nun für einen Armen halten, weiß ich nicht, ich führe es eher auf orientalische Gastfreundschaft zurück, daß mich die Owadans nach getaner Arbeit noch einladen, mit ihnen das Abendessen einzunehmen. Die Frauen sind schon die ganze Zeit immer mal wieder in die Küche gegangen und seit ungefähr einer halben Stunde steigt mir ein betörender Duft von Gebratenem, Gesottenem und Gekochtem in die Nase. Was für Gewürze!

Ich wäre nicht der, den seine Frau aus gutem Grund Bär nennt, wenn ich da Nein sagen würde und so nehme ich, eigentlich gegen meine Gewohnheit, die Einladung an. Üblicherweise nehme ich außer Kaffee nichts zu mir, wenn ich bei fremden Leuten bin. Ich bin da immer etwas skeptisch; vor allem seit ich vor Jahren mal tüchtig beim Weihnachtsgebäck einer Kundin zugelangt hatte und diese dann anschließend sagte: „Essen Sie ruhig tüchtig! Ich habe zwar in diesem Jahr nicht so viele Plätzchen gemacht, weil ich diesen ekligen Schmierpilz an den Händen hatte, aber wenn’s Ihnen so schmeckt…“

Die Owadan-Frauen haben aber nichts an den Händen und mir läuft schon die ganze Zeit das Wasser im Mund zusammen und droht schon fast die Oberkante der Unterlippe zu überfluten.

„Gleich ist Essen gut!“ ruft Oma Owadan aus der Küche und ich setze mich schon auf dem bequemen Sessel in Positur. Gleich wird es Geschirr und Besteck geben und vielleicht ist es eine nette Geste, wenn ich auf dem Wohnzimmertisch etwas Platz schaffe…

Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes, die Owadan-Männer nehmen den Tisch und tragen ihn in die andere Ecke des Wohnzimmers.

„Essen wir da drüben?“ frage ich und die Männer lachen nur. Dann sagt der Sohn: „Wir essen arabisch, auf dem Boden, wir setzen uns auf den Teppich, da ist sehr gemütlich so.“

Die Frauen bringen das Essen. Mehrere große Platten mit Reis, Couscous, Fleisch, Soße, Gemüse und alles duftet herrlich. Dann setzen sich die Leute im Schneidersitz um die Platten herum und schauen mich erwartungsvoll an.
Also gut, ich lege vorsichtshalber das Jackett ab und setze mich auch im Schneidersitz hin.

Das heißt…
…ich versuche es zumindest mal. Doch ich kann das nichtmal ansatzweise. Es ist für mich schon eine Tortur, überhaupt auf dem Fußboden zu hocken, ich habe aber überhaupt keine Ahnung, wie ich mein linkes und mein rechtes Bein so verknote, daß auch nur so etwas Ähnliches wie ein Schneidersitz dabei herauskommt.
Ich kann die Beine aber auch nicht einfach nur ausstrecken. Erstens sind sie sehr lang und würden dann die anderen beim Essen stören und zweitens falle ich dann nach hinten um.
Also wälze ich mich, wie eine Robbe auf Schmierseife, herum und versuche mich hinzuknien. Irgendwie schaffe ich das auch, knie aber nun mit dem Rücken zum Essen.
Mit ganz kleinen Hoppelbewegungen drehe ich mich auf den Knien um und falle fast vorüber in den Reis.
Die Owadans haben ihren Spaß.
Haha!
Lustig!
Aber dann endlich finde ich eine Position. Mit halbschräg nach hinten geklappten Beinen geht es. Gut, das ist schweiße unbequem und mir scheint es, als habe die hintere Naht meiner Hose mein Robbendasein nicht ganz überlebt, aber wer Couscous will, der muß leiden, ist halt so.

Die essen mit den Händen!
Hallo, mein Bruder ist Mr. Monk, ich esse doch nicht mit den Pfoten?
Oma Owadan hält mir eine Schüssel und ein Handtuch hin, ich wasche also mal meine Finger. Dann soll ich zugreifen…
Ich fasse mit der Hand in den Reis, die Männer können das, sie greifen in den Reis, nehmen sich einen Klumpen, fahren dann damit in die Sauce und greifen auch noch Fleischbrocken oder Gemüse und dann ab in den Mund.
Ihnen schmeckts und sie nicken mir aufmunternd zu.
Also: ich greife in den Reis und mein Plan sieht vor, auch etwas Sauce und Fleisch zu nehmen.
Doch der Reis ist heiß.
Der Reis ist teuflisch heiß und vor Schmerz ziehe ich meine Finger, gänzlich ohne Reis, wieder aus dem Reisberg zurück. Im Inneren dieses Reisbergs muß ein Vulkan glühen!
Vielleicht sollte ich lieber den Couscous probieren. Doch der verschafft mir dann endgültig Verbrennungen 19. Grades an meinen Fingern. Kriegt man beim 19. Grad nicht in irgendeiner Sportart einen bunten Gürtel? Nennt mich Sensei, kommt in meinen Dojo!

Die Hand ist verbrüht, ich wage es aber trotzdem weiter, denn die Owadans essen alle tüchtig und es muß super schmecken. Ein Fleischbällchen, genau das ist es, das werde ich nur kurz anfassen und dann sozusagen vom Stapel der Fleischbällchen direkt in Richtung meines Mundes katapultieren und auffangen.

Okay, meine Frau kennt eine gute Reinigung und die Owadans sind mir auch nicht böse, daß die heimtückische Orientalenbulette auf ihrem Diwan gelandet ist. Zumindest hat das Leder des Diwans den vermaledeiten Klops etwas abgekühlt. Nun gut, die Owadans haben zwei Katzen und offensichtlich sitzen die manchmal auch gerne auf dem Diwan und Katzen haaren ja so…
Davon aber mal ganz abgesehen schmeckt der Klops gut.
Vielleicht ist es aber besser, wenn ich von dem herrlichen Fladenbrot esse. Das kann ja nicht so heiß sein.

Ich habe sechs von den Fladen gegessen, das war’s.
Ich bin für orientalisches Essen nicht gemacht, mir taten drei Tage später noch die Arschbacken rückwärtigen Teile weh und meine Beine leiden seitdem unter Durchblutungsstörungen.

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(©si)