Geschichten

Bestatter hat Versicherungspolicen für die Bestattungskosten an sich genommen

Oder: Wie aus einer sachlichen Antwort eine Geschichte wurde

In einem der Frage-Antwort-Portale stellt sinngemäß jemand diese Frage hier:

Mein Vater ist verstorben, er hatte zwei Versicherungen abgeschlossen, damit die Beerdigung davon bezahlt werden kann.
Der Bestatter hat sich die beiden Policen aushändigen lassen, mit der Begründung, es wäre so üblich!
Er bekomme nun die Summen überwiesen, würde davon die Bestattungskosten abziehen und uns den Rest als Verrechnungsscheck auszahlen.
Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl bei der Sache und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr glaube ich, einen großen Fehler gemacht zu haben! Wie sollen wir uns jetzt dem Bestatter gegenüber verhalten? Soll ich die Versicherung informieren und die Herausgabe der beiden Versicherungspolicen fordern? Quelle: gutefrage.net

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Als hilfsreichste Antwort wurde von den Lesern diese hier gekennzeichnet:

Solch ein Vorgehen ist keineswegs üblich! Nimm heute Kontakt mit dem Bestatter auf und fordere die Policen zurück. Wenn das nicht klappt, nimm Kontakt zu den Versicherungen auf!

Zwei weitere Antworten, die sich dem Sachverhalt vernünftig widmen, hatten zum Zeitpunkt meiner Recherche keine so hohen „hilfreich-Bewertungen“.

Dabei antworten die Antwortgeber in diesen beiden Fällen durchaus richtig.
Es ist allgemein üblich, daß sich gute Bestatter auch um die Abwicklung von Versicherungen und Mitgliedschaften kümmern.
Für sie ist es ein verwaltungstechnischer Klacks, eben auch noch den ADAC, den Taubenverein und eben auch Versicherungen zu kündigen und eventuelle Gelder zu beantragen.
Nach Abzug der Kosten für die Bestattung erhält man schnell das überschüssige Geld.
Man bekäme weder mehr Geld, noch würde man es schneller erhalten, kümmerte man sich selbst um die Abwicklung der Versicherungen.

Im Gegenteil, bei der Abwicklung mit Privatpersonen läßt sich so manche Versicherung noch den einen oder anderen Fragebogen einfallen, den es auszufüllen gilt.

Außerdem, was soll der Bestatter davon halten, wenn die Familie in Form von Versicherungen, die für diesen Zweck abgeschlossen wurden, über genügend Geld verfügt, dieses aber dem Bestatter nicht zur Verfügung stellen möchte? Ein Kollege sagte mir mal, daß er dann den Auftrag gar nicht annimmt, zu oft schon haben sich Familien die Summen selbst auszahlen lassen und dann den Bestatter nicht bezahlt. „Die kamen schon zum Sechswochenamt mit ’nem neuen Wagen, ich warte heute noch auf mein Geld.“

Auf der anderen Seite, und auch das soll nicht verschwiegen werden, fehlt dem Kunden in diesem Fall das Druckmittel der Bezahlung.
Der Bestatter hat schon sein Geld quasi sicher. Es ist also in diesen Fällen durchaus sinnvoll, dem Bestatter bei der Abwicklung auf die Finger zu sehen, vor allem wenn man keine Erfahrungen mit dem jeweiligen Unternehmen hat.

Ein Aspekt muß unbedingt noch berücksichtigt werden: Manche Versicherungen erhalten also vom Bestatter die Policen und die Sterbeurkunden und schicken als nächstes ein Schreiben an die Angehörigen, daß sie den entsprechenden Betrag bezahlen und auf das Konto des Bestatters überweisen.
Das soll den Angehörigen Sicherheit geben, denn sie wissen ja nun, daß die Zahlung an den Bestatter erfolgt und in welcher Höhe das geschieht.
So weit, so gut. Jedoch vergehen zwischen diesem Schreiben und der tatsächlichen Auszahlung an den Bestatter manchmal Wochen.
Die Versicherung würde auch an die Angehörigen direkt nicht schneller bezahlen, sie trennt sich halt nur schwer vom Geld…
Aber die Angehörigen meinen in diesen Fällen dann oft, der Bestatter müsse das Geld schon längst haben und bedrängen ihn mit Forderungen.

Ich selbst hatte viele solche Fälle. In einem Fall hatten wir donnerstags die Policen eingereicht und am Mittwoch darauf traf der entsprechende Brief von der Versicherung ein, es würden „in den nächsten Tagen 93.000 Euro an den Bestatter überwiesen.“
Mit diesem Brief in der Hand ist die Tochter des Verstorbenen direkt in ein Autohaus gegangen und hat einen Jahreswagen für 40.000 Euro gekauft.
Den Wagen durfte sie wenige Tage später schon abholen, nur der Kfz-Brief blieb noch bis zur endgültigen Zahlung beim Autohaus. Sie hatte vom eigenen Konto 12.000 Euro als Anzahlung geleistet.
Nun ging aber das Geld nicht ein, die Versicherung verzögerte die Auszahlung immer wieder.
Die Tochter war aber der Meinung, wir würden quasi auf dem Geld sitzen oder hätten es sogar schon ausgegeben.
Dann rief die Tochter bei der Versicherung an und man sagte ihr auch noch, die Zahlung sei bewilligt und sicher auch schon geflossen.

So fing dann ein Teufelskreis an: Wir hatten das Geld definitiv noch nicht, die Tochter hatte schon 40.000 Euro davon ausgegeben, die Kosten der Bestattung (mit großem Familiengrab und riesigem Grabstein) beliefen sich auf 7.500 Euro und der Schwester dieser Frau stand die Hälfte der Versicherungssumme zu.
Nun kaufte die Tochter auf gleiche Weise noch eine neue Küche und buchte eine teure Reise für insgesamt über 22.000 Euro.
Mit gleicher Vehemenz, wie sie das Geld ausgab, bedrängte sie mich und forderte in täglichen Wut-Besuchen die Auszahlung der 93.000 Euro.

Ich wies dann darauf hin, daß sie nur 93.000 Euro, abzüglich der 7.500 Euro Bestattungskosten erhalten würde, also 85.500 Euro.
Das Dilemma liegt klar auf der Hand: Ihre Schwester beanspruchte davon die Hälfte, also 42.750 Euro.
Doch die Tochter hatte schon 40.000 Euro fürs Auto und 22.000 Euro für Küche und Kreuzfahrt ausgegeben. Es blieben also insgesamt nur noch 35.000 Euro übrig.
Ein Schreiben eines Anwalts drängte uns, der Schwester direkt 42.750 Euro auszuzahlen.
Somit hätten wir der Tochter den gleichen Betrag aushändigen können. Sie hätte dann 50.000 Euro ausgegeben und nur 42.750 Euro bekommen.

Die Versicherung ließ sich aber weiter Zeit. Wir vermuteten damals, daß beide Schwestern mehrfach dort angerufen und auf Auszahlung der gesamten Summe an jeweils eine Schwester gedrängt hatten. Dieses Hin und Her hat vielleicht die Versicherung vorsichtig werden lassen und dazu geführt, daß alle Anspruchsvoraussetzungen mehrfach geprüft worden sind.
Jedenfalls kam drei Monate lang kein einzige müder Cent bei uns an.

Wir hatten nun also einen Anwalt im Nacken, zwei Schwestern, die vehement und sehr beleidigend ihr Geld einforderten, und eine Versicherung, die dann gar nicht mehr auf Nachfragen reagierte.
Genau in dieser Zeit ließ ich das Schaufenster neu dekorieren. „Von meinem Geld!“, schrie die eine Schwester. Und ich solle mein Auto verkaufen, verlangte die andere, sonst gehe sie zur Polizei!
Man kann sich vorstellen, daß ich da manche unruhige Nacht hatte.
Wie froh waren wir, als eines morgens tatsächlich die Versicherungssumme auf unserem Konto war!
Aber, oh welche Überraschung, die beiden Schwestern hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht!
Denn ihr Bruder Herbert, zu dem sie schon zwölf Jahre keinen Kontakt mehr hatten, hatte bei der Versicherungsgesellschaft einen Erbschein eingereicht und bereits 31.000 Euro abgegriffen.
Nun konnten sie von diesem Bruder auch noch ein Drittel der 7.500 Euro Bestattungskosten zurückholen, ein Unterfangen, das -wie ich später mit einer gewissen Genugtuung erfuhr- in die Hose gegangen ist.

Merke: Man sollte die Haut der Beere erst verteilen, wenn sie auch gepflückt ist! (oder so…)

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(©si)