Branche/Kommune

Bestatter klagt über Zahlungsmoral der Sozialbehörde

Leser Stefan ist Bestatter und hier im Bestatterweblog ein treuer Leser und Kommentator. In einem Kommentar schreibt er einiges über seine Erfahrungen mit den Sozialbehörden in seiner Stadt/Gegend.
Es wäre zu schade, diese Erfahrungen nicht mit allen Lesern zu teilen, deshalb veröffentliche ich seine Zuschrift einmal hier als Blogbeitrag:

Es gibt inzwischen genug Kollegen, die hier gar keine Sozialfälle mehr annehmen oder wirklich nur das allernotwendigste tun.

Übertragen wir das Zahlmodell mal auf eine Pizzalieferung:

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Hier im Kreis läuft das so, dass ich (wenigstens moralisch) verpflichtet bin jemandem der „Sozialamt“ sagt, dieselbe 14.00 Euro Familien-Pizza zu liefern, die jeder Selbstzahler auch bekommt. Aufgrund von (einseitig durch das Kreis-Sozialamt aufgestellten) „Vereinbarungen“ ist das so rabattiert, dass für die 14,00 Euro Lieferung mal gerade so 10,00 Euro bezahlt werden. OK, damit kann ich leben, sind ja nur Einzelfälle. Blöderweise dauert es dann mal so 3 bis 18 Monate bis so ein Fall bearbeitet ist – und je nach Einzelfallprüfung bekomme ich dann 4,00 bis 8,00 Euro.

Für meine Bestatterleistung kann ich ca. 1000,00 Euro abrechnen – und erfahre dann nach den genannten 3 bis 18 Monaten ob ich dafür 400 – 500 oder sogar 800 Euro bekomme.
Damit soll dann Sarg, Ausstattung, Deckengarnitur, Personal, Überführung, Hygienische Versorgung, Einsargung, Überwachen der Trauerfeier, Kühlraum usw. abgegolten sein.
Bergungskosten wegen Unfall? Erstattung 0,00 Euro
Eine zweite Überführung vom zentralen Kühlraum zur Kapelle / Trauerfeier? Erstattung 0,00
Besonderer Aufwand, z. B. eine Leichenhülle gegen Gerüche? Erstattung 0,00
Ich schreibe also von vornherein ein Minus – und soll ausserdem noch Fremdleistungen vorab auslegen: Hier mal Normpreis vorne und Erstattung hinten:
Sargträger: 182,00 Euro / 120,00 (Angemeldet und versichert)
Sargesteck: 120-140,00 euro / Erstattung 40,00
Kranz 120, Euro / Erstattung 0,00
Trauerredner: 185,00 bis 380,00 / Erstattung: 110,00

Das Sozialamt hier im Kreis betreibt Rechtsbeugung – und die Angehörigen wehren sich nicht. Derzeit finden die ja immer noch genug „blöde“ Bestatter, die das aus Gutmütigkeit machen.
Aber um das mal auf den Punkt zu bringen:
Ich knöpfe meinen „Normalkunden“ nciht genug Geld ab, umd damit die ganzen Sozialdinger zu subventionieren. Diesen Aufwand, den Tom oben beschreibt und der in vielen Fällen einfach nötig wäre, kann ich nicht zu diesen Bedingungen treiben.

Theoretisch hat auch ein Mittelloser den Anspruch auf eine anständige Erd- oder Feuerbestattung – aber die Sozialämter scheren sich einen Dreck drum und drücken die Erstattungen wo immer es geht.
Bestattung durch das Sozialamt heisst in vielen Fällen wirklich nur noch Entsorgung im Armengrab.


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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 22. Januar 2015

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Knud
9 Jahre zuvor

Moin!

Bist du in einem Verband/Innung? Dann setze die drauf an, dass die sich kümmern. Hier hat es geklappt. Wir haben eine Vereinbarung mit den Sozialämtern zu annehmbaren Preisen. In Kiel gibt es eine Sozialbestattung zbsp erst, wenn das Sozialamt die Kostenbürgschaft ausgestellt hat. Dauer 3-5 Tage.

Die Kosten für eine Erstüberführung nach Unfall trägt der Auftraggeber: Polizei.
Nimmt der Trauerredner 380,- von dir? Lass ihn direkt kassieren.
Kränze nur gegen Barzahlung, wie in jedem Blumenladen auch.

Werden notwendige Kosten nicht übernommen, müssen die Auftraggeber klagen, ist denen das gleichgültig, bist du wirklich zu gutmütig. Lösungvorschlag eines benachbarten Bestatters: die übernommenen Kosten des Sozialamtes sind ein Zuschuss zu den Bestattungskosten, den Rest muss die Familie selber tragen. Da muss man eben die Zahlungsbedingungen anpassen: Factoring oder Vorkasse sind dann angesagt.

Ich hab mich auch sehr geärgert. O-Ton Leiter Sozialamt: „Wenn die Forderung den Bach runtergeht oder nur teilweise übernommen wird, ist das dann doch Ihr soziales Engagement… “ Jetzt ärgern die sich über mich, die Factoring-Firma nervt die richtig 🙂

Coffin Corner
9 Jahre zuvor

Was mich immer wundert: Sozialbestattung heisst es, also habe ich mir vorzustellen, die Hinterbliebenen sind mittellose Menschen, richtig ?
Und mittellose Menschen brauchen einen prof. Trauerredner der für 10 Minuten € 380,– kassiert ?
Können die nicht selbst etwas sagen ?
Und mittellose Menschen können nicht selbst den Sarg mittragen ? (Ich habe selbst schon Freunde getragen, aber das war nicht um Geld zu sparen)
Die grenzen zwischen Sozialbestattung und asozialer Bestattung scheinen da recht fliessend.

Lisa
Reply to  Coffin Corner
9 Jahre zuvor

Wenn ich das schon lese: „…einen prof. Trauerredner der für 10 Minuten € 380,– kassiert?“
Dass sich der Trauerredner vorweg aber mit den Angehörigen zusammensetzt (locker 2-3 Stunden inkl. Anfahrt), danach die Rede vorbereitet (locker 1-2 Stunden) und dann die Trauerfeier leitet (auch locker 1-2 Stunden) wird hier unter den Teppich gekehrt, man man man…

Irene
9 Jahre zuvor

@Coffin Corner: meine Schwiegermutter war praktisch mittellos, mein Mann und ich haben die Beerdigung bezahlt.
Ich weiss aber nicht, ob mein Schwager, mein Mann und ich (als einzige Hinterbliebene) in der Lage gewesen wären, den Sarg von der Kapelle bis zum Grab (Wegdauer ohne Last, Sarg auf motorisiertem Wagen transportiert: fast 10 Minuten) zu tragen.
So einfach ist das nicht zu sagen „dann machts halt selber, wenn ihr kein Geld habt“.
Ach ja, bei der Beerdigung meines Vaters hat tatsächlich mein Bruder eine Abschiedsrede gehalten. Der Geistliche war eher erstaunt und meinte, die meisten Angehörigen würden sich dem nicht gewachsen fühlen. Ich hätte es auch nicht gekonnt.

ein anderer Stefan
9 Jahre zuvor

Coffin Corner: gleich von asozial zu sprechen, wenn jemand eine „anständige“ Beerdigung haben soll, dafür aber das Geld nicht da ist, finde ich überzogen und fies.
Ich wäre in der Situation, in der ein Angehöriger oder ein guter Freund beerdigt wird, wohl auch nicht in der Lage, eine vernünftige und angemessene Rede hinzukriegen.

Für das beschriebene Problem läßt sich sicher nur gemeinsam mit den anderen ortsansässigen Bestattern eine Lösung finden – letztlich kann es sich ja keine Firma leisten, ständig draufzulegen. Auch die Parteien wären da gute Ansprechpartner – wer als Politiker dafür sorgt, dass auch arme Menschen eine anständige Beerdigung kriegen und noch dafür sorgt, dass der Mittelstand (oder die Kleinunternehmer) ihr Geld kriegen, kann das durchaus zur Profilierung nutzen. So lange das Sozialamt „teile und herrsche“ erfolgreich betreiben kann, wirds nicht besser.

Winnie
Reply to  ein anderer Stefan
9 Jahre zuvor

Pah, so lange Politiker an so etwas nichts verdienen, kümmern die sich einen Dreck darum. Die vertreten bestenfalls die Interessen der großen Firmen, in deren Vorstand ihr Name auf der Gehaltsliste steht. Eventuell ist vor einer Wahl ein „wir/ich kümmer(n) uns drum“ zu hören, welches sich nach gewonnener Wahl zu dem Schall auch noch in Rauch verflüchtigt.

ein anderer Stefan
Reply to  Winnie
9 Jahre zuvor

Naja, Lokalpolitiker könnte so was schon interessieren – und wenn nicht die, dann vielleicht die lokale Presse…

9 Jahre zuvor

Ich weiß, dass das jetzt hier nur zur Hälfte passt, aber es hat auch etwas mit der Zahlungsmoral von staatlichen Stellen zu tun. Ich betreue seit 2007 ein Kind über das Jugendamt, dessen Mutter im Zweischichtendienst tätig ist. Als ich sie übernahm, war sie noch nicht einmal 5 Jahre jung. Und wäre sie mir nicht so ans Herz gewachsen, hätte ich dem Jugendamt schon längst den Daumen gezeigt. Sie zahlen nichts extra für Feiertagsdienste, keine Anfahrtspauschale (ungefähr 1,5 Stunden pro Einsatz), und jetzt neuerdings auch kein Fahrgeld mehr – und das alles bei einer Stundenpauschale von 2,80 € pro Stunde. Wenn ich dann so an die Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke für dieses wirklich süße Mädchen denke und an das viele Kuchen-Eis-Zeug, was wir schon miteinander auf meine Kosten gegessen haben, kann ich fast noch etwas mitbringen. – Aber diese Behörde findet das vollkommen normal.

Winnie
Reply to  Clara Himmelhoch
9 Jahre zuvor

Sch… auf die Behörden, aber ich finde es absolut super von Dir, Dich trotzdem um das Kind zu kümmern. Beide Daumen samt Armen hoch und ich wünschte, es würde viel mehr solch altruistischer Menschen wie Dich geben.
Wie heißt es doch immer so schön, mitnehmen können wir alle nichts, aber dennoch ist Teilen für viele bzw. die meisten Menschen ein Fremdwort.
Auch wenn ich Dich nicht kenne, bin ich aus der Ferne stolz auf Dich. Und mal ganz ehrlich, Du hast bestimmt auch Deine Freude, wenn Du dem kleinen Erdnuckel ein Eis kaufst und das fröhlich strahlende Gesicht Dich blendet. 😉

Christians Ex
9 Jahre zuvor

Möglicherweise müsste man den Mut aufbringen, genau das zu leisten, was das Sozialamt bekannterweise bezahlt. Dann sinds eben ein Armengrab, ein Billigsarg und ein 0815-Redner. Vielleicht wird dann mal jemand wach.

Mutti
Reply to  Christians Ex
9 Jahre zuvor

Den Behörden ist das doch total egal, da wird keiner wach. Im Gegensatz, die freuen sich, wenn die Rechnungen plötzlich alle klein sind. Und die Angehörigen? Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass die, die mittellos sind, sich den Anweisungen des Sozialamtes beugen. Sonst müssen sie ja zuzahlen und einige Kosten selbst übernehmen. Mittellose haben aber keine Chance, einige Kosten zu übernehmen. Dann kommt das Mahnverfahren, der Rechtsanwalt, das Gericht… Da geht keiner auf die Barrikaden, aus Angst, dass es das Amt nicht übernimmt.
Es gibt schon einige Gerichtsentscheide, durch engagierte Bestatter angekurbelt, nur davon hören wollen die Sozialämter nichts. Selbst wenn man die Medien darauf ansetzt – die Behörden sind doch selten zu Gesprächen bereit.

Emine
9 Jahre zuvor

Das, was Clara Himmelhoch beschreibt, kann ich nur bestätigen. Das ist hier genauso: Unsere Tagesmutter hat solchen Ärger mit dem (grundsätzlich nicht zahlungswilligen) Jugendamt, dass es eine Schande ist. Für 2 Kinder unter 3, die sie je 40 Stunden pro Woche betreut, bekommt sie… 250€!!! Und darf dann den vorgestreckten Kosten von 98 € für die vorgeschriebene Versicherung inzwischen 13 Monate lang hinterherrennen! Wir haben nur das Glück, dass sie die Kinder so liebt, wie ihre eigenen… aber ich schäme mich für diese fehlende Zahlungsmoral!!

josef
9 Jahre zuvor

Bei uns war es so,wenn das Sozialamt die Kosten komplett übernahm, gab es grundsätzlich eine Einäscherung. Und bei der Beisetzung der Urne durfte die Aussegnungshalle nicht benutzt werden!
So musste die Predigt vom Pfarrer am Grab eben etwas länger ausfallen, was bei sehr schlechten Wetter auch nicht so toll war! Ich kann mich noch gut an die Diskusionen erinnern, die ich mit manchen Pfarrer hatte, der das schier nicht glauben wollte, wenn die Verwandten nichts dazu bezahlen wird es eben ohne Kapelle gemacht, für diese Kosten kam das Sozialamt nicht auf. Ich befürchte, das sich die Lage in dieser Hinsicht immer weiter verschlimmern wird.
LG!

Ein Bestatter (von vielen)
9 Jahre zuvor

Bei telefonischem Erstkontakt ist mit die erste Frage, ob es sich denn um eine Sozialbestattung handelt.

Wird dies bejaht, wird höflich, aber bestimmt abgelehnt.

Für ein Wirtschaftsunternehmen ist es abträglich, Aufträge anzunehmen, bei denen der Aufwand höher ist, als der Ertrag.
Ich rate Berufskollegen, von Sozialbestattungen Abstand zu nehmen. Lehnt diese Aufträge ab. Es spart Geld, Zeit und Nerven.
Wer in unserem Umfeld diesen Ratschlag bisher befolgt hat, stimmte dem auch stets zu.

josef
Reply to  Ein Bestatter (von vielen)
9 Jahre zuvor

Hallo Ein Bestatter (von vielen)
Ich wäre froh gewesen, wenn mein damaliger Arbeitgeber das ebenso gemacht hätte!
Du hast völlig recht, man erspart sich eine Menge Ärger, in einem Fall behaupteten Angehörige einer Sozialbestattung einmal, bei der Hausabholung wären 50.000 DM verschwunden!!
Die Wohnung damals sah so schlimm aus, da hätte man keine Tiere drin halten dürfen, aber so eine hohe Geldsumme liegt natürlich in der Gegend herum! Und genommen hats natürlich das Bestattungsunternehmen, ist klar!! Bei einem anderen Fall hatte der Verstorbene angeblich noch vorher 800 Euro in der Tasche gehabt, viele Sozialbestattungen verliefen aber auch friedlich.
Aber über die schlechte Zahlungsmoral hat mein Arbeitgeber schon vor Jahrzehnten geklagt!
LG!




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