Geschichten

Bestatterkrimi -IV-

Herr Poland war es, der mich stutzig werden ließ. Herr Poland hat vor sechs Monaten seine Frau bestatten lassen und zwar ebenfalls durch den Kollegen Zirbler. Seine Frau hatte auch eine Vorsorge bei Zirbler abgeschlossen, was allerdings schon ein paar Jährchen zurücklag. Nun liegt sie hier auf dem Friedhof, wo der alte Poland das Grab seiner Frau liebevoll pflegt und jeden Tag besucht. Er verbringt sozusagen den größten Teil seiner Freizeit auf dem Friedhof, hat sonst niemanden und freut sich immer, wenn er anderen Friedhofsbesuchern mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.

So lernte er auch Frau Müske kennen, der er wertvolle Tipps für die Aufstellung des Grabsteines gegeben hatte.
Man kann nicht sagen, daß die beiden alten Herrschaften sich angefreundet hätten, aber sie waren gute Friedhofsbekannte geworden und so verwundert es nicht, daß sie auch über die Umstände des Sterbens ihrer Ehegatten ins Gespräch gekommen sind. Dabei ist Frau Müske dann etwas aufgefallen, was sie dazu veranlasste, den alten Poland sofort zu mir zu bringen.

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Vorher mußte Poland noch bei sich zu Hause vorbeifahren und Frau Müske auch noch zu ihrer Wohnung bringen, dann kamen sie zu uns ins Bestattungshaus.
Poland wußte gar nicht wie ihm geschah und ich war zunächst etwas ungehalten über das plötzliche und natürlich unangemeldete Auftauchen von Frau Müske. Ich meine, außer daß sie hin und wieder ein paar Grablichter bei uns kauft, habe ich ja nichts mit ihr zu tun und vor lauter Tagesgeschäft hatte ich ihre Geschichte im Grunde auch schon wieder vergessen.

Meine leichte Verärgerung war aber schnell wieder verflogen, als sich die beiden alten Leute setzten und Frau Müske mir triumphierend zwei Blätter Papier auf den Tisch legte: „Da gucken Sie!“

„Was ist denn das?“

„Gucken Sie!“ beharrte die Alte und tippte mit ihren Fingern auf die beiden A4-Blätter.

Ich nahm die beiden Bögen und schaute sie mir an. Es handelte sich um zwei völlig identische Blätter ganz normalen Schreibmaschinen- oder Druckerpapiers. Auf beiden war eingetragen:

„Hiermit bestätige ich den Erhalt von x Euro vom Bestattungshaus Zirbler. Ich lasse mir das Geld auszahlen, weil ich es in anderer Weise für meine Bestattungsvorsorge anlegen möchte. Ich wurde darüber informiert, dass der Bestatter von der Leistung frei ist, solange ich den Betrag für meine Bestattungsvorsorge nicht vollständig eingezahlt habe.“

Nur die Beträge unterschieden sich und natürlich die Daten und die Unterschriften unten auf dem Bogen.

Ich wendete die Blätter hin und her und dann legte ich sie auf den Tisch und fragte Frau Müske: „Ja und?“

„Ja, finden Sie das nicht merkwürdig?“

„Tja, komisch ist das schon, aber es ist jetzt noch so ganz ungewöhnlich. Es kommt halt immer mal wieder vor, daß jemand unbedingt sofort in bar bezahlen will und das später dann doch in ein Sparbuch oder so umwandelt. Dann braucht der Bestatter natürlich eine Quittung wenn er das Geld wieder rausrückt.“

„Ja eben!“

„Was, ja eben?“ fragte ich zurück, weil ich nicht verstand, auf was Frau Müske hinaus wollte. Auch Herr Poland zuckte nur hilflos mit den Achseln und wußte nicht, was seine Friedhofsbekanntschaft uns sagen wollte.

„Na, gucken Sie doch mal!“ beharrte Frau Müske schon fast zornig: „Sehen Sie sich die Blätter mal ganz genau an!“

Ich nahm die beiden Bögen wieder und betrachtete sie genauer, aber es wollte mir einfach nichts auffallen.

„Sie müssen ganz genau gucken! Na, sehen Sie’s?“

„Nein, ich sehe nichts.“

„Gucken Sie mal, die beiden Blätter haben was gemeinsam, die sind beide in der Mitte geknickt.“

„Ja und?“

„Und wie sind die geknickt?“

„Einmal quer.“

„Ja sicher, wie soll man A4-Blätter auch sonst sinnvoll knicken? Aber das meine ich nicht!“

Ich drehte und wendete die Blätter erneut und kam einfach nicht dahinter, was Frau Müske meinte, dann erklärte sie endlich:

„Mich hat das schon auf dem Friedhof stutzig gemacht, daß Herrn Poland das selbe passiert ist wie mir. Erst wird das Geld einbezahlt und dann holen sich unsere Ehepartner das wieder ab und seitdem ist das Geld verschwunden. Beide haben so eine Quittung unterschrieben, die der Bestatter in seinen Unterlagen hat, die aber nicht in den Vorsorgeunterlagen zu Hause mit drin ist.“

„So weit, so klar“, stimmte ich Frau Müske zu und befühlte weiter die beiden Zettel.

„Ja und jetzt gucken Sie doch mal ganz genau hin! Machen Sie ruhig mal Ihre Schreibtischlampe an! Als ich Herrn Poland gebeten habe, seine Quittung nun mal zu holen, die er sich hat aushändigen lassen, ich habe meine nämlich auch abgeholt und der Zirbler hat sich nur Kopien gemacht, da ist mir gleich was aufgefallen.“

„Ja was denn?“

„Die sind verkehrt ‚rum geknickt!“

„Wie verkehrt herum?“

„Wenn Sie ein A4-Blatt beschriften und es zusammenfalten, dann knicken Sie es doch so, daß das Geschriebene innen liegt, also von hinten nach vorne. Das macht normalerweise jeder so, aber die Blätter hier die sind von vorne nach hinten geknickt.“

Was die Frau da sagte, das stimmte. Tatsächlich hatten die Bögen beide einen einzigen, scharfen Knick nach hinten.
Aber so ungewöhnlich fand ich das jetzt nicht, denn auch wir knicken manche Unterlagen so, damit sie trotz Faltung noch auf den ersten Blick lesbar bzw. erkennbar sind.

„Und?“ beharrte die alte Dame: „Wie sieht’s aus, sehen Sie den Rest auch noch?“

„Nee“, sagte ich, ohne weiter zu suchen.

„Jetzt gucken Sie mal die Rückseiten der Zettel an und zwar hinten oben! Da werden Sie merken, daß da ganz deutlich die Unterschriften von meinem Mann und von der Frau Poland durchgedrückt sind. Und was beweist das? Das beweist, daß die Zettel schon so zusammengefaltet waren, als die beiden das unterschrieben haben! So!“

„Und was wollen Sie jetzt damit sagen?“

„Ich will damit sagen, daß der Zirbler sich so einen Zettel von jedem Vorsorgekunden unterschreiben lässt, der bar bezahlt. Den Text mit der Rückzahlung den knickt er nach hinten weg, die alten Leute sehen nichts davon und weil sie sowieso so viel unterschreiben müssen, unterschreiben sie diesen Zettel einfach mit. Dann haut er das schöne viele Geld auf den Kopf und später wenn die mal sterben, dann präsentiert er in aller Seelenruhe den Angehörigen diese angebliche Quittung. Na, was sagen Sie?“


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 28. Oktober 2010 | Revision: 14. Juni 2012

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11 Kommentare
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Glückauf
13 Jahre zuvor

Ui Teil I-IV einer Spitzen Geschichte früh morgens.
Hat bei euch das ewige Leben einzug gehalten?
Aber bitte, bitte schreib zuende und nicht noch einen Endloscliffhänger.

Btw, lt Google können Goldfische bis zu 30-Jahre alt werden.

13 Jahre zuvor

Oha, ein ganz schlimmer Finger!

Und jetzt bitte noch die gerechte Strafe …

Blaulicht, Handschellen?

Oder müssen die armen alten Leute alles ausbaden?

*Fingernägelknabbernd*

Ronald
13 Jahre zuvor

Hart! So alt und Sherlock Qualitäten.

Garfield
13 Jahre zuvor

Frau Müske ist nicht auf den Kopf gefallen. Gab es noch ein juristisches Nachspiel?

DerInderInDerInderin
13 Jahre zuvor

Mit sowas in der Richtung konnte man ja, rechnen, aber dass sich das ganze dann dergestalt entwickelt…hammerspannend.
Wann kommt der nächste Teil?

Trixi
13 Jahre zuvor

Wie will man sowas beweisen? Die Zeugen sind ja schon tot.

Big Al
13 Jahre zuvor

Sherlock Holmes und Marple, übernehmen sie!
Jetzt wird es spannend.
B. A.

Alex
13 Jahre zuvor

Krass, aber ich vermute juristisch eine ganz schwere Kiste.

Klingt so, als wäre das mal eine Nachricht an Udo Vetter vom lawblog.de wert.

Knoetchen
13 Jahre zuvor

Sieht nach einem schönen Zubrot aus, dass sich der nette Herr Bestatter da verdient hat.. spannend.

Dark Funeral
13 Jahre zuvor

nun wird es aber interesant wie es aus geht. bin sehr gespannt.

13 Jahre zuvor

Der Nepp an alten Leuten ist einfach allgegenwärtig! Schöne Methode hat er sich da ausgedacht. Hoffen wir mal, dass ihm jemand gewaltig das Handwerk legt. Und vor allem, dass es auch nachweisbar wird.

Ein Problem könnte ja sein, dass es bei vielen Fällen inzwischen auch keinen Ehepartner mehr gibt, der die Klage betreiben könnte.

Auf ins Gefecht, Frau Müske.




Rechtliches


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