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Betriebsfremden ist der Zutritt untersagt

Mac Kaber schreibt sinngemäß, daß er es sich nicht gefallen lassen würde, wenn städtische Bedienstete oder der Bestatter ihm verbieten würden, einen Verstorbenen noch einmal sehen zu wollen. Auch andere Leser beteiligten sich an der Diskussion, die dadurch entstanden ist, daß ich über die zweite Leichenschau und die anschließende Einäscherung berichtete.

Verbieten kann man den Hinterbliebenen das Anschauen einer Leiche nicht. Wenn sie darauf beharren, wird man es ihnen nicht verwehren können, auch grausam zugerichtete Leichen, die sich in keinster Weise für eine Aufbahrung eignen, anzuschauen.

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Allerdings kann es vorkommen, daß Bestatter dringend davon abraten. Ich erinnere mich an einen Fall, da war ein junger Mann in Hamburg von einer Eisenbahn überrollt worden und hatte sich, aufgrund verschiedenster Umstände mehr als 14 Tage, bei oft unterbrochener Kühlung, in Hamburg befunden, bis wir ihn endlich überführen konnten. In dem wasserdicht ausgeschlagenen Sarg befanden sich nur Beutel, die -um es mal vorsichtig auszudrücken- nur noch etwas enthielten, was an madenverseuchte Schlachtabfälle erinnerte.

Ich schmunzele immer wieder, wenn ich mal schreibe, daß in diesem oder jenem Fall eine offene Aufbahrung nicht in Frage kommt. Gerade Berufsanfänger schreiben mir dann oft voller Enthusiasmus, da hätte ein guter Thanatologe sicher noch was machen können oder sie würden es sich durchaus selbst zutrauen, so einen Leichnam noch herzurichten… Nein, das hätten weder sie, noch ein guter Thanatologe gekonnt.

Wir reden hier doch nicht über Tote, die tot aussehen oder die irgendwelche kleineren Verletzungen haben, bei denen sich der Mund nicht schließen lässt, die übel riechen oder ähnliches. Mit solchen Vorkommnissen können wir einerseits fertigwerden und andererseits rechnen die Angehörigen ja auch oft damit, so etwas vorzufinden. Wenn ich sage, daß das nicht geht, dann geht das auch nicht.

Sollen wir ernsthaft die Mutter des Jungen aus Hamburg einen Blick in den Sarg werfen lassen, in dem kein einziges Körperteil mehr als solches zu identifizieren ist?

Nein, hier haben wir auch eine Verantwortung gegenüber denen, die weiterleben wollen. Mögen sie ruhig traurig und geschockt sein, weil der Bestatter da hart geblieben ist, es steht aus unserer Sicht in keinem Verhältnis zu dem, was diese Menschen sich angetan hätten, wenn sie den Verstorbenen angeschaut hätten.

Rein rechtlich können wir natürlich nichts machen, das ist sonnenklar. Aber in all den vielen Jahren ist es noch nie vorgekommen, daß uns da jemand Schwierigkeiten gemacht hätte. Ist der Wunsch zu groß und helfen gute Worte auch nicht weiter, will der Angehörige unseren Rat nicht hören, dann reicht es immer aus, auch nur annähernd zu beschreiben, was ihn erwartet. Dann fragen sie nicht mehr danach.

Es ist doch nicht so, daß Bestatter ein Interesse daran hätten, den Angehörigen ihre Toten vorzuenthalten, aber wenn man schon in Einzelfällen für den Verstorbenen nichts mehr tun kann, muß man wenigstens sehen, daß den Angehörigen nicht noch ein Schaden zugefügt wird.

Ja und wie ist das mit dem Krematorium? Kann man bei der Einäscherung dabei sein, kann man dort Verstorbene nochmal sehen?
Die Antwort kann nicht eindeutig gegeben werden. Das ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt Orte, in denen man die Trauerfeier im Krematorium abhält und wo man am Ende der Trauerfeier sieht, wie der Sarg im Boden versinkt. Aber auch dann fährt er nicht unmittelbar ins Feuer, sondern nur in den Keller.
Es gibt Krematorien, die Abschiedsräume haben, in denen man einen Verstorbenen noch einmal besuchen kann.
In den meisten Fällen sind die Krematorien aber technische Betriebe, die eine sehr spezielle Aufgabe erfüllen und wo ein Besuch von Hinterbliebenen nicht üblich bis hin zu unerwünscht ist.

Ein Kommentator schrieb, dort würde sehr pragmatisch mit den Toten umgegangen. Und ich glaube, er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich kenne kein Krematorium, in dem würde- oder pietätlos mit Toten umgegangen wird. Aber man geht dort pragmatisch, praktisch und ohne falsches Theater vor.
Diese Abläufe sind durchrationalisiert, und dienen dazu, eine zügige Einäscherung zu vertretbaren Kosten und unter Berücksichtigung aller Bestimmungen zu ermöglichen.

Für viele Abläufe hätten die Angehörigen, wüßten oder sähen sie das, kein Verständnis und würden es als herzlos, pietätlos usw. einordnen.

Ich will das an einem Beispiel festmachen. In manchen Krematorien ist es notwendig, daß die Griffe von den Särgen entfernt werden. In der Vergangenheit sind die eisernen Bestandteile oft in die beweglichen Teile der Feuerungsanlage geraten und haben zu Betriebsstörungen geführt.
Kämen nun Angehörige in die Halle, in der 40 Särge in Reih‘ und Glied stehen und würden sehen, daß die Bediensteten mit langen Brechstangen die immerhin bis zu 240 Griffe abhebeln, würden sie das als sehr roh empfinden.

Deshalb steht an den meisten Krematorien schlicht und ergreifend: Betriebsfremden ist der Zutritt untersagt.
Und JA, die dürfen das und sie dürfen es den Angehörigen sogar verwehren, dort ihren Verstorbenen zu besuchen, da können die mit einstweiligen Verfügungen drohen, wie sie wollen. Im Zweifelsfall rufen die lieber den Bestatter an und lassen den Verstorbenen wieder abholen.

Kein Mensch hat ein böswilliges Interesse daran, den Hinterbliebenen eine würdige Abschiednahme zu verwehren. Aber nicht in allen Fällen ist das möglich und nicht bei jedem Vorgang ist das sinnvoll. Das vermutete „Besitzrecht“ an der Leiche, endet auch irgendwann und wer bis dahin nicht, in der geeigneten Weise, Abschied genommen hat, der hat den richtigen Zeitpunkt leider verpasst.
Ich kenne einen Fall da wurde auf richterliche Anordnung der Leichnam eines Kleinkindes an einer unbekannten Stelle des Friedhofes bestattet und nicht mehr in dem Grab, auf dem das Kreuz mit dem Namen steht. Trotz umfangreicher Therapie konnte eine Mutter nicht loslassen und kam über den Verlust ihres Kindes nicht hinweg. Ganze acht Mal wurde sie auf dem Friedhof angetroffen, wie sie mit einer Schaufel das Grab öffnete, um sich wieder in den Besitz des Leichnams zu bringen; und das auch nach einem Zeitraum, wo man nicht mehr davon ausgehen kann, daß da im Grab noch etwas „Schönes“ zu finden sein könnte.

Nochmals: Wenn ich den Angehörigen „verbiete“, ihren Toten anzuschauen, dann tue ich das nicht leichtfertig oder gerne, sondern weil es das einzig Richtige ist. Außerdem verbiete ich nicht, ich rate dringend davon ab. Und genau da beginnt die Gratwanderung. Denn alleine, wenn ich sage, daß ich dringend davon abrate, wird die Phantasie der Hinterbliebenen angeregt und sie machen sich -oft über Jahre- unnötige Gedanken, die auch oft noch in die falsche Richtung gehen.
Es gilt also herauszufinden, was man den Angehörigen zumuten kann, wo die Grenze ist, die der Einzelne verkraften kann und ob es in dem einen (schlimmen) Fall besser ist, doch einer Abschiednahme zuzustimmen oder ob man in dem anderen (weniger schlimmen) Fall schon sagt, daß es besser ist, den Angehörigen so in Erinnerung zu behalten, wie sie ihn zu Lebzeiten kannten.

Ich habe Hinterbliebenen schon in ganz schlimmen Fällen doch noch eine Abschiednahme am offenen Sarg ermöglicht, weil es mir so schien, daß dieser letzte Abschied, dieses letzte Sich-Vergewissern, sehr wichtig war für die Familie. In anderen Fällen habe ich schon davon abgeraten da sahen die Verstorbenen, meiner Meinung nach, sehr gut aus, aber die Hinterbliebenen waren höchst labil oder gar psychisch an der Grenze.
Wir machen uns solche Entscheidungen niemals leicht und letztendlich liegt die Entscheidung bei den Angehörigen. Aber wir wissen, von was wir sprechen, wir wissen, was wir tun.


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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 13. Januar 2008 | Revision: 28. Mai 2012

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11 Kommentare
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Michael
16 Jahre zuvor

Da hats wohl am Schluss was verhauen, Tom. Guck dir mal die letzten zwei Zeilen an.

Chris
16 Jahre zuvor

Wo wir gerade bei Pietät im Bestattungsbetrieb sind:

Ist es eigentlich normal, dass bei einer Beerdigung im Aushub neben dem Grab die Knochen früherer Verstorbener zu finden sind und die ersten ankommenden Gäste diese mit der Hand hinter dem Grabstein verstecken müssen, bevor die näheren Angehörigen der früheren Besitzer dieser Gebeine eintreffen?

Medienfreak
16 Jahre zuvor

Wenn man einen nahestehenden Verwandten verloren hat, ist es oft leichter die Wahrheit zu akzeptieren, wenn man den Verstorbenen noch einmal gesehen hat. Ansonsten könnten immer wieder Zweifel auftreten, ob der Verwandte nicht doch noch lebt und es nur eine Verwechslung gegeben hat. Gerade wenn ein unerwarteter Todesfall wie bei Suizid oder Unfällen eingetreten ist. Da ist dann der Wunsch der Eltern, den jungen Mann aus Hamburg noch einmal zu sehen, verständlich.
Aber selbstverständlich sollte ein verantwortungsbewusster und fürsorglicher Bestatter die Angehörigen daran hindern, sich Überreste anzusehen, die nicht mehr als „Person“ erkennbar sind.

tone
16 Jahre zuvor

„Nein, das hätten weder sie, noch ein guter Thanatologe gekonnt.“

Schöne Stilspitze!

nadar
16 Jahre zuvor

Hier das zweite Rechtschreibkrümel: „kein Verständnis und würden e als herzlos, pietätlos usw. einordnen“

Die Vorbereitung einer Trauerfeier in einem Krematorium – mit versehentlicher Einäscherung – wird reizend von Curt Goetz in „Dr. Med. Hiob Praetorius“ beschrieben. Allerdings weiß ich nicht, inwieweit er sich von existierenden Institutionen inspirieren ließ.

elfchen
16 Jahre zuvor

„daß es besser ist, den Angehörigen so in Erinnerung zu behalten, wie sie ihn zu Lebzeiten kannten“

…genau aus diesem Grund habe ich auch meine Oma (die nicht nur Oma, sondern eine Art Ziehmutter war) nicht mehr in der seperaten Aufbahrungszelle der Friedhofshalle angesehen.

So wird in meinen Erinnerungen nie das Bild auftauchen, wie sie da eingesunken und bleich in Ihrem Sarg liegt…das ist mir lieber so..auch wenn manche Leute mein Fernbleiben von der Aufbahrungszelle sicher anders gedeutet haben…das ist ihr Problem.

Mausi
16 Jahre zuvor

Ja, ich würde einen geliebten menschen auch lieber wie zu Lebzeiten in Erinnerung behalten. Ich habe mir so eine Aufbahrung einmal antun müssen, bei meinem Onkel und bin das Bild bis heute nicht wieder losgeworden.
Wenn ich an ihn denke schiebt sich dann oft das Bild des Toten vor das geistige Auge, das ist sehr schade.
Er sah auch durch seine Krankheit und auch durch das Zurechtmachen des Bestatters nicht mehr wirklich so aus wie im Leben. (Abmagerung, geflegter Bart, ect.)
Freiwillig würde ich mir das nicht mehr antun mögen. Das hat nichts mit nicht loslassen zu tun, das kann man auch anders, ich muss mir einen Toten nicht ansehen um zu wissen dass er tot ist.

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Genau so ist es. Ich stimme Dir in allen Punkten zu, es deckt genau mit meiner Weltanschauung, den mir bekannten Tatsachen und den überall üblichen Gepflogenheiten. Exacter und ausführlicher hätt ich es nicht beschreiben können, und freue mich, dass meine Anregungen zur Vervollständigung bereits genannter Vorgänge,so richtig ankamen und verstanden wurden.

16 Jahre zuvor

Genau aus diesen Gründen habe ich mir meine Oma auch nicht mehr angeschaut. Inzwischen sind auch die Zweifel weg, die ich anfangs noch hatte. Sie war schon eine Woche tot, bis die Beerdigung stattfand und ich hatte nicht mehr den Mut, sie mir anzuschauen. So habe ich sie noch in Erinnerung, wie sie in Lebzeiten war und das ist gut so.

Thomas
16 Jahre zuvor

Ich bin Rettungssanitäter, und habe mich von meiner Oma leider nicht verabschieden können. Das tut mir heute noch leid!
Sie hatte im Krankenhaus durch Wassereinlagerungen von 120 auf 150 KG zugenommen. Die Leute vom Bestattungsinstitut haben meinen Vater leider davon abgeraten. Leider…

Christan
16 Jahre zuvor

Es kommt drauf an wie der Verstorbene aussieht, wenn er würdevoll daliegt gehts, habe aber noch nie einen Verstorbenen lve gesehen, kanns nicht beurteilen.




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