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Biedermeier mit Traube

Ich bin ja eher ein unkonventioneller Mensch. Ich nenne das unkonventionell und meine, das sei meinem Status als Intellektuellem und Anhänger der Bohème und der Hedonik geschuldet, während meine Frau meint, ich sei überwiegend peinlich…

Gut, das wiederum ist den stets unterschiedlichen Sichtweisen von Mann und Frau geschuldet und ich nehme ihre Argumente nicht wirklich ernst.

Erkennen kann man meine etwas andersartige Einstellung zum Beispiel daran, daß ich mich eher unkonventionell, ja nahezu anarchistisch, so sieht es zumindest meine Frau, kleide.
Ich trage zumeist Bikerboots, Cowboystiefel oder mit großer Vorliebe auf Hochglanz geputzte schwarze Arbeitsschuhe. Was anderes als Jeans kommt mir in 90% der Fälle gar nicht an die Beine und da es die wenigsten Hersteller von Oberhemden schaffen, diese lang genug zu machen, trage ich überwiegend T-Shirts oder kurzärmelige Hemden, die ich nicht in die Hose stecke.

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Sie meint ja, das sei alles fürchterlich unangebracht und ich solle doch lieber mal Anzüge mit Weste und Krawatte tragen. Ich gebe ja zu, das alles steht mir auch sehr gut, aber wohler fühle ich mich, wenn ich meine Klamotten irgendwie wild zusammenstelle. Dabei bringt es meine Frau ganz besonders auf die Palme, wenn ich mal wieder zwei Socken trage, die farblich nicht ganz zusammenpassen. Aber bitte, mal ehrlich, wo ist der Unterschied zwischen Schwarz und ganz Dunkelblau?

Jetzt mußten wir neulich zu einem offiziellen Empfang und nach dem üblichen Theater (So gehe ich keinesfalls mit Dir auf die Straße!) hatte sie mich soweit, daß ich mir tatsächlich einen dunkelgrauen Anzug mit weißem Oberhemd, Krawatte und Weste angezogen habe.

„Na, siehste, das schaut doch gleich ganz anders aus! Und das ziehst Du morgen bei Dr. Rüffler auch an!“

Nee, also wirklich nicht! Wenn ich mich irgendwo sowieso nicht besonders wohlfühle, dann in der Biedermeier-Kiste, in der die Rüfflers wohnen und dort in Vornehmheit erstarren. Und dann noch einen Anzug anziehen, nee also wirklich nicht!

Nun, der Empfang verlief zunächst ganz angenehm und weil es abends doch noch recht kühl ist, mußte ich in meiner Staffage auch nicht sonderlich schwitzen, mir ist ja immer ziemlich warm, ich bin ja ostpreußisches Warmblut.
Und dann kam es zu der folgenschweren Bitte meiner Frau, oben von der Spitze einer kunstvoll aufgetürmten Käsekreation eine schwarze Weintraube haben zu wollen. Ja und dann muß Papa immer her, denn Papa ist knapp 1,90 und somit 23 Zentimeter größer als seine Frau. Ich reckte mich und streckte mich, doch so ganz reichten meine Finger nicht bis zur Frucht der Begierde. Da kam dann das Weib, das sich meine Frau nennt, auf die hohlköpfige Idee, mir unter den Hintern zu fassen und mich ein wenig hochzudrücken.
Vielleicht hat sie sogar den absolut als Wahnsinn zu bezeichnenden Versuch gemacht, mich hochzuheben.
Jedenfalls stand ich gerade auf den Zehenspitzen, als mir das Prachtweib an den Hintern fasst und just in diesem Moment falle ich vornüber in die Käsekration aus Frischkäse und Camembert. Die Kreation tat das, was Käsekreationen dieser Art für gewöhnlich in solchen Situationen tun, sie beschmutze mich erst heimtückisch von oben bis unten, um dann in aller Unschuld nach hinten umzukippen.
Dabei streifte sie noch die Frau des Bürgermeisters am A**** Hintern und ich finde es ganz arg ungerecht, daß die Blicke aller Anwesenden nun auf mir ruhten und das allgemeine Kopfschütteln wieder einmal nur mir gakt.

„Mit Dir kann man ja wirklich nirgendwo hingehen, Du bist voll peinlich!“ zischte mir meine Frau ins Ohr.
Gut, der Abend war dann gelaufen, wir verabschiedeten und unauffällig.

Aber wenigstens muß ich DEN Anzug bei Rüffers nun nicht anziehen.

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