Geschichten

Birgitt

„Ich habe diese Frau doch geliebt“, schluchzt Herr Görgens in sein Taschentuch und seine Frau sitzt neben ihm, presst die Lippen aufeinander und zischt dann spitz mit aufeinandergebissenen Zähnen: „Ich seh’s nicht ein.“

Herr und Frau Görgens sind seit über 15 Jahren verheiratet, glücklich verheiratet und Frau Görgens ist für ihren Mann die schönste Frau der Welt, das hat er erst kurz vorher beschwichtigend zu ihr gesagt.
Doch bevor Herr Görgens seine Frau Barbara heiratete, war er fast 20 Jahre mit Birgitt verheiratet und genau die ist gestern verstorben.
Görgens Stiefsohn aus erster Ehe, also Birgitts Sohn, ist nicht aufzutreiben, er hatte seit wenigstens 17 Jahren keinen Kontakt zu seiner Mutter. Deshalb fühlt sich Herr Görgens für die Beerdigung seiner geschiedenen Frau verantwortlich und befindet sich deshalb in einer Zwickmühle, denn seine derzeitige Ehefrau sieht es ganz und gar nicht ein, daß man nun für diese Frau auch noch Geld ausgeben soll.

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Klar, bestattungspflichtig wäre in erster Linie der Sohn und wenn der sich nicht kümmert, würde die Stadtverwaltung die Bestattung in die Wege leiten und dann versuchen, das Geld vom Sohn zurückzubekommen. Aber wenn sich ein Angehöriger. und sei es der geschiedene Mann, freiwillig kümmert, alles bezahlt und für die Kosten unterschreibt, ja dann wird die Stadtverwaltung einen Teufel tun und ihn daran hindern.

Hans Görgens war mit seiner Birgitt glücklich, nichts hatte die Ehe getrübt und dennoch hatte er sich vor gut 15 Jahren für eine andere Frau entschieden. So etwas gibt es eben auch und Hans und Brigitt waren, nicht ohne Ärger, aber ohne großen Streit, auseinandergegangen.
Es war Barbara, seine zweite Frau, die etwas dagegen hatte, daß ihr Mann mit seiner Ex noch einen Kontakt aufrecht erhielt. Vielleicht fürchtete sie, er könne sich seiner ehemaligen Frau wieder zuwenden, wer weiß?

„Das ist mir alles egal, Birgitt hat mir nie was getan, wir waren 20 Jahre glücklich und es ist nur meine Pflicht und Schuldigkeit, wenn ich mich jetzt darum kümmere, daß sie anständig unter die Erde kommt.“

„Wenn Du mich fragst, kommt das gar nicht in Frage.“

„Ganz ehrlich? Ich frage Dich nicht!“

Frau Görgens schnappt sich ihre Handtasche, springt entrüstet auf und ist mit wenigen Schritten an der Tür: „Hans, übertreib es nicht! Ich habe das immer gemerkt, daß Du Birgitt nicht loslassen kannst, daß Du sie nicht vergessen kannst. Wenn Du ihr jetzt aber einen Tempel baust, wirst Du die Konsequenzen tragen müssen!“

Noch ehe Hans Görgens etwas sagen kann, ist seine Frau verschwunden und er sitzt nun da wie ein Häufchen Elend, weint und weiß nicht was er tun soll.

Um wen soll ich mich nun zuerst kümmern? Erst dem Mann Trost und Mut zusprechen oder zuerst der Frau hinterher eilen und versuchen, die Wogen zu glätten?

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