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Bruno -8-

Ich habe ja bei Bruno mit allem gerechnet. Insgeheim sah ich schon einen weltweit von Interpol gesuchten Schwerverbrecher in ihm. Aber die Geschichte geht ganz anders.

Bruno ist schon vor zehn Jahren als Rüdiger aus seinem bisherigen Umfeld verschwunden. Damals erhielt seine Familie zwei oder drei mal Postkarten aus Spanien von ihm und man glaubte allenthalben, er würde dort sein Dasein fristen. Seine Eltern hatten sogar einmal versucht, über die spanische Botschaft etwas über den Verbleib ihres Sohnes zu erfahren, aber dort hatte man sich angesichts der vielen Deutschen die mehr oder weniger erfolgreich in Spanien einen Neuanfang gewagt haben, eher hilflos und wenig hilfsbereit gezeigt.

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Für die Familie war Rüdiger verschollen, er hatte sich abgesetzt und man hatte nie wieder etwas von ihm gehört.

Doch wie war es dazu gekommen, was hatte Rüdiger zu diesem Schritt bewogen?

Vor fünf Jahren hatte Elisabeth Bruno an der Ostsee im Urlaub kennengelernt und er war ihr wenige Wochen später in unsere Gegend gefolgt. Seitdem hatten die beiden wie ein Ehepaar zusammengelebt, zwei Kinder bekommen und waren offensichtlich sehr glücklich. Tatsächlich wußte Elisabeth über Bruno aber gar nichts. Mal meinte sie, er sei in Bremen geboren, mal deutete sie an, er komme aus Berlin.
Heute weiß ich, Bruno hieß in Wirklichkeit Rüdiger und kam aus der Nähe von Recklinghausen. Dort ist er vor gut zehn Jahren von heute auf morgen verschwunden, hatte seine Familien im Glauben gelassen, er sei in Spanien und ich glaube, wir werden über die Zeit zwischen seinem Verschwinden als Rüdiger und dem Wiederauftauchen als Bruno an der Ostsee nichts mehr erfahren.

Wir wissen auch nicht, wie Bruno an Martins Handynummer gekommen ist, Martin vermutet, daß Bruno möglicherweise zu irgendwem in der Heimat noch heimlich Kontakt hatte, anders kann er sich das nicht erklären.

Bruno, bleiben wir mal bei diesem Namen, hat Eltern, noch eine Schwester und -machen wir es kurz- ist Schuld am Tod einer weiteren Schwester.

Im „Old Lion“, einer örtlichen Discothek hatte seine Schwester Edith gefeiert und war spätabends so betrunken, daß man bei ihr zu Hause anrief und bat, daß sie abgeholt werden soll. Bruno machte sich auf den Weg, um Edith abzuholen. Früher war er selbst beliebter Stammgast im „Old Lion“ und so wurde er dort mit großem Hallo begrüßt. Das gefiel ihm, weil er mit seinem niegelnagelneuen Auto angeben und alte Freunde wiedersehen konnte. Getrunken hatte er jedoch an diesem Abend keinen Tropfen.
Gegen 00.30 Uhr hatte er mit seiner stark angetrunkenen Schwester die Discothek verlassen und sich auf den etwa 3 Kilometer langen Weg gemacht.
Kaum vier Minuten später krachte das Auto mit (dort erlaubten) 70 Sachen in eine Litfaßsäule, Edith muß auf der Stelle tot gewesen sein.

Und genau in dieser Nacht verschwand Bruno, der bis dahin Rüdiger gewesen war.

Ein einziges Mal hatte er sich, das muß 2 oder 3 Wochen später gewesen sein, bei seiner anderen Schwester gemeldet. In diesem Gespräch hatte er angedeutet, daß er sich die Schuld am Tod von Edith gibt, Angst vor einer Bestrafung habe und deshalb nach Spanien gehen wolle.
Bis auf die Postkarten war das das einzige Lebenszeichen, das seine Familie je von ihm erhalten hatte.

Was Bruno nie erfahren hat, was ihm niemand sagen konnte war die Nachricht, daß bei der Untersuchung seines Autos festgestellt worden war, daß irgendjemand -vermutlich ein Neider- Schrauben in das Profil aller vier Reifen des neuen Autos gedreht hatte. Offenbar muß eine davon dazu geführt haben, daß Bruno die Kontrolle über das Auto verlor.

Das in solchen Fällen immer übliche Verfahren gegen ihn wurde eingestellt und die Behörden zeigten sich ob seines Verschwindens nur kurze Zeit beeindruckt.

Bruno hingegen muß wohl zehn Jahre lang in dem Glauben gelebt haben, er trage die Schuld am Tod der Schwester, die Polizei suche ihn und alles was in der Heimat auf ihn warte, sei die Polizei, ein Verfahren und eine lange Strafe.

Ich weiß nicht, ob ich seine Gedankengänge nachvollziehen kann und ganz persönlich meine ich, daß es immer besser ist, sich den Gegebenheiten zu stellen. Bruno hatte es aber vorgezogen unterzutauchen und das vielleicht sogar wegen nichts.

Martin hatte mir gesagt, Bruno sei schon immer ein Spinner gewesen; das war seine Erklärung und mehr konnte er mir auch nicht dazu sagen.

Gut, merkwürdige Geschichte, die mich ziemlich beschäftigt. Viele offene Fragen, etliche Ungereimtheiten…
Inzwischen haben Martin und Elisabeth sich kennengelernt. Ich habe die beiden miteinander bekanntgemacht und dann sind die beiden in die Stadt gefahren, um sich auszusprechen.

Ich bin ja gespannt, ob ich da noch etwas erfahre. Meine Frau meint ja, wenn es da jemanden gegeben hat, zu dem Bruno noch heimlich Kontakt hatte, dann könnte es sein, daß derjenige alles Mögliche weiß und sich jetzt nach Brunos Tod offenbart.
Allerdings glaube ich nicht daran.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#bruno

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