Es gibt Momente, da ist man als Bestatter, als Publizist – ja, überhaupt als denkender Mensch – nur noch fassungslos. Einer dieser Momente ereignete sich jüngst in der wohl ehrwürdigsten Grabeskirche der Christenheit: dem Petersdom in Rom. Dort, wo der heilige Petrus begraben liegt, wo sich jahrhundertelang das Herz der katholischen Welt verortet – dort, wo die Gläubigen trauern, innehalten, beten.
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- Die ultimative Geschmacklosigkeit – jetzt in 12-Megapixel-Auflösung
- Das Verbot? Ach was. Regeln gelten nur für andere.
- Sakrales Instagram? Der Tod ist keine Bühne
- Zwischen Lächerlichkeit und Blasphemie
- Geschmacklose TikTok-Helden
- Warum der Vatikan Fotos verbietet
- Rat für meine Leserinnen und Leser: Fotografieren bei Beerdigungen – ja, aber mit Maß und Würde
- Dos & Don’ts – Fotografieren bei Beerdigungen
- Was bleibt?
Dort also zückten einige geistige Leichtgewichte ihre Smartphones, hielten sich selbst in Szene – und machten das Undenkbare:
Selfies mit dem toten Papst Franziskus.
Die ultimative Geschmacklosigkeit – jetzt in 12-Megapixel-Auflösung
Man fragt sich ja beinahe bewundernd: Wie schafft man es, angesichts der Totenbahre eines weltweit verehrten Kirchenoberhaupts auf den Gedanken zu kommen, dass man selbst das eigentlich sehenswerte Motiv sei?
„Ich und der tote Papst 😍✝️ #RIPFrancesco #blessed #RomeVibes“
Die Perversion dieser Handlung liegt nicht nur in ihrer Respektlosigkeit. Sie liegt im entlarvenden Selbstverständnis der Selfie-Gesellschaft:
Nicht der Tod ist ein Ereignis, nicht das Abschiednehmen, nicht das Gedenken. Nein – der eigene Auftritt vor dem Tod wird inszeniert. Die eigene Mimik, das eigene Outfit, das Lächeln vor der Ewigkeit.
Ich selbst bin das Wichtigste! Ich, ich, ich! Alles andere interessiert mich nicht! Ich bin der Mittelpunkt des Nabels des Zentrums der Welt – zumindest auf social media.
Das Verbot? Ach was. Regeln gelten nur für andere.
Der Vatikan hatte – völlig zurecht – ein striktes Fotoverbot erlassen. Mehr noch: Sicherheitskräfte und Aufseher sorgten für strenge Überwachung. Und trotzdem: Manche sind einfach schneller als das Licht – oder dümmer als es erlaubt sein sollte. Mit geübtem Griff versteckt unter der Jacke oder scheinheilig mit dem Rosenkranz in der anderen Hand wurde geblitzt, geknipst und gepostet.
Und dann natürlich das große Gejammer, wenn andere das Leichen-Selfie gar nicht so toll finden. „Aber ich wollte doch nur Abschied nehmen!“
Ach ja? Abschied nimmt man mit dem Herzen – nicht mit dem Selfiestick.
Sakrales Instagram? Der Tod ist keine Bühne
Was genau geht in den Köpfen dieser Menschen vor? Ist es der Drang, zu zeigen, dass man „dabei war“? Dass man „Teil der Geschichte“ ist? Dass man es ganz nach vorne geschafft hat – nicht in den Himmel, aber immerhin in die Timeline?
Man sieht sie vor sich: Menschen, die sich zwischen Papst und Pfeiler drängen, auf der Suche nach dem perfekten Winkel.
Die Falten auf Franziskus’ Stirn retuschieren, sich selbst den göttlichen Filter aufsetzen.
Die Hashtags komponieren wie Gebete:
#papalrest #sacredmoment #funeralfashion
Zwischen Lächerlichkeit und Blasphemie
Diese Selfie-Idioten – nennen wir sie ruhig so – sind keine Pioniere, keine Dokumentaristen, keine stillen Chronisten.
Sie sind das, was sie mit ihren Bildern unfreiwillig zeigen:
Tragikomische Gestalten, deren Ego größer ist als ihr Anstand.
Wer vor dem toten Oberhaupt der katholischen Kirche steht und sein Gesicht in die Kamera hält, um Likes zu sammeln, dem ist nicht zu helfen.
Dem fehlt nicht nur der Respekt – dem fehlt die Kategorie. Der Unterschied zwischen „Erinnerung“ und „Inszenierung“, zwischen „Demut“ und „Selbstdarstellung“, zwischen „Trauer“ und digitalem Exhibitionismus.
Geschmacklose TikTok-Helden
Was diese Selfie-Helden eint, ist eine toxische Mischung aus Respektlosigkeit, Selbstverliebtheit und digitalem Narzissmus. Da wird sich selbst wichtiger genommen als jeder Kodex, jede Anstandsregel und jeder Tote. Man setzt sich ungefragt in Szene, als sei man der Star auf einem morbiden Laufsteg – mit dem verstorbenen Papst als dekorativem Hintergrundobjekt. Wer braucht schon Pietät, wenn man Likes haben kann? Klicks sind die neue Währung, der tote Franziskus nur Mittel zum Zweck.
Da wird das Kirchenoberhaupt zum Instagram-Requisit degradiert, weil man auf den schnellen Ruhm hofft – oder wenigstens auf ein paar Cent TikTok-Beteiligung.
Emotionale Rücksichtnahme? Fehlanzeige. Regeln gelten nur für die anderen.
Hauptsache man ist drauf. Hauptsache es knallt im Feed.
Der tote Papst als Contentlieferant – das ist das moralische Endstadium der Selfie-Kultur.
Warum der Vatikan Fotos verbietet
Der Vatikan verbietet nicht deshalb Fotos, weil er etwas zu verbergen hätte. Es geht auch nicht darum, einem trauernden Menschen das stille Erinnerungsbild zu verwehren.
Es geht um die Kontrolle über Würde in einer Welt, die Würde längst monetarisiert hat.
Ein einzelnes, pietätvoll aufgenommenes Foto – meinetwegen. Aber in Zeiten von Selfie-Wahn, Filter-Apps, Clickbait-Memes und monetarisierbaren Kurzvideos ist ein Bild längst kein Bild mehr. Es ist Material. Rohstoff. Futter für Reichweite, Spott, Hass, Likes oder Likes-getriebene Empörung.
Und genau davor schützt sich der Vatikan.
Man weiß dort nur zu gut: Das Internet kennt keine Grenzen. Es gibt immer jemanden, der aus dem toten Papst ein TikTok macht. Einen Gag. Eine Verschwörung. Ein virales Spektakel.
Und damit niemand auf dem Rücken eines verstorbenen Pontifex seinen digitalen Kleinruhm erntet, gibt es dieses Verbot. Und es ist gut so.
Rat für meine Leserinnen und Leser: Fotografieren bei Beerdigungen – ja, aber mit Maß und Würde
Selbstverständlich darf man bei der Beerdigung eines geliebten Menschen auch zur Kamera greifen – respektvoll, still, diskret. Ein Erinnerungsfoto vom Sarg, der Blumenschmuck, vielleicht eine Szene aus der Trauerhalle oder dem stillen Abschied: Das alles kann helfen, den Moment zu verarbeiten und zu bewahren.
Doch frage Dich immer bei jeder Handlung: Würde mich das stören, wenn ich selbst in Trauer wäre?
Würde ich wollen, dass jemand sein Handy zückt, während ich weine? Dass jemand posiert, während mein Vater, meine Schwester oder mein Kind zu Grabe getragen wird?
Respekt, Anstand und würdevolles Verhalten sind wichtiger als jedes Bild.
Die Erinnerung lebt nicht in der Pixelzahl – sondern in der Haltung, mit der man sie festhält.
Eine erinnernde Darstellung ist wertvoll. Eine entlarvende Pietätlosigkeit ist es nicht.
Was bleibt?
Der Tod ist kein Selfie-Hintergrund.
Die Toten sind keine Requisiten.
Und der Petersdom ist kein vergrößerter Fotobooth für Pilger mit Profilneurose.
Vielleicht wäre es eine gute Idee, das nächste Mal nicht das Handy zu zücken, sondern den Kopf zu senken. Nicht das Gesicht zu posten, sondern ein stilles Gebet zu sprechen. Nicht sich selbst zu feiern, sondern jemanden anderen zu ehren.
Aber das wäre natürlich zu einfach. Und nicht hashtagfähig.
- selfie: Peter Wilhelm KI generiert
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: aufbahrung, Foto, fotos, Papst, Petersdom, selfie, Selfies, Vatikan