Frag doch den Undertaker

Corny Littmann über die Verlogenheit der Trauer

Sehr viele Leser haben mir diesen Link hier geschickt, in dem Corny Littmann über die Verlogenheit von Trauerrednern und die Geschäftstüchtigkeit von Bestattern „philosophiert“.

Ich kann Herrn Littmann nur zustimmen. Vor allem in Großstädten habe ich tatsächlich schon sehr viele Trauerfeiern erlebt, bei denen ein angeheuerter Trauerredner eine 08/15-Rede hielt, voller Pathos, voller Floskeln, jedoch ohne jeglichen Bezug zur verstorbenen Person.

Auch die Behauptung, Bestatter würden die Trauer- und Ausnahmesituation der Angehörigen ausnutzen und dabei ihre Geschäfte machen, entspricht durchaus der Wahrheit.

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Man muß aber bei alle dem sehen, daß man immer das bekommt, was man bestellt. Meine Oma sagte immer: „Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch was gespielt wird.“

Wer nur 08/15 bezahlen möchte und wer sich selbst nur 08/15 einbringen möchte, der wird auch nur 08/15 bekommen. So einfach ist das.

Wer zu einem Bestatter geht, der mit 899-Euro-Beerdigungen wirbt, der muß sich nicht wundern, wenn dessen Mitarbeiter versuchen, einem auch noch eine Unterbodenwäsche für den Sarg mitzuverkaufen.

Es klingelt bei Rentnerin Klara B. an der Haustüre. Draußen steht ein Mann in Arbeitskluft und behauptet, er gehöre zu einer Dachdeckerfirma, die ganz zufällig irgendwo in der Nachbarschaft tätig sei. Wo man doch jetzt schon mal da sei, könne man mal eben ganz günstig auch das marode Dach der Rentnerin neu decken, es koste auch nur 1.000 Euro, komplett.
Was denkt jeder bei dieser Geschichte?
Man denkt, das ist doch viel zu billig, das kann doch so nicht sein, wo ist denn da der Haken?

Der Haken ist immer da, wo der Wurm dran hängt! Fische sind zu doof, um das zu kapieren, aber wir können schreiben, lesen und uns gegenseitig Geschichten erzählen. Also: Da wo’s zappelt und da wo der Wurm verlockend wackelt, da ist der Haken. Kann man sich doch ganz leicht merken.

In diesem Fall wird mit 1.000 Euro gezappelt und gewackelt und wer diesen vermeintlichen Köder schluckt, der schluckt auch gleich den Haken mit und hängt dann am selben.
Bei 1.000 Euro wird’s nämlich nicht bleiben, da ist dann da noch was, da ist dann dort noch was und am Ende kostet’s mehr, als wenn man gleich den örtlichen und vermeintlich teureren Dachdecker hätte kommen lassen.

Und ganz genauso funktioniert das mit Beerdigungen. Für 799 Euro oder so, da gibt es eben nur Dachpappe. Klar?

Da muß man dann hinterher auch nicht den Leserbriefkasten der Verbraucherzeitschriften volljammern. Ich sage es hier seit Jahren immer wieder: Es muß auch günstige Bestattungen geben und jeder Bestatter bekommt es hin, auch arme Leute zu bestatten. Wer aber von vornherein zum Billigen Jakob rennt, der muß sich darauf gefasst machen, daß der an einem Ende spart, wo man es nicht erwartet hätte oder daß er einem eben doch noch „ganz plötzlich auftauchende Probleme“ in Rechnung stellt.

Ansonsten? Bestattungsvorsorge machen!
Einfach die Ausnahmesituation gar nicht erst zur Grundlage einer Geschäftsbeziehung machen! Man gehe zum Bestatter wenn man klar und frei von Trauer ist. Dann kann man nüchtern und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte alles aussuchen und bestellen.

Ja und was die Trauerredner anbetrifft: Will man eine ganz persönliche Traueransprache, dann muß man die entweder selbst machen oder jemanden bitten, der den Verstorbenen ganz genau kannte. Man kann auch alles Wichtige aufschreiben und dem angeheuerten Trauerredner in die Hand drücken.

Wer ganz sicher gehen will, der muß halt mal ab und zu auf eine Trauerfeier gehen und sich anhören, wie die verschiedenen Redner das so machen. Auch so läßt sich Spreu vom Weizen trennen.

Vergessen darf man jedoch auch nicht, daß viele Angehörige gerade das Standardisierte haben wollen.
Sie sind so in ihrer Trauer verhaftet, daß sie möglichst schnell und ohne groß an den Verstorbenen erinnert zu werden, durch diese rituellen Prozesse hindurchgereicht werden möchten.
Doch, das ist so!

Die Trauer spielt sich bei einem im großen Zeremoniell auf dem Friedhof ab, da muß dann alles bis aufs i-Tüpfelchen stimmen. Beim anderen spielt sich Trauer daheim, im Herzen, im Familienkreis ab und man will nur den Standard und bloß keine sehr persönlich werdende Feier.

Verurteilen kann man niemanden. Den Trauerredner nicht, denn der kann nur das sagen, was er weiß. Den Bestatter nicht, denn der will einerseits einen guten Job machen und andererseits Geld verdienen. Den Familien kann man auch keinen Vorwurf machen: Jeder trauert auf seine Weise.

Gehört man jedoch zu denjenigen, die es sehr persönlich haben wollen, dann muß man sich auch Gedanken machen und einiges an Vorbereitungen treffen. Hierbei kann einem am Besten ein Bestatter helfen.


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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 27. September 2010 | Revision: 16. Juni 2012

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Kirstin
14 Jahre zuvor

Da hat deine Oma recht. 🙂

Tzosch
14 Jahre zuvor

Bei Herrn Littmann schwingt ganz schön viel Verbitterung mit. Natürlich ist das Thema Homosexualität ein spezielles, gerade wenn die Familie des/der Verstorbenen dies nicht akzeptiert hat. Wenn dann die Familie die Trauerfeier ausrichtet, kann es dem Verstorbenen oft nicht gerecht werden.
Wie schon gesagt: Die Dinge selbst in die Hand nehmen. Die Kosten nicht aus den Augen verlieren und realistisch bleiben.

Wie in jedem(!) Handwerk gibt es allerdings auch bei den Bestattern „Schwarze Schafe“.

Big Al
14 Jahre zuvor

Man beachte bitte auch die Kommentare unter dem verlinkten Artikel.
Besonders gesellschaftliche Konventionen und Anderssein um des Anderssein willens betreffend.
Ansonsten finde ich dass Herr Littmann doch sehr in altbekannte Klischees abschweift, aber dass mag meine persönliche Meinung sein.
Bestattungsvorsorge machen und fertig ist die Laube.
B. A.

murry
14 Jahre zuvor

Bei der Beerdigung von meinen Großeltern, da hat der Pfarrer sich ein paar Eckdaten und wichtige Lebensstationen des Verstorbenen geben lassen und hat dann eine gute Ansprache gehalten. Das war ja nichts verlogenes, er hat ja auch nicht so getan als hätte er sie näher gekannt, sondern er hat einfach einige Stationen aus dem Leben nochmal genannt.

Es mag ja ganz schön sein, wenn das die Kinder oder Enkel machen – aber tut mir leid: Ich hätte keine Lust und auch nicht den Nerv da jetzt eine Ansprache vorzubereiten. Da ist es mir lieber das macht jemand der auch eine gewisse Distanz zum Toten hat anstatt das dort Kinder und Enkel irgendwelche Ansprachen runterschluchzen – obwohl sie es vielleicht gar nicht wollen, nur weil das erwartet wird.

kall
14 Jahre zuvor

Eigentlich mag ich Littmann ja , er hat sowhl für Schwulenszene als auch für seinen Verein einges geleistet, aber er zieht da doch ein paar entscheidende Fehlschlüsse, beispielhaft dieses:

ZEIT ONLINE: … Sind wir nicht befreiter denn je, haben sehr viele Möglichkeiten?

Littmann: Nein, die Menschen nutzen sie in der Regel ja nicht …

Ist das jetzt die Schuld der Bestatter, der Angehörigen oder nicht eher die Verdrängung derer, die sich _eigentlich_ darüber Gedanken machen sollten?

Wenn man schwule Freunde so unter die Erde bringen und betrauern will, wie man sich das vorstellt, wozu man jedes Recht der Welt und auch gute Gründe hat, dann sollte man sich doch auch _mit_ diesen Freunden bezeiten Gedanken darüber machen und entsprechende Vorsorge treffen. Dass kann ggf. auch Verfügungen betreffen, über die sich die Angehörigen im Zweifelsfalle nicht hinwegsetzen können.

14 Jahre zuvor

Als meine Omi im August gestorben ist, hat sich die Rednerin mit uns 2 Stunden hingesetzt und hat sich alles angehört, was wir über meine Omi sagen konnten. Sie hat sich Bilder angeschaut, und ich denke, sie konnte sich dadurch ein gutes Bild machen. Die Rede war jedenfalls wunderbar und passte perfekt!

turtle of doom
14 Jahre zuvor

@ Claudia: Dasselbe erlebte ich gerade im Juli nach dem Tod meines Grossvaters. Wunderbare, wirklich zum Lebensinhalt des Verstorbenen passende Analogien konnte der Pfarrer erzählen…

…und der Pfarrer sass auch einige Stunden mit der Grossmutter und ihren Kindern zusammen, um über sein Leben zu reden.

Gloria
14 Jahre zuvor

Als ich meinen ganz überraschend verstorbenen Lebensgefährten beerdigen lassen musste, habe ich mir viel Mühe gegeben, mit dem Freundes- und Verwandtenkreis Themen für die Trauerrede zusammenzustellen. Ich habe diese Sammlung der mir empfohlenen Trauerrednerin auch bei einem persönlichen Termin schriftlich überreicht. Sie hat das dann allerdings in ihrer Trauerrede nur gekürzt und in einem Punkt auch falsch wiedergegeben. Dran gehängt hat sie ganz unabgesprochen einen langen Sermon dazu, wie ich richtig zu trauern hätte. Ich war ihr wohl in unserem Gespräch zu gefasst erschienen, so dass ihre psychologischen Instinkte geweckt worden waren. Ich hab es auf sich beruhen lassen. Wenn man ernsthaft trauert, kann man nicht auch noch Streit gebrauchen.

Big Al
14 Jahre zuvor

@ Gloria.
Das war dann wahrscheinlich eine Trauerrednerin von der Sorte: „Wird mit sich selbst nicht fertig und projeziert ihre Probleme auf die eigene Kundschaft.“
B. A.

Ma Rode
14 Jahre zuvor

… oder schlimmer noch; warten, bis die arme Trauernde endlich umfällt. Das kommt, wirst sehen …
Ich kenn das. Viele aus meinem Umfeld glaubten, ich sei verhaltensgestört, nur weil ich nicht jahrelang in Trauerklamotten umherlief und laut klagend den Namen meines verstorbenen Mannes ausrief. Statt dessen ging ich mit Freunden ins Kino oder traf mich mit der Clique auf irgendwelchen obskuren Fahrzeugtreffen.
Dass ich zuhause nächtelang nicht pennen konnte, sah ja keiner!

Garfield
14 Jahre zuvor

@ Gloria:

Du bist zurecht empört. Und Streit hätte ich an Deiner Stelle wohl auch nicht angefangen. Die Dame hat ein leicht falsches Bild vom eigenen Beruf, so scheint es mir.

@ Ma Rode:

Einige Menschen verstehen nicht, dass jeder einen eigenen Weg der Trauer hat. Ich selbst würde mich wahrscheinlich auch auf Menschen konzentrieren, die ich gerne um mich herum habe.

Big Al
14 Jahre zuvor

@ Ma Rode.
Nicht den Erwartungen seiner Umgebung zu entsprechen ist ganz einfach: Im sog. small-talk „Wie geht`s?“ mal ernsthaft zu beantworten („Mir geht es besch.ssen, Danke der Nachfrage.“) führt da schon ins gesellschaftliche Abseits…oder den fragenden Dummdödeln vor Augen wie oberflächlich sie sind.
Wobei letzeres eher selten eintritt.
Wegen mangelnder Selbsterkenntnis und so.
B. A., heute eher trübe drauf ( = passend zum Regenwetter eher „grau“ gelaunt)

Ma Rode
14 Jahre zuvor

@Garfield, Big Al: ich hatte meinen Weg zum Trauern eben anders gewählt, das passte nicht in die typische Umwelt. Es gab auch Leute, die sich nicht trauten, mich anzurufen. Denen nahm ich es nicht übel, solange sie mir gegenüber ehrlich waren. Wo ich am liebsten erbrechen könnte, sind diese typischen Floskeln wie „Herzliches Beileid“. Watt denn nu? „Herzlich“ klingt so verlogen, weil die Leute mich doch garnicht kennenn und „Beileid“ hört sich nach Beischlaf an! Na danke!

Gloria
14 Jahre zuvor

@ Ma Rode
Ich glaube, wir sind uns in diesem Punkt sehr ähnlich. Ich habe getrauert, wenn ich bei ihm war: In der Aufbahrungs-kammer, am Grab, alleine in unserem Haus, bei der Auflösung des Haushalts, beim Durchsehen und Entsorgen aller seiner Papiere und und und.
Wenn ich bei der Arbeit oder sonst unter Menschen war, war es gut, mal eine Pause machen zu können. Da konnte ich es gar nicht gut haben, wenn jemand verspätet – in aller Unschuld – noch mal eben kondolieren wollte.




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