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Dahoam

Schon ganz früh kam der Anruf eine Kundin, ihre Mutter sei gestorben und wir möchten bitte mit dem Sarg kommen.
Aha, habe ich gedacht, wieder jemand, der es eilig hat, aber mit dem Sarg wohin zu fahren ist aus zweierlei Gründen so eine Sache. Zum einen wäre es ja ganz praktisch, wenn die Leute vorher einen ausgesucht hätten und zum anderen erlauben es die Treppenhäuser oft nicht, mit einem Sarg in die Wohnung zu marschieren.
Das erläutere ich der Kundin auch und sie sagt: „Ach bei uns kommt man gut rein, geht alles geradeaus und sind nur drei Stufen. Nehmen sie einen hellen Eichensarg.“

Nun gut, wir sind also mit einem hellen Eichensarg dorthin gefahren.
„Haben sie keine Böcke?“ fragt die Frau, die uns an der angegebenen Adresse empfängt.
„Böcke?“
„Ja, so Unterstelldinger für den Sarg.“
„Wozu brauchen wir die hier?“ frage ich zurück.
„Wir wollen den Sarg mit der Mutter hierbehalten und sie zu Hause aufbahren.“

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Das gefällt mir! Wie oft schlage ich das den Leuten vor und die allermeisten wollen das nicht, ja empfinden es geradezu als Zumutung.

Wir haben für den Notfall noch ein zusammenklappbares Fahrgestell für Särge im Unterboden des Bestattungswagens, den können wir der Familie dalassen. Wenn sie wollen, können sie die Mutter dann ja auch noch ein bißchen herumfahren. Jetzt nicht so zum Spaß, aber so ein großer Sarg kann ja auch mal im Weg sein, etwa weil man ein Fenster öffnen will und da kann es praktisch sein, ihn bewegen zu können.

Es sind unsere Kundin, eine Frau von gut 50 Jahren, ihr Mann und zwei junge Erwachsene von etwa 20-22 Jahren anwesend. Die Mutter bzw. Oma liegt in einem Bett und wird gerade von den jungen Leuten fertig angekleidet, während der Hausherr eine Waschschüssel hinausträgt. Unsere Kundin klärt uns auf: „Wir haben Mutter jetzt gewaschen und angezogen, wenn Sie den Sarg da drüben hinstellen, können wir sie hineinlegen.
Also bauen wir das Untergestell und den Sarg auf, nehmen den Deckel ab und richten das Kissen. Zu Viert versucht die Familie die Mutter anzuheben, aber ich sehe gleich, daß das nichts wird. Sie versuchen krampfhaft, die Mutter ganz würdig hochzuheben, aber entweder fällt ein Arm herunter oder der Kopf hängt grotesk nach hinten.

„Wenn Sie erlauben, machen wir das“, schlage ich vor und der Hausherr sagt: „Ja, das wird besser sein, Sie haben da mehr Erfahrung.“

Es ist etwas eng im Zimmer, deshalb bitte ich die Familie kurz in den Gang zu gehen und noch während die sich da sortieren, haben mein Mitarbeiter und ich die Verstorbene gepackt und mit einem kurzen Schwung in den Sarg gelegt. Natürlich kann man einen Verstorbenen einfach an den Armen und an den Beinen anfassen und hochheben. Der Nachteil ist aber, daß so Arme für gewöhnlich recht lang sind und man doppelt so hoch heben muß, um etwas zu bewirken. Außerdem hängt der Kopf nach unten und stößt als Erstes auf dem Sargboden an. Also, dem Verstorbenen macht das am wenigsten aus, um es gleich zu sagen. Aber perfekt und richtig geht es so: Man legt die Arme des Verstorbenen über seine Brust. Einer greift die Füße des Verstorbenen und der andere nimmt den Kopf. Dabei legt man eine Hand ans Hinterhaupt. kurz über dem Nacken und die andere Hand greift unters Kinn. Wenn man den Verstorbenen jetzt etwas gestreckt hält, kann man ihn sehr einfach und ohne Verrenkungen bewegen und einbetten.

„Jetzt haben wir gar nicht gesehen, wie Sie das gemacht haben, das ging ja fix“, staunt der Sohn.

36 Stunden wird die Tote jetzt zu Hause aufgebahrt, man will Kerzen anzünden und die ganze Nacht Totenwache halten.

Ich finde das sehr schön. Vielleicht ist man ja doch noch eine Weile in dem leblosen Körper, bevor man irgendwie entschwebt, wer weiß? Da kann es sicher ein gutes Gefühl sein, wenn man nicht allein in einer kühlen Aufbahrungszelle liegt, sondern die Familie noch bei einem ist.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

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(©si)