Geschichten

Der Blonde mit dem irren Blick -1-

Falk mein Name, Heiner Falk!“

So stellte sich der etwa 1,90 m große, schlanke Mann mit der blonden Heinrich-Himmler-Frisur bei mir vor.

„Sie suchen doch einen Bestattungshelfer, oder?“

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„Ja sicher, nehmen Sie Platz!“, sagte ich und wies mit der Hand auf den Stuhl gegenüber meines Schreibtisches.

Der Lange setzte sich vorsichtig, nicht ohne vorher mit der flachen Hand über die Sitzfläche zu wischen, so als ob da ein Stäubchen gelegen hätte.
Er sei Schreiner von Beruf, ein toller Typ, habe ein kleines Kind, eine Frau und wolle sich jetzt mal beruflich verändern. Nein, gekündigt habe man ihm nicht, er sei nur länger krank gewesen, was mit dem Darm. Aber jetzt gehe es wieder und da wolle er zu neuen Ufern aufbrechen und frisch ans Werk gehen, und das am liebsten in einem Betätigungsfeld, das ihn schon immer sehr gereizt hätte, nämlich als Leichenwäscher, Sargträger und Fahrer.

Nun gut, er machte soweit einen guten Eindruck, seine Kleidung stammte zwar vom Schnitt her aus den 50er Jahren, war aber sauber und gepflegt.

„Ich bin auch zuverlässig, pünktlich und ehrlich“, fügte der Blonde noch hinzu und ich nickte: „Okay, probieren wir’s mal miteinander. Unser Fahrdienstleiter Manni wird Ihnen alles zeigen, arbeiten Sie mal die restlichen Tage der Woche zur Probe, auf Stundenlohnbasis, und dann sprechen wir am kommenden Montag mal, wie’s weitergeht.“

Er freute sich, sprang auf und kam auf mich, der ich auch aufgestanden war, zu und umarmte mich stürmisch: „Danke, danke! Sie glauben ja gar nicht, wie gut das tut, so einen netten und lieben Menschen kennengelernt zu haben.“

Etwas erschrocken ob des heftigen Gefühlsausbruchs wich ich etwas zurück, lächelte nur unbeholfen und setzte ein nicht ganz überzeugtes Lächeln auf. „Wird schon!“ war das Einzige, das mir einfiel.

In den nächsten Tagen berichtete Manni mir regelmäßig von den Fortschritten, die Herr Falk machte und ich gewann einen durchaus positiven Eindruck von dem Mann.

„Nee, echt jetzt, Chef, dem ist keine Arbeit zu viel, dem ist nix zu schmutzig und der ist immer als Erster zur Stelle, wenn’s was zu tun gibt“, freute sich Manni über den Zuwachs in seinem Team.

„Gut, dann nehmen wir den, oder?“

„Ja, von mir aus schon, ich komm‘ gut mit dem klar.“

Es kam der Montag, ich ließ Herrn Falk zu mir hoch kommen und fragte ihn nach seinen ersten Eindrücken.

Seine wasserblauen Augen glänzten und dieser Glanz war der Glanz von bevorstehenden Tränen, die er sich dann aber verkniff. Statt meine Frage zu beantworten, sagte er: „Sie erinnern mich an mein‘ Vadder!“

„Ach was?“

„Ja, jetzt nicht so vom Aussehen her, aber so von der Art. Also jetzt mal so gesagt, der war ja ganz anders, mehr so streng und so mit Verhauen, also eigentlich doch nicht so wie Sie, aber Sie sind so wie ich mir’n Vadder so vorstell‘.“

„Äh“, machte ich nur und tippte auf den vor mir liegenden Arbeitsvertrag: „Hier habe ich einen Arbeitsvertrag für Sie, erstmal sechs Monate Probezeit. Das machen wir immer so, weil unser Beruf doch besondere Anforderungen an Körper und Geist stellt und man oft erst nach ein paar Monaten merkt, ob man das wirklich packt oder nicht. Wenn Sie einverstanden sind und Ihnen der Lohn zusagt, dann können Sie den heute im Laufe des Tages bei Frau Büser vorne im Büro unterschrieben abgeben. Nehmen Sie ihn ruhig mit, lesen Sie ihn sorgfältig und wenn Sie Fragen haben, helfen Ihnen die Damen im Büro gerne.“

„Jau, Vaddi“, sagte Herr Falk, zog dabei schelmisch kurz den Kopf zwischen die Schultern, knipste mir ein Äuglein und grinste verschwörerisch, dann ging er.

Ich blieb kopfschüttelnd zurück.

Antonia kam herein: „Boah, ist das ein scharfes Sahnestückchen. Haben Sie gesehen, Chef, was der für Oberarme hat?“ Sie rieb sich die Hände.

„Aber Mädchen, der ist doch verheiratet!“ schimpfte ich mit gespielter Strenge.

„Was? Der? Nö! Der hat uns erzählt, daß er nur ’ne Freundin hat, ne Sängerin.“

„Vielleicht ist er nicht verheiratet, aber der lebt in einer Beziehung, der hat doch ein Kind mit dieser Frau.“

„Ach was! Sie wissen aber auch gar nicht Bescheid, Chef! Der hat eine Frau und mit der hat er ein Kind, aber mit der ist der nicht verheiratet, sondern die leben nur zusammen, das heißt da lebt der drei Tage die Woche. Die anderen Tage ist der bei der Sängerin. Das weiß ich aber ganz genau, ich hab mich nämlich bei dem erkundigt. Bei so einem tollen Typen muß man doch wissen wo man dran ist, oder?“

„Sicher doch“, sagte ich und winkte Antonia mit der Rückseite meiner Hand aus meinem Büro.

Doch ich sollte wieder nicht zum Arbeiten kommen, diesmal war es Sandy die rein kam: „Haste gesehen, Chef, was der für Augen hat?“

„Ach nee, nicht Du auch noch, Sandy! Dreht ihr da draußen jetzt alle hohl, nur weil einer gut aussieht?“

„Ich? Nee, ich nicht, Chef, ich hab grad mal wieder die andere Phase. Keine Männer, bloß nicht! Mein Typ heißt Nadeschda!“

„Und was ist mit seinen Augen? Auf der einen Seite lebst Du gerade Deine bisexuelle Neigung zur weiblichen Seite hin aus und auf der anderen schwärmst Du von Herrn Falks Augen.“

„Nein, nein, nein! Der guckt irre! Das wollte ich Dir sagen.“

„Irre?“

„Ja, der is‘ voll Panne, der hat’se nicht alle, glaub mir, Chef!“

„Ach komm, wo hast Du denn Psychologie studiert?“

„Gar nicht, aber glaub mir, der hat sowas in den Augen, was ganz Irres!“

„Dann paßt’s ja, daß Antonia den toll findet.“

„Ach die, die ist so untervögelt, die findet alles toll, was auf der Rutsche nicht quietscht“, flapste mir Sandy noch hin, bevor sie mein Büro verließ.

Wir hatten viel zu tun in dieser Zeit und ich hatte das Gespräch mit den beiden jungen Frauen längst vergessen. Es waren auch schon einige Tage vergangen, da saß ich eines Abends vor dem Fernseher so vor mich in und ich weiß nicht, ob der geneigte Leser das kennt, ich fand überhaupt keine innere Ruhe, um mich dem belanglosen Treiben auf der Mattscheibe ausreichend konzentriert zu widmen. Mir gingen tausenderlei berufliche Dinge durch den Kopf und so sagte ich dann, als ich zum fünften Mal merkte, daß ich überhaupt nicht verstand, worum es da im Fernseher ging, zu meiner Frau: „Du, Allerliebste, ich laufe nochmal ’ne Runde mit dem Hund um den Block.“

Das tat ich dann auch. Der Hund freute sich über die zusätzliche Möglichkeit, nach draußen zu kommen und ich empfand die frische Luft als sehr wohltuend.

Ein paar Ecken weiter traf ich auf eine junge Rothaarige, die einen lächerlich kleinen Pinsel an so einer automatischen Aufroll-Leine durch die Gegend zog und fest und steif behauptete, auch dieser Fellwitsch sei ein Hund.
„Das soll ein Hund sein?“ fragte ich skeptisch: „Sind Sie sicher? Verstehen Sie mich nicht falsch, aber der ist doch kaum größer als ein Nagetier.“

„Das ist ein Malteser!“ sagte sie protestierend: „Mit Papieren!“

„Ach so. Na ja, wenn Sie das sagen.“

„Ado vom heißen Burggraben!“

„Angenehm, Peter Wilhelm.“

„Quatsch, nicht ich heiße so, sondern der Hund! Ado ist ein Männername!“

„Ado ist ne Gardinenmarke“, widersprach ich.

„Sie kennen sich wohl gar nicht aus mit Hunderassen, was?“ erregte sich die Rothaarige.

„Entschuldigung, daß ich gefragt habe, ich wollte ja nur wissen, ob das da für meinen Hund was zum Spielen oder was zum Fressen ist.“

„Hauen’se bloß ab, Sie!“ schimpfte die Frau und nahm den kleinen zitternden Hund flugs auf den Arm.

Natürlich kannte ich Malteser, aber irgendwie hatte es Spaß gemacht, mit der Frau zu plaudern.

Noch leicht vor mich in grinsend beendete ich die Runde vor unserem Haus und wollte gerade meinen Labrador Retriever ableinen, da bemerkte ich, daß aus einem der Lichtschächte vor dem Haus Licht aus unserem Keller drang. Es war nur ein schwacher Schein, aber doch, da war eindeutig Licht.

Da meine Leichen für gewöhnlich still und brav liegen bleiben und auch sonst kein Licht am Haus zu sehen war, wurde ich mißtrauisch.
Wäre Manni mit einem seiner Kollegen wegen eines nächtlichen Einsatzes da, dann hätte das Licht auf dem Hof gebrannt.

Also stand für mich fest, daß entweder einer meiner Angestellten mal wieder vergessen hatte, daß Licht auszuschalten, oder daß da unten ein Einbrecher am Werke war.

„Komm, Tibor!“ kommandierte ich mein Kalb zu mir und mit den 36 Kilo höchst gefährlicher Beißlust an der Leine, wovon der Hund allerdings keine Ahnung hatte, umrundete ich das Haus und ging langsam die Rampe zur Tiefgarage und zum Keller hinunter.

Nun wußte dieser Hund also nichts davon, daß er gefälligst gefährlich zu sein hatte und interpretierte mein gebücktes Schleichen als neues tolles Spiel und begann an mir hochzuhüpfen.
„Pscht!“ machte ich und versuchte mit dem tollenden Hund so leise wie möglich zu sein.
Nur noch um eine Ecke, dann die Abfahrt runter und durch die kleine Tür an der Seite.
Ich war gerade an der Ecke, da blitzte vor mir etwas auf und…


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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 11 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 17. Februar 2014

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3 Kommentare
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10 Jahre zuvor

„”Ado vom heißen Burggraben!”

”Angenehm, Peter Wilhelm.” xD

Bin gespannt, wies weitergeht.

melonja
10 Jahre zuvor

Och menno… wie soll ich denn jetzt schlafen können bis zur Fortsetzung 🙂
Bin sehr gespannt, wie es wohl weitergeht.

uli-mit-hut
10 Jahre zuvor

…. wies weitergeht …. ??? Aber HURTIG bitte … bitte … bitte … BITTE !!!




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