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Der frühe Vogel

Daß morgens früh bei uns das Telefon klingelt, das ist nichts Ungewöhnliches. Der Tod hält sich an keine Bürostunden, der Lümmel. Neulich rief um Punkt 9 Uhr eine ältere Dame an und sagte, ihr Mann sei schon am Abend verstorben, aber bis dann der Arzt da gewesen sei, das habe gedauert und dann wollte sie nicht mehr bei uns anrufen: „Sie brauchen ja auch Ihren Schlaf.“
Nette Dame.

Heute Morgen um 6:45 Uhr klingelt das Telefon und ich taste nach dem Hörer. Eigentlich hat doch Manni Telefonbereitschaft und alle Gespräche müßten zu ihm umgeleitet werden. Meine Frau maunzt: „Es ist die Privatleitung.“

Ich melde mich und aus dem Hörer klingt mir eine laute und äußerst fröhliche Männerstimme entgegen: „Rönsch! Sie hatten um einen Anruf gebeten.“

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„Wie bitte?“

„Rönsch!“

„Das hatte ich verstanden, um was geht es bitte.“

„Sie hatten um einen Rückruf gebeten.“

„In welcher Sache? Ich weiß gerade nicht….“

„Sie hatten ein Kreuzchen gemacht, daß Sie ein persönliches Kandidatengespräch wünschen.“

„Wer sind Sie denn?“

„Rönsch!“

Wenn der jetzt noch einmal ‚Rönsch‘ sagt, hole ich ihn durch die Hörmuschel zu mir herüber und haue ihn.
Doch dann erklärt er endlich:

„Jens-Oliver Rönsch, Kandidat der XYZ für den Gemeinderat. Sie hatten am Infostand ein Kreuz gemacht.“

Ich erinnere mich auf einmal. Es stimmt, ich hatte mich auf der Straße mit einem jungen Mann unterhalten, der mir mit ein paar bunten Fähnchen vor der Nase herumwedelte und meine Kinder wollten gerne welche. Jetzt ist das aber so, daß meine Kleine 11 ist und der Große 15. Da ist man natürlich zu alt, um noch mit Fähnchen oder Luftballons zu spielen… Zumindest mal wenn andere Kinder zugucken, da gibt man sich lieber pubertär. Daheim, wenn keiner zuguckt, ja dann ist man noch ganz gerne Kind und sitzt auch schon mal bei Papa auf dem Schoß und spielt in der Badewanne noch mit Quietscheentchen.
Ich sah es meiner Tochter an, sie wollte so ein Fähnchen, hielt es aber für unter ihrer Würde sich selbst eins zu holen und dann auch noch nach Hause zu tragen, also mußte Papa ran.
Dieser junge Parteifuzzi war glücklich, daß endlich einer stehenblieb, schenkte mir einen Kugelschreiber, zwei Fähnchen und seine Aufmerksamkeit. Er habe auch wunderbare Mappen, aus Kunstleder, mit Taschenrechner drin, davon könne er mir für die Kinder auch noch zwei zukommen lassen, wenn ich so einen Zettel ausfülle und beim Kandidatengespräch ein Kreuz mache. Man ist ja gierig…

Ja und jetzt ist es kurz vor sieben und ich haben diesen Jens-Oliver Rönsch am Telefon und sage:

„Sie rufen aber früh an.“

„Na hören Sie mal, ich habe ein großes Tagwerk vor mir und wenn ich nicht früh anfange, schaffe ich mein Pensum nicht.“

Dann erzählt er mir etwas über wichtige kommunalpolitische Themen, vergißt den Seitenhieb auf die Berliner Politik nicht und berücksichtigt in seinen Ausführungen auch den Einfluß der Europa-Kommission auf unsere lokalpolitische Entwicklung…

Um halb acht weckt mich meine Frau, ich habe immer noch den Hörer am Ohr, aber die Leitung ist still…


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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 15. Mai 2009 | Revision: 28. Mai 2012

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Sonja
15 Jahre zuvor

Örgs, solche Weckanrufe auf der Privatleitung würden bei mir ja hemmungslos durchklingeln. Oder ziemlich schnell beendet werden.

Armer Tom.

sven
15 Jahre zuvor

lol
Sowas mag ich aber auch, wenn man um den Schlaf gebracht wird. Bei mir ist es zwar eher andersrum (ich stehe meist früh auf, geh dafür aber früher schlafen), aber ich liebe es, wenn man gerade in der Tiefschlafphase abends um halb 12 mit irgendwelchen belanglosen Sachen aus dem Bett geklingelt wird.
Was denken sich diese Leute eigentlich dabei? O.K., vielleicht denken sie auch gar nicht…
Seit einiger Zeit habe ich mir daher angewöhnt, bei unangekündigten Anrufen abends ab 20 Uhr nicht mehr dran zu gehen und mein Telefon auf lautlos gestellt. Das geht für Tom als Selbständiger natürlich kaum.

15 Jahre zuvor

Normalerweise fange ich jeden Tag so gegen 5 Uhr an. Sonst würde ich das mit Weblog usw. gar nicht schaffen. Aber ausgerechnet an diesem Tag wollte ich mir mal zwei Stunden mehr gönnen.

War spät gestern.

Andreas Lechthaler
15 Jahre zuvor

@ TOM.
„Man ist ja gierig…“
Selbst schuld.
🙂 Lechthaler

Ma Rode
15 Jahre zuvor

Kommunalpolitiker, die mich vor dem Aufstehen anrufen, gehören auf meine ganz private Hassliste. Trotz Fähnchen und Taschenrechner … Na, immerhin hatte Dein Wahlgeier wenigstens einen geduldigen „Zuhöhrer“.

O-Ton (von ich weiss nicht mehr, woher)“OK, wir machen das mit den Fähnchen!“

Hajo
15 Jahre zuvor

Ist der Rönsch in derselben Partei wie Dr. Popper?
http://bestatterweblog.de/archives/Der-fruehe-Vogel-kann-mich-mal/2125

Agy
15 Jahre zuvor

@5 Sparkasse ;o))

Elch
15 Jahre zuvor

Ich habe gerade einen Rückruf im Briefkasten vom Telefon. Angerufen hat der mich am Arbeitsplatz um 6.03. Da hatte ich noch meinen Schlafanzug an *staun*

Veit
15 Jahre zuvor

Und ich dachte, daß jetzt die Frage kommt ob jemand „Reinsch“ heißt

Chrissly
15 Jahre zuvor

Ich habe tatsächlich einen Geschäftskontakt, der Reinsch heißt! Muss jedesmal schmunzeln, wenn dieser anruft…

Allen ein schönes Wochenende!!!

15 Jahre zuvor

@Hajo: Der war zwei Jahre sein persönlicher Referent und wirbt auf den Wahlplakaten mit dem Zusatz „Der Neue“.

Hajo
15 Jahre zuvor

@Tom: Hab ich es mir doch gedacht 😉

15 Jahre zuvor

es ist ein Zeichen guten Geschmacks, wenn man am Telefon einschläft, wenn Politiker anrufen. Hast alles richtig gemacht 🙂

Emz
15 Jahre zuvor

Ich weiß schon, warum ich einen groooßen Bogen um derlei Stände in der FuZo mache. Da komm ich gar nicht erst in die Versuchung irgendwo ein Kreuzchen zu platzieren.

Stefan
15 Jahre zuvor

Wer gierig ist, muss leiden; es lässt sich leider nicht vermeiden…

zeco
15 Jahre zuvor

lass mal Tom es gibt schlimmeres. Ich arbeite in ner Stadtverwaötung oder besser ich habe da eine Ausbildung. Als mich letztes jahr im meinem Urlaub früh um 7 angerufen hat um mir zu sagen das ich heute nicht auf arbeit kommen brauche weil ich Urlaub habe, war ich kurz davor doch hin zu fahren. Da wäre jemand dann erwürgt worden.

Zia
15 Jahre zuvor

Ach, solange nicht die Nüsselschweif auf den Trichter kommt, per Telefonterr… ääähh Telefonaquise um Wählerstimmen zu buhlen, ist doch alles halb so schlimm.
😀

Zia

i--h
15 Jahre zuvor

Soll sie doch – gründlicher kann man seine Wähler kaum vergraulen… 😀

ich
15 Jahre zuvor

der frühe Vogel fängt den Wurm….. aber die zweite Maus bekommt den Käse 😉

Kirstin
15 Jahre zuvor

@9
Bei meinem Sohn heißt der Lehrer „Dünsch“…. 😀

Claudia
15 Jahre zuvor

Der frühe Wurm wird vom Vogel gefressen

bientago
15 Jahre zuvor

Nein, der späte!
(aus der Perspektive des Wurms)

Kalinka
15 Jahre zuvor

Ja ja, immer diese politikverdrossene Jugend. Einfach bei einer lokalpolitischen Diskussion einschlafen, sowas hats bei uns damals nicht gegeben. Wenn da jemand eingeschlafen wäre, der käme gleich auf die Liste, da kannste aber Gift drauf nehmen.

De Ville
15 Jahre zuvor

Wieso zur Hölle kommt man auf die Idee und gibt seine – korrekte – Privatnummer auf irgendwelchen Formularen an?

Dafür habe ich mir schon vor langer Zeit eine 01805- und eine 0900-Weiterleitung zugelegt. Je nach Pflegegrad wird dann die eine oder andere angegeben und wer mich dann zu dem Preis anruft, der hat wirklich etwas wichtiges loszuwerden. Die Nummern gibt es übrigens kostenlos, einfach mal „googlen“.

MacKaber
15 Jahre zuvor

Das war doch eine eindeutige Hilfe für die Wahlentscheidung.

15 Jahre zuvor

Ich hätte den Hörer neben dem Bett gelegt und währe eingeschlafen.

LOGGEDin
15 Jahre zuvor

Einer meiner Lehrer hieß Hinsch. Der Witz daran ging mir aber erst Jahre später auf…

Micha
15 Jahre zuvor

Tom, ich finde es gut wie du das moderne Morgenmuffeltum kultivierst.

Ich würd dich sofort wählen.

Kempeth
15 Jahre zuvor

@FoolMoon

Das hat Tom ja auch gemacht, oder so ähnlich…
[quote]Um halb acht weckt mich meine Frau, ich habe immer noch den Hörer am Ohr, aber die Leitung ist still…[/quote]




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