Allgemein

Der ganz kleine Kreis

Rechtschreibung geprüft

„Wir wollen dann aber die Trauerfeier in ganz kleinem Kreis feiern. Es kommen höchsten vier bis sechs Personen.“

Das waren die Worte von Frau Doktor Schwiebel, die zwar niemals eine Universität von innen gesehen, aber gut akademisch geheiratet hat und felsenfest auf der Anrede mit ‚Frau Doktor‘ besteht. Frau Doktor Schwiebel zählte nochmals an den Fingern ab, ob sie mit der Zahl vier bis sechs richtig lag, nickte bestätigend und fragte: „Denken Sie, daß Sie das hinbekommen?“

Was soll man da hinbekommen? Mir kann es doch egal sein, ob die zu sechst oder mit sechzig Leuten in der Trauerhalle sitzen, unser Teil beschränkt sich hauptsächlich auf den Transport und das ordentliche Hinstellen des Verstorbenem in seinem Sarg und da stellen wir ja bekanntlich nicht weniger Leiche mit Sarg auf, wenn nur wenig Leute kommen. Der Organist zieht auch sein Ding durch und spielt alle drei Lieder und nicht nur das kleine Kurze. Ja selbst die Gräber sind bei kleineren Beerdigungsgesellschaften voll ausgeschachtet.

Werbung

Frau Doktor Schwiebel bringt sich in Erinnerung und weckt mich aus meinen Gedanken: „Na? Kriegen Sie das hin?“

Ich nicke und sage: „Sicher, sicher, Frau Schwiebel.“

„Frau DOKTOR Schwiebel, ja?“

„Ja, selbstverständlich.“

„Und wie stellen Sie sich das vor?“

„Wie stelle ich mir bitte was vor?“

„Na, das mit unserer kleinen Trauergesellschaft? Sie wollen uns ja wohl nicht in die große Trauerhalle setzen, oder?“

Ich hatte schon daran gedacht, daß die sich, wie alle anderen Leute auch, in die große Trauerhalle setzen, eine andere Alternative gibt es auf dem Friedhof nicht… Moooment, da fällt mir ein, daß die Stadtverwaltung sich vor Jahren damit gebrüstet hat, man habe da jetzt extra für kleine Trauergruppen einen Nebenraum im Anbau entsprechend hergerichtet.
Ob es den noch gibt? Meines Wissens hat da nur ein einziges Mal eine Trauerfeier stattgefunden, jedenfalls hörte man dann nie wieder etwas davon.
Ich werde mich beim Friedhofsverwalter erkundigen und zu Frau Schwiebel sage ich: „Wir werden unser Bestes tun, ich melde mich deswegen noch bei Ihnen.“

Später am Tag fahre ich zum Friedhof, spreche mit dem Verwalter und der zieht eine Fresse, als habe ich ihm gerade eine Räuchersalami in den Gehörgang geschoben: „Nee, nich wirklich, was?“

„Warum denn nicht? Gibt es den kleinen Raum nicht mehr?“

„Schon, abba datt war mal voll die Schnapsidee von irgennem Sesselfurzer. Man kommt mittem Sarch nich umme Ecke, nich richtich wenigstens un gezz stehta Gerümpel drin, abba bis Unterkante Oberkiefer!“

„Das war doch eine Idee von Eurem Leitenden Verwaltungsdirektor Abteilung Friedhofswesen, Herrn Mögel persönlich.“

„Sachich doch: Sesselfurzer!“ Er macht eine wegwerfende Handbewegung und bedeutet mit dann, ihm zu folgen. Er schließt mir den kleinen Raum im Anbau auf und ich sehe ihn in all den vielen Jahren zum ersten Mal. Eigentlich ein ganz niedlicher Raum, etwas größer als eine Doppelgarage, weiß getünchte Wände, zwei fast schon an Kirchenfenster erinnernde hohe Fenster und eine kleine elektrische Orgel in der Ecke. Die vielleicht dreißig Stühle stehen gestapelt an den Wänden.

Ansonsten ist der Raum ziemlich vollgestellt: Alte Gerätschaften, kaputte Stühle und Bänke… Es würde eine Woche dauern, den wieder leerzuräumen. Der Friedhofsverwalter ist sonst immer sehr nett und ich will ihn nicht verärgern: „Ich überleg mir das nochmal und melde mich.“

Er ist zufrieden, schließt wieder ab und damit ist das Thema für ihn abgehakt.

Vom Büro aus rufe ich bei Frau Schwiebel an und will ihr vorschlagen, die Trauerfeier doch bei uns im Haus abzuhalten, da können wir die Trennwand runterlassen und einen kleinen Raum schaffen.

„Nein, nein, das brauchen Sie nicht, ich habe schon mit Herrn Verwaltungsdirektor Mögel gesprochen und der hat mir was ganz Phantastisches angeboten. Warum bieten Sie mir denn den kleinen Raum auf dem Friedhof nicht an? Der ist doch extra vor einiger Zeit für kleine Trauerfamilien errichtet worden. Herr Mögel war auch ganz erstaunt, hat mir dann aber gesagt, daß die gewerblichen Bestatter sich da nicht so auskennen.“

Ich will noch was dazu sagen, doch Frau Doktor unterbricht mich: „Sie machen das klar, nicht wahr?“ Ja, und dann legt sie auf.

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich rufe den Friedhofsverwalter an, schiebe die Schuld auf seinen Chef und der willigt zähneknirschend ein, den Raum am nächsten Tag leerzuräumen und dann säubern zu lassen.

Ich glaube, ich habe einen ‚Freund‘ verloren…

Die Trauerfeier soll dann einen Tag später schon stattfinden.

Doch am Abend vorher ruft Frau ‚Doktor‘ an: „Sie, kurze Info für Sie: Es kommt doch noch eine Abordnung von der Bruderschaft meines Mannes und auch aus der Familie mütterlicherseits kommen noch einige, wir werden so an die 75 Personen sein. Es können aber auch weitaus mehr werden, man weiß ja nie wer da alles kommt. Wir hatten ja eine ganzseitige Anzeige in der Zeitung und die Seite daneben war ja voll, die Uni, das Institut, die Höhere Gesellschaft von 1871 und noch viele andere hochgestellte Institutionen. Sie machen das, nicht wahr?“

Wie mache ich das jetzt dem Friedhofswärter klar?
Hoffentlich beißt der mir nicht den Kopf ab!

Vielleicht schenke ich ihm eine Räuchersalami.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#ganz #kleine #kreis #Lektorin A

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)