Geschichten

Der Hooligan

wolkenhimmel

Ich habe ein Auto, an dem vorne eine Kühlerfigur befestigt ist.
Die meisten Bestatter haben ein Auto, bei dem das der Fall ist.

Samstagabend parke ich bei einem Bekannten vor der Tür. Wir sitzen genau hinter dieser Glastür in seinem schönen, mediterran gestalteten Innenhof und trinken gemütlich ein Glas Hühnerbrühe.
Wie das bei Männern so ist, quatschen wir uns die Seele aus dem Leib. Mit anderen Worten: Wir sind nicht besonders laut.
Gegen Mitternacht sehe ich durch die Glastür, daß sich ein Schatten meinem Fahrzeug nähert. Dann gibt es ein häßliches Geräusch…

Jean, mein Freund, und ich schauen uns an. Uns ist klar, eben hat ein Bösewicht was Häßliches mit meinem Auto gemacht.

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Obwohl wir elektrisiert aufspringen, dauert es irgendwie fast drei Minuten, bis wir vor der Tür sind. Vermutlich hat unser Zusammenstoß und das anschließende Gestolpere diese Verzögerung verursacht.
Vor der Tür, auf der Straße sehen wir zwei junge Kerle, die schon 20 Meter von uns entfernt sind.

„Ey, hömma!“, ruf ich denen hinterher.

Der Kleinere nimmt die Beine in die Hand und rennt, so schnell er kann, von dannen. Das ist jetzt nicht soooo schnell, denn der Kerl ist sichtlich betrunken; oder aber er hat runde Füße; jedenfalls mag ihm das Davonlaufen nicht so völlig elegant vom Fuße gehen.

Der andere, der ein Fahrrad schiebt, hält ob meines „Ey, hömma!“ inne, zieht den Kopf zwischen die Schultern, und als ich ein „Ihr Drecksäcke“ hinterher sende, besinnt er sich, dreht um und kommt zu uns zurückgedackelt.

Zwar dackelte er, aber sie wie er dann vor uns steht, gleicht er mehr einem begossenen Pudel.

Ein Blick auf mein Auto macht klar: Einer von den beiden hat mir die Kühlerfigur abgerissen.

Ich gucke bedrohlich, grunze gefährlich und plusterte mich auf. Dem Fahrrad-Dackelpudel entfährt ein wimmerndes: „Der da war’s!“ Dabei deutet er auf den am anderen Ende der Straße Stehenden.

Ich will jetzt gar nicht wiederholen, was für Nettigkeiten ich dem Bedackelten alles an den Kopf geworfen habe. Jedenfalls behielt er seinen Wimmerton bei, zückte seinen Ausweis und versprach, seinen Kumpel am anderen Morgen herzuschicken.

Was soll man machen? Die Polizei rufen? Also diese Polizei, die dann immer so wichtig tut und bei der ich am Ende noch unter Verdacht gerate, den Fliehenden mit meiner Kühlerfigur beworfen zu haben, die der dann nur vom Boden aufgehoben hat?

Also beschließe ich, weiterhin bedrohlich zu gucken und zu grunzen.

Irgendwann habe ich dann lange genug bedrohlich genug gewirkt und knipse mit dem Handy den Ausweis des Dackels. Er lacht vor Erleichterung, weil keine Polizei gerufen wird. „Immer komm‘ ich in Schwierigkeiten, weil der da so besoffen ist.“

„Du hast morgen nix mehr zu lachen!“, brüllt der andere vom anderen Ende der Straße. „Dich mach ich nachher alle!“

Der Dackel zieht seinen Kopf noch mehr zwischen die Schultern, er gleicht schon fast einer Schildkröte.
Nun hat er ein bißchen Angst vom mir, dem Bedrohlichen, und dem anderen, der mit vorgedrückter Brust und geballten Fäusten langsam zu uns herüber kommt. Wiederum runden sich dessen Füße unter Alkoholeinfluß.

„Isch bin ä Hooligan!“, gröhlt der Fuzzi mich an. Der Fuzzi ist 1,70 m groß, kahlgeschoren, hat eine Schlägervisage und stolziert mit seinen runden Füßen in Springerstiefeln umher. „Mein Lebenszweck ist, anderen auf die Fresse zu hauen. Oder auf die Fresse zu kriegen, ist egal. Hauptsache auf die Fresse.“

„Kannste haben!“, meine ich beiläufig und plustere mich noch mehr auf. Der Hooligan guckt zu mir hoch, schluckt kurz und geht einen Schritt zurück: „Ich hab schon ganz andere auf die Fresse gehauen. Ich bin voll aggressiv. Ich bin voll drauf. Ich tu sie jetzt provozieren, jawoll!“
Sprichts und wirft mir die Kühlerfigur vor die Füße.

Ich frage ihn, ob er es normal findet, anderen Leuten ihre Sachen kaputt zu machen. Jau, findet er völlig normal. Normalerweise würde er so’ne Autos immer gleich abfackeln, oder so. Ob es jetzt was auf die Fresse gäbe?

Ich hab immer noch keine Lust, mir die Hände weh zu tun und sage: „Nachher, mein Freund!“

Er sei gar nicht mein Freund, ich sei ja selbst Schuld, „tu ihm ja nur provozieren tun“ und überhaupt wär ich ja der Schlimme, weil ich so’n aggressives Auto auf der Straße parke. Da müßt man sich nicht wundern, wenn Hooligans da echt aggro werden.
Dann zückt er unvermittelt seinen Ausweis, Jean fotografiert ihn, und grinsend steckt der Hooligan ihn wieder weg.

Ob er den Schaden denn bezahlen könnte, frage ich ihn. „Seh ich so aus?“, fragt er zurück.

Ich zucke nur mit den Achseln, der Kleine ballt die Fäuste und will auf Jean losgehen. „Der hat mich voll mit Angucken provoziert. Man darf einem Hooligan nicht in die Augen schauen!“

Also stelle ich mich ganz nah vor den Kleinen und gucke ihm fest in die Augen. Er weiß nicht, was er machen soll. Vorsichtshalber fragt er nach: „Haben Sie jetzt gar keine Angst vor mir?“

„Seh ich so aus?“, frage ich zurück.

Der Hooligan ist fassungslos. Er läuft auf der Stelle im Kreis, schüttelt die Fäuste und weiß offenbar in seinem besoffenen Kopf nicht wohin mit seiner Kraft. Aus Verzweiflung tritt er vor die Hauswand. Man hört, daß das weh getan haben muss.

„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, brüllt er in den Nachthimmel.

Meine Fresse, da kommt der gefährlichste aller Hooligans, begeht die schlimmste Straftat von allen, die das gesamte Establishment in den Abgrund stürzen wird, und dann beult er seine Muskeln aus, und keiner nimmt ihn für voll.

„Okay, noch so’n Auto steht hier ja nich. Aber da drüben issen Mercedes, da ist vorne auch was drauf, son Stern nämlich. Was, wenn ich den jetzt auch noch abbrechen tu?“

Zur Abwechslung grunze ich mal wieder gefährlich.

Der Fahrraddackel redet nun auf den Gefährlichen ein. „Komm, zu Hause hab ich noch ne Flasche Wodka. Da gehen wir jetzt hin, trinken die aus und schlafen dann. Und morgen gehen wir hierhin und bezahlen das.“

„Watt kost datt denn?“, will der Hooligan wissen.

Der Fahrraddackel schaut mich fragend an. Ich sage: „So 300 Euro ungefähr.“

„Wieviel Kohle haste denn?“, will der Hooligan vom Dackel wissen. Der antwortet: „280 Euro hab ich, für den Rest frag ich meine Oma.“

„Meinste Deine Oma gibt uns auch soviel, daß ich den Stern vom Benz jetzt auch noch abbrechen kann?“

Der Dackel dreht den Hooligan um, winkt uns hinter dessen Rücken zu und schiebt den besoffenen Hooligan die Straße runter. „Komm, Wodka trinken!“

Heute Morgen war der Dackel da, hatte 190 Euro dabei. War sein Erspartes. Der Hooligan habe nix. Ich hab den Dackel so laufen lassen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#auto #Hooligan #Kühlerfigur

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(©si)