Geschichten

Der Patentmann -10-

Herr Schade war fest entschlossen, alles zu tun, um doch noch irgendwie an den Teil des Erbes von Herrn Vockenroth zu kommen, der ihm seiner Meinung nach zustand. Doch drängt ihn die Zeit, irgendwann würde er nach Südafrika zurückkehren müssen und dann war er, so war meine Meinung, um keinen Deut ärmer oder reicher als vorher. Er hatte mir ansatzweise erzählt, wie fürstlich er dort lebte und wie großzügig alles ausgestattet war. An die 30 Autos aus allen Epochen nannte er sein Eigen und konnte es sich erlauben auch bei der Versteigerung wertvoller Kunst- und Einrichtungsgegenstände bei Sotheby’s telefonisch mitzubieten. Er würde also auch ohne dieses Erbe keinen Hunger leiden müssen.

Er hatte immer wieder versucht, Frau Maternas anzurufen, hatte Frau Bauer aufgelauert und war dennoch mit allem gescheitert. Die beiden Frauen ließen keine Kontaktaufnahme zu. Und so sehr mich der Mann und sein Schicksal auch interessierte, ich war nicht bereit, seinem Vorschlag zu folgen, ihm zu verraten, wann die Damen das nächste Mal zu uns ins Bestattungshaus kommen würden, damit er dann wie der kleine Klappenkasper hinter einem Vorhand hervorspringen könnte.

Aber mir kam da eine Idee, wie man ihm vielleicht doch noch helfen könnte, nicht bei seinem Erbe, nein; aber ich glaubte sowieso, daß es ihm nicht auf Geld ankam, da spielte etwas ganz anderes eine Rolle und ich glaubte zu wissen, was das ist.

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Unter anderem hatte er Frau Bauer einen ganzen Stapel Anwaltsschreiben, die anfangs noch eher positiv klangen, bevor seine Anwältin die Zusammenhänge näher kannte, zugeschickt. Dabei war ihm ein Fehler unterlaufen und er hatte auch das letzte Schreiben mitgesandt.
Das besagte ja, daß Kinder, wenn sie einmal von einem Ehemann der Mutter als eigen anerkannt worden sind, nur zwei Jahre Zeit haben, ihre Ansprüche gegen den eigentlichen Kindsvater geltend zu machen.

Darüber ärgerte sich Schade sehr, denn damit hatte er Frau Bauer ungewollt einen Haufen Argumente direkt in die Hände gespielt.

Die jedoch triumphierte!
Etwa eine Woche später kamen Frau Bauer und Frau Maternas zu uns ins Bestattungshaus, um das Vorgehen beim Beschriften des Podestes unter dem großen Engel zu besprechen. Ich war ganz erstaunt, als Frau Maternas unseren Bürodamen einige Packungen mit Weinbrandkirschpralinen mitbrachte.
Wir besprachen anhand von Katalogbildern verschiedene Schrifttypen und -größen, kamen jedoch auf mein Anraten zu dem Schluß, daß es besser sei, man ginge direkt zu einem Steinmetz.
Wir waren also mit dem Gespräch fertig, da sagte Frau Maternas: „Das zahle ich dann.“

Frau Bauer spitzte die Lippen, sodaß lauter kleine Fältchen rund um ihren Mund entstanden, machte dann ein schmatzendes Geräusch und sagte: „Wovon denn?“

„Na hör mal, morgen ist die Testamentseröffnung.“

„Da wirst Du leider in die Röhre gucken.“

„Ja, das weiß ich doch. Er hat alles Dir vermacht, als Alleinerbin, aber ich bin ja seine Tochter und da werde ich ja wohl meinen Teil abbekommen“, sagte Frau Maternas, lächelte breit und legte ihre Hand auf die ihrer Mutter, doch die zog ihre Hand zurück.

„Wenn Du Dich da mal nicht täuschst!“

„Was?“

„Ich mein ja nur.“

„Wie jetzt?“

„Du bekommst gar nichts, kein Erbe, keinen Pflichtteil, nichts!“

„Du spinnst wohl!“ keifte Frau Maternas und ihr hübsches Gesicht hatte sich in eine Fratze der Fassungslosigkeit und des Zorns verwandelt.

Mir war das unangenehm, daß die beiden Frauen sich ausgerechnet in meinem Haus stritten.
Doch Frau Bauer schien mich gar nicht mehr wahrzunehmen.

„Der Horst ist immer nur mein Verlobter gewesen, das weiß Du ganz genau! Der hat mich nie geheiratet, wegen dieser Frau Schade. Damals hat er sie mit 200 lumpigen Mark abgespeist und deshalb zeitlebens ein schlechtes Gewissen gehabt. Aber vor allem hat er diese Frau bis zu seinem Tod geliebt. Nur war er eben nicht Manns genug, um da irgendetwas gerade zu rücken oder für seinen leiblichen Sohn einzustehen. Und wegen dieser doofen alten Kuh hat er mich nie geheiratet!“

„Mutter, das weiß ich doch alles. Und dann hast Du Willi Maternas kennen gelernt und aus Trotz quasi über Nacht geheiratet.“

„Genau und mit dem war ich sage und schreibe drei Monate verheiratet, nur drei Monate. Aber in dieser Zeit bist Du zur Welt gekommen.“

„Ja und deshalb heiße ich Maternas, ich weiß. Das ändert doch aber nichts daran, daß Horst Vockenroth mein Vater ist.“

„Das vielleicht nicht. Biologisch mag das ja so sein, aber der springende Punkt ist, daß Du das alles seit Deiner Kindheit weißt.“

„Ja und?“

Und dann erklärte Frau Bauer ihrer Tochter genau den Sachverhalt aus Schades Anwaltsschreiben und daß sie keineswegs einen Pflichtteil beanspruchen könne.
Frau Maternas wurde blaß, ihr Mund wurde, das konnte man hören, wenn sie sprach, ganz trocken. „Aber Mutter, Du wirst mich doch jetzt nicht…“

„Doch, ich werde! Dir wird es nicht schlecht gehen, mein Kind, das verspreche ich Dir, aber das Erbe, das trete ich ganz alleine an.“

Danach begann ein heftiger Streit, der mir auch annähernd nicht mehr im Wortlaut in Erinnerung ist. Es ging um Familiendinge, um Beziehungen zwischen Tanten, Onkel und irgendwelche vergessenen Geburtstage, um ein nicht bezahltes Haus und einen Urlaub in vergangener Zeit. Es wurde quasi alles Negative auf den Tisch gebracht, das irgendwie einer der beiden Frauen auf der Seele lag.
Am Ende schnappte sich Frau Maternas ihre Handtasche und stürmte wutentbrannt hinaus. Dabei rief sie: „Du wirst von meinem Anwalt hören, das fechte ich alles an!“

Innerhalb von kaum zehn Minuten waren Mutter und Tochter zu Feindinnen geworden, hatte ich den Eindruck.

Frau Bauer zündete sich mit zitternden Fingern eine lange dünne Zigarette mit weißem Filter an und brauchte fast eine halbe Stunde, um sich zu beruhigen.
Ich schwieg, ging hinaus, holte Kaffee und Wasser, sie nahm nur etwas Wasser und dann sagte sie nur noch, mehr zu sich selbst als zu mir: „Nichts kriegt die, gar nichts, das wollen wir ja erst mal sehen!“

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