Während ich die Mappe mit den nötigen Unterlagen aufschlug und die passenden Formulare herauszog, hatte ich kurz weitere Gelegenheit, die beiden Frauen zu betrachten.
Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen und hätten, gäbe es da nicht den Altersunterschied, durchaus Zwillinge sein können. Schmales, gut geschnittenes Gesicht, blonde Haare, strahlende blaue Augen und eine etwas spitze, aber durchaus schöne Nase. Beide Frauen trugen offenbar den gleichen leuchtend roten Lippenstift.
Man kann durchaus sagen, daß es sehr gut aussehende Frauen waren.
„Können wir den albernen Papierkram nicht hinterher machen?“ fragte die Tochter, blickte auch auf ihre Uhr und drängte: „Lassen Sie uns doch erst die notwendigen Sachen raussuchen.“
„Wir sind hier schnell durch“, sagte ich und begann die persönlichen Daten des Verstorbenen abzufragen.
Als Auftraggeberin ließ sich Frau Bauer eintragen und unterschrieb, ohne eines der Formulare auch nur flüchtig zu überfliegen, alles mit einer schwungvollen, sehr großen Unterschrift.
Herr Vockenroth solle auf dem Zentralfriedhof in Reihe 2 beigesetzt werden, dort habe die Familie schon vor 30 Jahren ein großes Vierfachgrab gekauft, direkt neben dem Erfinder Soundso und dem berühmten Psychologen Professor Doktor Soundso.
„Mein Mann war ja doch sehr bekannt und da wollen wir ihm ein bleibendes Denkmal setzen. Das ist ein uraltes Grab, der Grabstein ist sechs Meter hoch. Unten der Sockel ist einsfünfzig, da kommt dann der Name drauf, darüber ein Podest und oben drauf ist ja der große trauernde Engel, Sie werde das Grab kennen“, erklärte mir Frau Bauer.
Ich kannte das Grab tatsächlich, es hatte früher einer bekannten Kaufmannsfamilie in der Stadt gehört, von der allerdings seit zwei oder drei Generationen niemand mehr lebte. Solche Prominentengräber kann man dann übernehmen, muß stets für die Instandhaltung von Grab und Grabmal sorgen und darf sich dann eines Tages selbst dort bestatten lassen. So bleiben besonders schöne Gräber, ohne Kosten für die Stadt, auf dem Friedhof erhalten.
Mir war aber aufgefallen, daß Frau Bauer ‚mein Mann‘ gesagt hatte, was ich sogleich hinterfragte.
„Ja, das ist so“, sagte sie, „wir waren ja seit 53 Jahren zusammen, haben diese gemeinsame Tochter, eben meine Tochter Ulrike hier, nur wollte Vockenroth nie heiraten. Ich habe es in all den Jahrzehnten nie geschafft, ihn dazu zu bewegen. Über die Gründe hat er sich immer ausgeschwiegen. Da war er eisern.“
„Los jetzt!“ drängte Tochter Ulrike wieder und ich füllte noch ein Formular für das Friedhofsamt aus, dann führte ich die Frauen in unseren Ausstellungsraum.
Sie gingen bis zur Mitte, berieten sich kurz leise tuschelnd und dann deutete Frau Bauer auf einen schweren Eichensarg, ganz gerade, fast schon quaderförmig geschnitten, dunkel und sehr schlicht aussehend. „Den da bitte!“
Frau Maternas war zu den Decken gegangen und hatte eine sehr teure aus Atlasseide hervorgezogen: „Die da!“
Das war es.
Der Verstorbene bekomme seinen dunklen Anzug an, inklusive Schuhe bitte, der Sarg bleibt aber sofort nach dem Einsargen zu. Beerdigung am kommenden Samstag.
„Wie? Am kommenden Samstag? Wir haben das doch noch gar nicht angemeldet und samstags wird auf dem Zentralfriedhof überhaupt nicht….“
„Ja, das dachten wir uns, deshalb habe ich heute früh schon den Dezernenten angerufen. Der Samstag steht, es werden etwa 500 Leute kommen, sie müssen also am Grab an die hundert Stühle für die Älteren aufstellen, Zeltdächer falls es regnet und Kunstrasen auf der ganzen Fläche, damit man sich seine Schuhe nicht versaut. Es kommt der Prälat persönlich! Und halten Sie uns die Presse fern! Am Grab kann nach der Beisetzung, wenn wir alle weg sind, fotografiert werden und den aufgebahrten Sarg mit dem Blumenschmuck kann die Presse eine Stunde vor der Trauerfeier fotografieren, dann müssen die aber verschwinden. Morgen gebe ich eine Pressekonferenz im Hyazinth-Hotel“, zählte Frau Maternas ihre Anweisungen auf.
So, jetzt müssen wir aber!“ rief sie, hakte ihre Mutter unter und nur dadurch, daß ich mich den beiden Frauen in den Weg stellte, konnte ich verhindern, daß sie einfach gingen.
„Moooment mal, das ist alles prima, daß Sie sich schon um einiges gekümmert haben und wir sind auch jetzt in wenigen Sekunden fertig, aber lassen Sie uns eben noch zwei kleine Formalitäten erledigen, das können wir draußen in der Halle in der Sitzecke machen, das dauert nur ganz kurz.“
Nö, nö, nicht mit mir! Hier den großen Willi machen, zig Sachen extra haben wollen und hinterher wegen zwei Euro fuffzich mir den Anwalt auf den Hals hetzen… Die sollten schön noch eben die Auflistung der Sonderwünsche unterschreiben.
„Albernes Zeug!“ schimpfte Frau Maternas, öffnete die Handtasche, zückte eine Kreditkarte und ‚befahl‘: „Die ziehen Sie jetzt mal flugs durch ihr Maschinchen, sagen wir 10.000 und das soll ja wohl reichen, pauschal für alles.“
Das reichte dicke. Okay, wenn es so sein soll…
Ich schrieb eine kurze Zusatzvereinbarung, daß die Familie auf einer pauschalen Abrechnung bestehe, 10.000 Euro vereinbart seien und diese Summe alles bisher Besprochene abdecke, jedoch nicht die amtlichen Gebühren, Kosten fürs Grabmal und Blumenschmuck oder Musik usw.
Frau Bauer setzte wieder ihre schwungvolle Unterschrift darunter und inzwischen hatte Frau Büser auch das mit der Kreditkarte erledigt.
Nein, wegen des Geldes würde es keine Probleme geben. Das ist nicht die Dramatik dieser Geschichte.
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Ich hab da einen üblen Verdacht … mal sehen, ob es so kommt.
bei dem Satz „nur wollte Vockenroth nie heiraten“ hab ich auch eine Idee bekommen wie es weitergehen könnte……
…..uiui, Nachtigall….. Bin SEHR gespannt!!!! 🙂
ich hör sie auch trapsen, bin mal gespannt ob ich Recht behalte
Es war die Lerche….
Mich dünkt, wir befinden uns hier bei Scheckspier.
Ich glaube, wir hören alle die gleichen Absätze klappern… 😀
Mach weiter, TOM. Ich muss bald weg zum Einkaufen. Bitte!
So, wieder daheim. Wann geht es weiter?
Na das riecht doch sehr nach einer Erbstreitigkeit die da noch kommt. Bestimmt ist da irgendwo noch eine Ehefrau und vielleicht auch noch Kinder…
Och man…. 🙁 Jetzt nimmst Du ja die ganze Spannung raus!
😀 Tom findet eh oft Sachen auf die nie einer kommt…
*mal kopfrechnet* 91 minus 53 gleich 38… doch, aus der Prä-Bauer-Phase kann jemand auftauchen mit mehr juristischer, wenn auch vllt nicht finanzieller Relevanz, wenn mir auch für TOM der geringere Gewinnrahmen leid täte. 🙂
Wäre ja auch zu einfach, wäre das die Wäre das die ganze Dramatik der Geschichte… Eine gradlinige Story!? Nenene, hier doch nicht!
Ja, ich hab da auch so meine Vermutungen… Plötzlich taucht ein eheliches Kind aus einer nie geschiedenen Ehe auf und die Madame Maternas hat maximal nur noch Anspruch auf den Pflichtteil.
Dieser Pflichtteil holt sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Aber erst muss sie natürlich bühnenreif Szenen machen, mit Anwälten und der Presse drohen, jeder schüttelt den Kopf und schämt sich fremd.
Frau Bauer tut mir jetzt schon leid, sie wird es aber wohl vernünftig wegstecken
Also solche dicken roten Heringe kann es gar nicht geben, dass Tom die hier so ohne weiteres auslegt. Da taucht garantiert noch eine rechtmäßig Angetraute auf, von der die Verlobte 53 Jahre lang nichts gewusst hat.
Wenn’s so kommt, hätten wir ja fast eine Wiederholung der Leuschner-Geschichte – ja, lernt Tom denn NIE dazu…?
😉
…oder es taucht der einetragene Lebenspartner des Herrn auf, den er 75 Jahre kennt und am ersten Tag wo es möglich war, zum Standesamt führte…
(Ein bisschen Bi schadet nie….)
DAS würde mir ausnehmend gut gefallen!
„.. eine etwas spitze, aber durchaus schöne Nase ..“
wohl zo viel Asterix gelesen? … 😀
500 Leute beim Leichenschmaus, Rechnung bitte an den Bestatter.
Ist ja alles bezahlt 🙂
Ach das gibt Patentstreit.
Vermutlich hat die pöse Tochter heimlich schon in Erwartung der Erbschaft alle Patente an Apple verkauft und jetzt kriegt sie eine Klage von Samsung an den Hals, weil die Patente vom Alten denen versprochen waren, und Tom kriegt das iPhone gepfändet, oder so ähnlich …