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Deschawüh

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Boah, was war das denn für eine? So manche Sachen wiederholen sich ja, manche Begebenheit repetiert sich schon aufgrund der vergleichbaren Umstände, aber Frau Vock war sozusagen das Sammelbecken der merkwürdigen Begebenheiten und nahezu jeder ihrer Sätze brachte irgendeine Erinnerungszelle in meinem Hirn zum Klingeln.

„Ich sag’s Ihnen gleich. bei mir haben Sie damit keinen Erfolg“, sagte sie schon kurz nach dem Betreten unseres Hauses und lehnte eine freundliche Begrüßung ab.

Mit den Worten: „Wir machen das jetzt so: Sie zeigen mir was sie haben, ich streiche ihre Liste dann auf das Notwendigste zusammen und dann sprechen wir mal unter vernünftigen Leuten über den Preis, ja?“ zog sie dann an mir vorbei in Richtung Klo.

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Ich will noch sagen, daß es rechts zum Ausstellungsraum geht, aber irgendeine Macht hält mich zurück, sie reißt die Klotür auf, steht im Waschraum, schaut sich verdutzt um und beschwert sich: „Wo ist er denn nun ihr Showroom?“

Showroom, ich kotz‘ gleich!

„Rechts“, sage ich und Frau Vock wendet sich um, öffnet die richtige Tür und steht im Ausstellungsraum: „Schrecklich, gräßlich, sehr morbide, wie Sie so was aushalten, den ganzen Tag, fürchterlich, unerträglich!“

Normalerweise läuft das so, daß wir uns zunächst mal mit den Kunden hinsetzen, über den aktuellen Fall sprechen und einen Sterbefallbogen anlegen. Erst wenn geklärt ist, ob es eine Erd- oder Feuerbestattung wird und andere Eckdaten erfasst sind, geht es in den Ausstellungsraum. Das macht Sinn und hat sich bewährt, deshalb sage ich das auch zu Frau Vock.
Sie antwortet: „Ja, das kann ich mir vorstellen, erst abklopfen wie viel Geld man hat und dann profitorientiert beraten. Nein, ich möchte erst alles sehen was sie haben.“

Ja, die Frau ist in einer Ausnahmesituation, hat vielleicht einen lieben Angehörigen zu betrauern, aber muß man deshalb so unverschämt sein?

„Ist das hier ein günstiger Sarg?“ will sie wissen und steuert auf das teuerste Modell, den „Adenauer“, zu.

Es ist zwar nicht der günstigste Sarg, aber danach hatte sie mich ja auch nicht gefragt. Für die vielen Schnitzereien ist er schon günstig. Ich nicke und sie wirft nur einen kurzen Blick darauf und meint: „Potthäßlich, viel zu wuchtig. Haben Sie was Schlankeres?“

Noch bevor ich was sagen kann schwenkt sie zum Kennedy-Modell, der teuren amerikanischen Klapptruhe: „Der hier sieht doch schon ganz ordentlich aus, ist der auch wirklich günstiger als der von eben?“

Ich muß nicht einmal lügen, nicke brav und deutlich und Frau Vock haucht mir ein „Sehen Sie, es geht doch“ entgegen, rauscht an mir vorbei aus dem Ausstellungsraum hinaus, wirft einen kurzen Blick zurück, macht eine wegwerfende Handbewegung und sagt: „Den ganzen Rest brauchen wir nicht.“

Völlig ohne Probleme notiere ich wenig später den Kennedy-Sarg, Frau Vock schmunzelt und lehnt sich in ihrem Besuchersessel zurück und während sie ihre Lippen mit einem Labello-Stift befettet, sagt sie mir verzogenen Sprechleisten: „Sehen Sie, es funktioniert doch mit uns beiden, nicht wahr?“

„Hauptsache, Sie sind zufrieden“, sage ich und schaue sie dann auffordernd an. Doch sie hat ihren vermeintlichen Sieg errungen, mich beim Sargverkauf so richtig vorgeführt und bleibt tatsächlich die nächsten zwanzig Minuten friedlich.
Der Vater ist es, eine Erdbestattung gibt es, die Mutter kann nicht kommen, weil sie dement und im Heim ist.

Es geht ans Zusammenrechnen, bei uns geht kein Kunde raus, der nicht eine saubere Auftragsbestätigung in Händen hält.

„Was soll das Grab kosten?“ Sie ist entsetzt.
Ich wiederhole den Betrag und sie macht ein spöttisches Gesicht: „Darüber ist ja das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das ist ja städtisch und wir verkehren mit Herrn Verwaltungsdirektor Salzmann, da geht sicher noch was auf dem kleinen Dienstweg.“

„Ich rechne es Ihnen jetzt mal mit dem normalen Preis“, sage ich und füge hinzu: „Sie erhalten über die Friedhofsgebühren sowieso eine separate Rechnung von der Stadt, denn Sie müssen ja noch auf den Friedhof, um sich das Grab persönlich auszusuchen.“

„Vorher rufe ich Herrn Direktor Salzmann an, der wird mir da den Weg ebnen, der ist ja beim Tiefbauamt.“

Tiefbau, na, das paßt ja, auch wenn die mit Friedhöfen nichts zu tun haben.
„Die Innenausstattung für den Sarg bekommen Sie so dazu, das kostet nichts“, sage ich und will noch sagen, daß die nämlich bei den amerikanischen Särgen sowieso dazugehört, doch ich komme nicht dazu, denn Frau Vock unterbricht mich: „Das will ich aber auch meinen. Sehen Sie, irgendwas geht immer.“

Sie unterschreibt, nimmt ihre Auftragsbestätigung und rauscht von dannen.

Frau Büser holt sich den Auftrag, wirft einen Blick darauf und staunt: „Der Kennedy? Wie haben Sie das denn gemacht, lieber Chef?“

„Keine Ahnung, ich hab gar nichts gemacht, da war die selbst.“

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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#deschawüh #Lektorin A

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