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Geschichten

Die Beule der Birnbaumer-Nüsselschweif -II-

Aber wie das eben so ist, wenn da einer die anderen immer ärgert, schauen die dann auch sehr genau hin, ob sie dem Ärgerer nicht was am Zeug flicken können.
Und so kam es, daß nach immerhin zwei Jahren des milden Treibens dem Beulenprediger eine Abmahnung eines Bestatterverbandes ins Haus flatterte. Er würde in seiner Werbung Behauptungen aufstellen, die er dann nicht erfülle, wurde ihm vorgeworfen.

So würde er in kleinen Zeitungsanzeigen behaupten, durch eine Mitgliedschaft in der Mildenhilfe habe man Anspruch auf eine kostenlose Bestattung. Ganz so kostenlos sei die aber nicht, denn schließlich zahle jedes Mitglied im Jahr rund 240 Euro ein und so komme der Mitgliedsbeitrag quasi einer Bezahlung der Bestattung gleich.

Die Sache ist ausgegangen wie das berühmte Hornberger Schießen.
Beule konnte nachweisen, daß noch nie eines seiner Vereinsmitglieder oder deren Hinterbliebene auch nur einen Cent hinzu zahlen mussten und somit sei die Bestattung wirklich kostenlos.

Das aber brachte dann die „Pietät Eichenlaub“ zum Nachrechnen. Bei so wenigen Sterbefällen, die Beule in diesen ersten zwei oder zweieinhalb Jahren abgewickelt hatte, war es leicht für den Filialleiter der „Pietät Eichenlaub“ alle Sterbefälle genau nachzurecherchieren. Er kam zu dem Ergebnis, daß keiner der Verstorbenen auch nur annähernd so viel in die Mildenhilfe einbezahlt hatte, wie später seine Beerdigung gekostet hat.
Selbst wenn die Bestattungen im günstigsten Fall komplett weniger als 1.000 Euro gekostet haben mögen, hatten die Mitglieder im Schnitt nur knapp 200 Euro eingezahlt. „Da ist doch der Wurm drin, der verteilt doch das Geld der anderen Mitglieder um“, hatte mir der Eichenlaub-Jüngling mal erzählt, als wir uns auf dem Friedhof getroffen hatten.

Auch dagegen ist vermutlich nichts einzuwenden, dann ist eben die Mildenhilfe so eine Art Solidargemeinschaft, könnte man argumentieren. Aber die Sache hat einen Pferdefuß. Denn wenn Herr Beule ständig neue Mitglieder wirbt und davon dann immer mehr sterben, weil er eben auch vorzugsweise sehr alte Leute in seinen Verein aufnimmt, kommt irgendwann der Punkt, an dem die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Ja und dann kann er auf einmal das Geld nicht mehr aufbringen, um diese Leute, die ja auch eingezahlt haben, unter die Erde zu bringen.

„Und dann fragt man sich natürlich“, meinte der Eichenlaub-Mann noch: „wie der seinen Lebensunterhalt finanziert. Von irgendwas muß schließlich auch König David leben, oder?“

Es war also nicht verwunderlich, daß die Eichenlaub keine Ruhe gab und nunmehr die Behörden auf die Mildenhilfe aufmerksam machte. Gewerbeamt, Ordnungsamt und das Wirtschaftsdezernat der Polizei schauten nun genauer hin.
Zu allererst fiel auf, daß die David Mildenhilfe als Verein gar nicht eingetragen war. Das muß ein Verein auch gar nicht sein, aber es war eben auffällig und bringt auch gewaltige Verpflichtungen für alle Mitglieder eines solchen Vereins mit sich.
Noch erstaunlicher jedoch war, daß weder Herr Beule, noch der Verein ein Gewerbe angemeldet hatten.
Warum der Betrieb nunmehr fast drei Jahre arbeiten konnte, ohne daß irgendwer sich dafür weiter interessiert hatte, ist schleierhaft.
Wenn man aber nun denkt, daß da der Himmel der Ordnungsmacht über Herrn Beule zusammenbrach, dann täuscht man sich.
Offenbar sind Finanzamt und Gewerbebehörde in erster Linie daran interessiert, daß dann schnell eine Anmeldung erfolgt und daß Steuern gezahlt werden. Zumindest ist nicht bekannt, daß der Mann in irgendeiner Weise belangt worden wäre.

Allerdings war das mit dem Anmelden eines Gewerbes nicht so einfach, wie Herr Beule sich das vorgestellt hatte. Es gab da nämlich die Urne der Frau Schuster, die -aus welchen Gründen auch immer- seit 16 Monaten unbestattet auf dem Schrank des helfenden Feuerlöschermannes stand.
Dieser Umstand und die Tatsache, daß die Friedhofsbehörde heftig intervenierte, führten dazu, daß man Herrn Beule die Aufnahme eines Gewerbes aufgrund zu erwartender und nachgewiesener Unzuverlässigkeit verweigerte.

Abermals: Wer aber nun denkt, daß jetzt der Himmel der Ordnungsmacht dem Herrn Beule auf den Kopf gefallen wäre, der täuscht sich abermals. Denn nach wie vor warb die „David Mildenhilfe“ in der Zeitung, der selbsternannte Prediger warb weiterhin Mitglieder für seinen Verein und offenbar waren den Behörden in irgendeiner Weise die Hände gebunden.
Jedenfalls machte er fröhlich weiter und das ärgerte die Bestatter umso mehr, weil nun auch allmählich die Zahl der Sterbefälle, die die Mildenhilfe abwickelte, immer größer wurde.

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 1. Juni 2012 | Peter Wilhelm 1. Juni 2012

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5 Kommentare
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12 Jahre zuvor

Und dann kam das Rüsselschwein in einem Walle Walle Kleid daher und half dem Beule mal so eben aus nächsten Liebe mit Geld was Ihr „gespendet“ wurde.

12 Jahre zuvor

Jetzt wird es spannend… 🙂

Aber als Rechenbeispiel ist es mal interessant zu wissen, wieviele ‚Mitglieder‘ so ein Verein haben muss um die kritische Masse zu erreichen.

LG
Joe

Salat
12 Jahre zuvor

@Joe Nevermind: Ausschlaggebend ist nicht die Zahl der Mitglieder, sondern, wie lange sie durchschnittlich einzahlen.
Jedes Mitglied muß ja zum Schluß mit sagen wir 1000 € Kosten unter die Erde gebracht werden. Dazu muß es bei angenommenen 20 € im Monat wenigstens 50 Monate eingezahlt haben – das macht vier Jahre, zwei Monate. Gut, man kann dann noch Zinseszins draufrechnen für das angelegte Geld, aber viel wird sich nicht dran ändern.
Andersrum kann man auch sagen, wenn einer gleich nach Eintritt stirbt, braucht man noch 49 andere Neumitglieder, um dieses eine unter die Erde zu bringen.
De facto ist jedes Mitglied, daß vor Ablauf dieser vier Jahre und zwei Monate stirbt, ein Verlustgeschäft.

Salat

Alleswisser
12 Jahre zuvor


„Zu allererst viel auf […]“ muss heissen „Zu allererst fiel auf […]“

Sorry, aber ich muss darauf hinweisen. Schließlich hat ein Publizierender wie Du der Pisa-Jugend gegenüber eine gewisse Verantwortung.

😉

12 Jahre zuvor

@4 – Salat

Deshalb sagte ich ja es braucht eine kritische Masse. Denn es ist, wie ich schon sagte, nichts weiter eine Versicherung. Somit braucht man eine Masse an Menschen bei denen die durchschnittliche Verweildauer im Verein über den erwähnten 50 Monaten liegt. Und da wird sicherlich mehr als ein bis zwei Altersheime voll brauchen.

Liebe Grüße
Joe




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