Geschichten

Die Degus -III-

Vorgestellt hatte ich mir, daß man nun einfach die Degus mal dem Tierheim übergibt und dann im gesamten Bekanntenkreis herumfragt, wer so Viecherl haben mag und diese Leute dann zum Tierheim schickt. Die Frau vom Standesamt, die für die erste Sicherung des Erbes zuständig ist, hatte mir zu dieser Vorgehensweise geraten. Da die Tiere ohne Hilfe eingehen würden, ist es sinnvoll und richtig, sie dem Tierschutzverein zu übergeben und wenn sich dort dann jemand gegen einen Übernahmeschein die Tiere abholt, hat alles seine Richtigkeit.

Gut, das wäre also geklärt, jetzt muß man nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, denn „unsere Frau Riemenschneider, die das immer macht, die ist noch bis Mittwoch krank“, hieß es im Tierheim.
Für uns bedeutete das, daß wir die flinken Nager noch aus reiner Freundlichkeit ein paar Tage weiter pflegen und versorgen mußten.

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Das wäre ja an sich alles kein Problem gewesen, hätte sich nicht Frau Birnbaumer-Nüsselschweif eingemischt.
An einem Morgen passte sie Sandy und Manni vor dem Haus mit den Degus ab und regte sich fürchterlich auf: „Solche Tiere brauchen nicht nur Futter und Wasser, sondern auch persönliche Ansprachen und Freilauf, da reicht es nicht, wenn man sich nur innerhalb von ein paar Minuten husch-husch um die kümmert.“

Sandy lag schon auf der Zunge, zu sagen, daß die Birnbaumer sich ja gerne ein paar Stunden vor den Käfig hocken könne, um den Degus aus der Heiligen Schrift vorzulesen oder das Einmaleins beizubringen. Doch dann sah sie die warnenden Blicke von Manni und hielt, was selten vorkommt, die Klappe. Die Nüsselschweif hätte das bestimmt gemacht, man wäre sie dann aber nicht mehr losgeworden und hätte wahrscheinlich auch noch dabei bleiben müssen, während die Nüsselschweif die chilenischen Nager in die Fragen der mitteleuropäischen Ökologie einführt…

Was taten also Manni und Sandy? Sie ließen die Birnbaumer-Nüsselschweif, die ja intern, so unter uns, nur „das Nüsselschwein“ genannt wird, einfach stehen und ignorierten sie.

Das aber hätten sie nicht tun sollen, denn die Nüsselschweif ist nicht nur streitlustig und streitbar, sondern sogar streitsüchtig und das führte dann zu folgendem Auftritt:

Schon am Abend des selben Tages, diesmal waren Sandy und Antonia zur Deguwohnung gefahren, klingelte es dort an der Tür und als Sandy öffnete, standen zwei uniformierte Polizisten, ein Mann in Zivil und die Birnbaumer-Nüsselschweif vor der Tür.

Bei dem Zivilisten, das muß ich kurz noch erzählen, handelte es sich um Herrn Dr. Priesbiester-Grotzenmann, den Naturschutzbeauftragten der Stadt. Priesbiester-Grotzenmann ist ein sogenannter sachverständiger Bürger, der für seine Aufgabe als beratender Umweltkenner nur eine Aufwandsentschädigung erhält und schon so manches wichtige Projekt gestoppt oder verzögert hat, weil irgendwelche Fledermäuse oder Feldhamster schützenswerterweise im Wege waren.

Die Polizisten erklärten, sie seien von Frau Birnbaumer-Nüsselschweif gebeten worden, nach dem Rechten zu sehen. „Es ist uns zu Ohren gekommen, daß sie hier mehrere Degus in der Wohnung halten und daß die Tiere nicht ordnungsgemäß rauskommen.“

Sandy erklärte, man kümmere sich ausreichend um die Tiere und bringe sie in den nächsten Tagen ins Tierheim.
In die Wohnung lassen wollte Sandy die Polizisten und die beiden Doppelnamen nicht. Zwar soll die Birnbaumer-Nüsselschweif geschnaubt haben wie ein Nilpferd, aber die Polizisten beschränkten sich dann auf das, was sie immer tun können, sie kontrollierten die Ausweise von Sandy und Antonia.

Dr. Priesbiester-Grotzenmann meinte dann: „Wir wollen das hier nicht eskalieren lassen, aber können Sie mich wenigstens auf freiwilliger Basis einen Blick auf die Tiere werfen lassen? Es ist ja schon ungewöhnlich, so große Tiere in einer Wohnung zu halten.“

„So GROSSE Tiere?“ fragte Sandy erstaunt zurück und gab den Weg zur Wohnung frei und während der Naturschutzbeauftragte eintrat, sagte der eine der beiden Polizisten: „Na, die sind doch so groß“ und zeigte mit den Händen etwa bis zu Sandys Schulter.

„Was?“ staunte Sandy weiter und der Polizist meinte: „Na, da sind doch so Lamas, oder?“

„Lamas? Nein, das sind kleine Strauchratten.“

Sekunden später standen alle Beteiligten vor dem Gitter, hinter dem die putzigen kleinen Nager herumkletterten und alles vollköttelten. Jeder fand sie süß und niedlich und Dr. Priesbiester-Grotzenmann konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Er habe zwar den Begriff Degu gehört und kenne natürlich, jetzt wo er sie sieht, die Tiere, aber aus irgendeinem Grund habe er fälschlicherweise angenommen, es handele sich um eine Art Neuwelt-Kamele.

Die Birnbaumer-Nüsselschweif versuchte nochmal einen Vorstoß in Richtung „die Tiere brauchen Ansprache“ doch wurde sie zu diesem Zeitpunkt von keinem der Anwesenden mehr ernstgenommen und mit puterrotem Kopf zog sie beleidigt von dannen.

Ich meine, gibt es wirklich Leute, die ernsthaft annehmen, irgendjemand halte sich über 20 Kamele oder Lamas in der Wohnung? Und ausgerechnet die Birnbaumer-Nüsselschweif, die muß sich gerade aufregen; da war doch mal was mit kleinen Hunden, die bei ihr verwahrlost waren und vom Tierschutzverein abgeholt worden sind.

Immerhin blieb die Sache folgenlos. Tatsächlich erwies sich Dr. Priesbiester-Grotzenmann als hilfreich, denn am Mittwoch, als die bis dahin erkrankte Frau Riemenschneider wieder die Leitung der Kleintierabteilung im Tierheim übernahm, schickte er uns zwei Helfer vom Amt für Natur- und Umweltschutz mit Transportkisten, die Manni und Antonia halfen, die Tiere einzufangen und endlich ins Heim zu bringen.

Erst danach konnte die Firma für Haushaltsauflösungen ans Werk gehen und der ewig im Hintergrund lauernde und mit seinem Schlüsselring klingelnde Verwalter die Wohnung übernehmen und abschließen.

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(©si)