Joswig hatte Petermanns Anweisungen genau befolgt und war nur sehr langsam gefahren. Das hatte dem Kommissar die Zeit gegeben, sich dem unbekannten Schützen zu nähern. Als dieser wieder einmal sein Zielfernrohr korrigierte, was er mehr aus innerer Angespanntheit heraus tat, als aus wirklicher Notwendigkeit, hatte er eine Patrone umgestoßen, die auf dem harten Holzboden ein klirrendes Geräusch verursacht hatte.
Der an und für sich schwerfällige Petermann entwickelte unter der Anspannung eine für seine Verhältnisse hohe Geschwindigkeit und während im etwa zwei Meter hohen Hochstand Ignaz gerade auf den Chevrolet anlegte, brauchte der Kriminalhauptkommissar nur ein paar Sätze und war die Leiter hochgestiegen, wobei er jeweils eine Sprosse übersprang.
Petermann hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Ignaz hatte überhaupt nicht damit gerechnet, daß irgendwer zu ihm kommen könnte. Vom Haus oben war keinerlei Bedrohung oder Annäherung zu erwarten gewesen und wer immer auch in dem Auto saß, der saß nach Ignaz Auffassung auch da drin.
Der Schütze fuhr erschreckt herum, als er Petermann auf der Leiter und an der Kabine poltern hörte, sein Finger zog den bis zum äußersten Druckpunkt durchgezogenen Abzugshahn zwar noch durch, der Schuß löste sich, aber ging ungezielt irgendwo in das Dunkel des Waldes.
Ignaz ließ das Gewehr los und schaffte es noch aufzuspringen, doch Petermanns erster Fausthieb traf ihn genau auf dem Kehlkopf, der zweite Treffer landete seitlich an der Schläfe des Hünen. Der Mann verdrehte seine Augen und seine Beine gaben nach. Der Kommissar versetze ihm noch einen Tritt in die Kniekehlen und wenige Augenblicke kniete Petermann über ihm und legte ihm auf dem Rücken Handschellen an.
Schwer atmend lehnte sich der Kommissar an die Brüstung und betrachtete Ignaz, der schon wieder zu sich kam.
„Versuch’s gar nicht erst, sonst muß ich Dich wieder hauen!“ sagte Petermann, rieb sich seine schmerzenden Fäuste abwechselnd und schaute zu Jojo und seinem Chevy hinüber. Erleichtert stellte er fest, daß Jojo weiterfuhr, ihm war also nichts passiert und gleich würde er ja auch hier oben ankommen.
„Los, steht auf, Du Hirnprinz! Oder meinst Du, ich schlepp Dich durch den Wald? Wegen Dir habe ich rennen müssen und das tue ich gar nicht gerne, überhaupt nicht gerne, nee. Hopp, wird’s bald!“
Der Kommissar hatte sich das Gewehr von der Brüstung genommen, durchgeladen und stieß Ignaz mit der Mündung an.
Mühsam erhob sich der große Mann und plötzlich knackte und rauschte es; an der seitlichen Brüstung des Hochstandes hing ein Funkgerät, aus dem eine Stimme quäkte: „Ignaz, bitte kommen! Was ist da los? Kommt jemand? Wir haben Schüsse gehört.“
Petermann konnte nicht sagen, ob das die Stimme von Brockhagen war, aber er hielt es durchaus für möglich. Er konnte Ignaz nun aber auch nicht antworten lassen, wenn aber gar keine Antwort kam, konnte -wer auch immer da am anderen Ende war- gewarnt werden. Also entschied sich Petermann dazu, ein paar Mal auf die seitliche Sprechtaste zu drücken, um wenigstens so zu tun, als komme da eine Antwort. Vielleicht würde der am anderen Ende annehmen, die Geräte funktionierten nicht richtig.
„Los!“ sagte er zu Ignaz und stieß ihn nochmals mit dem Lauf an. Als Ignaz auf die Leiter stieg, packte Petermann ihn kurzerhand am Kragen, damit der Mann trotz der gefesselten Hände hinuntersteigen konnte.
Der Journalist Achim Joswig hatte den letzten Schuß gehört und dann Gas gegeben. Noch länger als notwendig in der Schußlinie zu verbleiben, erschien ihm zu riskant. So weit er das feststellen konnte, war der Wagen auch nicht getroffen worden. Nach der nächsten Kurve wurde die Straße auch etwas breiter, was Joswig sehr entgegen kam, denn er fühlte sich am Steuer des fast fünfeinhalb Meter langen und über zwei Meter breiten Amerikaners nicht sonderlich wohl. Auf einer schönen, breiten, sonnigen Landstraße… ja, das wäre nach seinem Geschmack gewesen, aber nicht hier auf diesem verdammt engen Straßenstück im Visier eines Heckenschützen und dazu noch bei inzwischen eingebrochener Dunkelheit.
Die Straße machte einen weiten Bogen und nach etwa 300 Metern tauchten Petermann mit einem Gewehr in der Armbeuge und Ignaz auf.
Joswig brachte den Wagen neben den beiden zum stehen. „Alles klar bei Dir?“ fragte er Petermann und der grinste: „Siehste doch! Da ist’se, unsere Knallschote.“
„Und was machen wir jetzt mit dem?“
Petermann stieß Ignaz zum wiederholten Male mit der Mündung des Gewehrs in den Rücken und sagte ohne jeglichen Unterton: „Der böse Bursche wollte uns erschießen, Jojo. Warum sollen wir uns mit ihm abmühen, am besten schießen wir ihm gleich hier in den Rücken und schmeißen ihn da runter in die Schlucht.“
Zum ersten Mal seit sie aufeinander getroffen waren, sagte Ignaz überhaupt irgend etwas: „Hey, hey, hey! So geht das aber nicht! Müssen Sie mir nicht meine Rechte vorlesen, oder so was?“
Der Kommissar hatte Joswig die Wagenschlüssel aus der Hand genommen und bugsierte seinen Gefangen zum Heck des Chevrolet, wo er die große Kofferraumhaube aufschwingen ließ: „So, rein da, Bürschchen!“
„Ich geh‘ da nicht rein!“ protestierte Ignaz, doch Petermann ließ keinen Zweifel daran, daß er es ernst meinte. Er gab ihm wieder einen leichten Stoß mit dem Gewehrlauf und sagte: „Also doch lieber in den Rücken schießen?“
Widerwillig setzte sich Ignaz auf die hintere Kante des offenen Kofferraumes und ließ ich hineinfallen. Petermann schloß den Deckel, machte ihn aber gleich wieder auf. „Und hör mir gut zu, Du Knalltüte! Du hast mir schon zwei Löcher ins Auto gemacht, die Du mir bezahlen wirst. Wenn Du mir noch irgendwas am Auto kaputt machst, werde ich mächtig böse. Ich muß für den ganzen Scheiß einen Haufen Geld bezahlen, die Teile gibt’s nicht eben mal so beim VW-Händler. Ist das klar?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, warf er den Deckel zu.
„Und jetzt?“ fragte Joswig, der schon zur Beifahrerseite hinübergegangen war.
„Jetzt? Jetzt fahren wir da hoch und besuchen den Herrn Minister.“
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Keine Schlagwörter vorhanden
Habe ich schon erwähnt, dass ich mit dem Alter nicht geduldiger geworden bin? *Fingernägel knabber*
…harten… Muhaha.
Ich schwankte noch, ob ich nicht „auf den mit Kruppstahl überzogenen Holzboden“ schreiben sollte. 🙂
Nee, mal ehrlich, ich habe schon so viele Patronen irgendwo drauf fallen hören, daß mir da keiner was vormacht. Auf dem weichen Waldboden, da hört man nix oder auf altem morschen Holz.
Aber ich hab noch ’ne Idee. Man könnte ja schreiben: „fiel eine der Patronen um und stieß an die anderen, was in der Stille des Waldes deutlich zu hören war“, oder so.
Warum muss es denn eine Patrone sein? Ein Flachmann z.B. macht sicher mehr Gepolter, und so ganz ohne Getränk wird der gute Ignaz ja nicht den ganzen Tag da sitzen.
„Nee, mal ehrlich, ich habe schon so viele Patronen irgendwo drauf fallen hören, daß mir da keiner was vormacht.“
Hm, hat das was mit Deiner Bestattertätigkeit zu tun? Ich mein‘ so in Richtung Kundenwerbung 😉
Kaltakquise 😉
Und alle Hochsitze sind bratzneu?
Ich hab gar nichts dagegen, daß die Patrone nen lautes Geräusch macht, wenn sie runterfällt. Obwohl ich mir nen Flachmann o. Ä. da auch besser vorstellen könnte. Nur das Klirren paßt für mich nicht in die Situation.
Und wo ich schon am Meckern bin – Fausthieb gegen den KEHLKOPF? Willst du das arme Schwein so schnell umbringen?
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f37/kehlkopf-6357/
http://www.selbsthilfewiki.de/site/Atemnot
Salat,
ist für mehr Fürsorge bei Romanfiguren
Ist Dir aber schon klar, dass das beim Bücher schreiben so nicht mehr funktioniert? – Da lese ich einfach weiter und Dir ist der halbe Spaß genommen. – Vielleicht überlegst Du noch mal….
@Dod: wenn die fertig abgeknabbert sind mach bei den Fußnägeln weiter 😉
@Zero
Und wenn die Fußnägel abgeknabbert sind, gibt es hier Nachschub: http://www.myvideo.de/watch/7405124/Olli_Kahns_Fussnaegel 😉
Lieber Tom,
noch einmal danke für diesen sannnenden Krimi, ich würde sofort ein Buch von Dir als Autor kaufen,
super spannend geschrieben 🙂
LG Mona
puh, spannend geschrieben.
Seitdem ich weiß, das es eine erfundene Story ist, lese ich sie wesentlich entspannter 🙂
Ich will ja nicht schon wieder unangenehm auffallen, aber im Gegensatz zu Sportwaffen haben Jagdgewehre wirklich so richtig selten nen Druckpunktabzug…
Flintenabzug(auch bei Büchsen), Kombiabzug, dt. und franz. Stecher wären da so die üblichen Verdächtigen, so ohne Druckpunkt.
Zum Geklapper der Patrone: ja, das ist furchtbar laut gerade so im „dunklen Tann“. Auch auf relativ weichem Fichtenholz. (Ich gehe mal davon aus das das nicht näher beschriebene Jagdgewehr vom Ignaz in einem gängigen Mittelkaliber konfektioniert ist. Wobei das Nachladen nach 3 Schuss eher auf ein Magnumkaliber hinweist, die sind aber auch nicht leiser beim klappern…)
Deshalb liegt auf den Böden von festen Kanzeln durchaus häufiger auch mal Teppich/Auslegeware.
Also mir ist egal, ob die Patronen nun klappern können oder Petermann ein Magnumeis dabei hat, Hauptsache ich bekomme noch eine Dosis heute, um die vielen Tage Entzug auszugleichen. 🙂
3 Teile heute, du verwöhnst uns ja richtig 😀
Mir ist langweilig!!!!! mach ma weiter, Tom!
Vielen Dank, das Lesen macht super Spaß. Ich freu mich schon auf die nächsten Teile!
Was ich gerne wissen würde: wie kommt Ignaz mit auf dem Rücken gefesselten Händen die Leiter vom Hochsitz runter?
Danke für die vielen spannenden Teile.
Liebe Grüße,
lya
@lya: wahrscheinlich fliegend.
Salat
@lya:
Steht doch da: „Als Ignaz auf die Leiter stieg, packte Petermann ihn kurzerhand am Kragen, damit der Mann trotz der gefesselten Hände hinuntersteigen konnte.“
..oder wurde das nachkorrigiert?
@Tom:
Nur eine Vermutung: „..und wenige Augenblicke kniete Petermann über ihm und legte ihm auf dem Rücken Handschellen an.“ Mein Gefühl sagt mir, Du meinst „wenige Augenblicke später“. Täusche ich mich?
Sonst: Immer noch feine Geschichte! Weiter so!
@ #5 Oliver: ist ja eklig *g*
Die Fee der Nacht -34-: BestatterweblogJoswig hatte Petermanns Anweisungen genau befolgt und war nur sehr langsa… http://t.co/OHZAxWmg
Ich freu mich auf den nächsten Teil. Bin gespannt, wie es weitergeht.
Ich hab diesen Krimi ja bisher dafür geschätzt, dass er anders als 90 % der Fernsehkrimis einigermaßen realistisch darstellt, dass auch Polizisten im Dienst der guten Sache eben _nicht_ alles dürfen (zum Beispiel ohne Durchsuchungsbeschluss in Privatwohnungen herumschnüffeln). Jetzt scheint die Geschichte aber doch ins Schimanski-hafte abzugleiten, mit einem Einzelgäner-Draufgänger-Cop, der ganz allein ohne Rücksicht auf Recht un Gesetz aufs Ganze geht.
Aufgrund der Vorgeschichte sollte ja klar sein, dass sich die Brockhagens kaum widerstandslos von einem einzelnen Polizisten werden festnehmen lassen. Warum fährt Petermann dann ohne Verstärkung dort hin? Angesichts der Vorgeschichte, der bisherigen Verdunkelungsversuche und der Aussage der von der Tratow sollte ja auch ein Haftbefehl gegen die Brockhagens kein Problem sein.
Wie so was in Wirklichkeit abläuft, hat man gerade erst bei der Razzia bei Hanebuths gesehen.
„A committee is a group of people who individually can do nothing, but who, as a group, can meet and decide that nothing can be done.“ (Fred Allen)
Ich war mal bei Tom zu Hause. Ein Fest lief gerade, und ich sollte etwas im Untergeschoss holen gehn. Nein, da hatte es nicht nur ein Untergeschosse, sondern die Untergeschosse „A“, „Mond“ und „U“. Wer bloss nennt ein Untergeschoss „Mond“? Ich trat in den Fahrstuhl, der fast einen Eisenbahnwagen aufnehmen könnte. Oder eine Leiche, die nach einem Schokoplätzchen zuviel und einem Mittagsnickerchen zu lange eben eine Leiche war und durch die lange Reifungszeit am Bett angewachsen war. Und eben mitsamt dem Bett eingesargt werden musste. Aus Neugier drückte ich auf „Mond“. Der Fahrstuhl glitt lautlos nach unten, und als die Türe öffnete, endete am Lifteingang das Ende eines Anschlussgeleises. Einer Zahnradbahn. Mit dem Eisenbahnwagen für Schwerleichen lag ich also nicht ganz falsch. Aber der Mond, der über dem Geleise aufging, gab dem Geschoss wohl den Namen. Nun drückte ich auf „U“. Die Rollen und die Stahlseile summten in Liftschacht, das Gefährt kommt mit einem seufzenden Ton zum Stillstand. Ich trete hinaus, halte Ausschau nach dieser Kiste, die Tom weiter oben erwähnt hatte. Aber ich sehe… Weiterlesen »
Warst Du vor dem Schalfengehen noch im Garten ein paar Kräuter pflücken?
Ich schwöre: Nein! Und von Basilikum wird man sowieso weder hell noch high…
Egal was es war – lass in Zukunft die Finger von!
Ja, Mami.
*traurig hinaufguck und einen Intensivpott Kaffee hol*
Sehr espressionistisch, dein Traum, turtle.
armes Turtelchen, du solltest den Kaffee lassen und auf Baldrian-Tee umsteigen, *empfehl*;-)
Nein, ich bin weder grün noch ein Öki!!!
Hier ist der Link.
Die Gänsefüsschen sind mir soeben ausgegangen, hätte sie im Multipack kaufen sollen.
Tom, mal ganz ehrlich: Die Storry ist Tennis, ganz großes Tennis, ums mit dem Anhalter zu sagen…
Mach weiter und sag an, wann dein nächstes Buch kommt.
Der Padre