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Die lange Nacht

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Da hilft auch nicht die Kraft des Arzneikürbisses, wenn der Bestatter nachts dreimal raus muß. So war das in der vorletzten Nacht eine Nacht wie sie im Buche steht. Ich hatte irgendwie die ganze letzte Woche schon schlecht geschlafen und mich eigentlich darauf eingestellt am Donnerstagabend mal früher ins Bett zu gehen.
So ein dummer Brief von der Verwaltung hatte mich dann doch noch länger an den Schreibtisch gefesselt. Wegen einer öffentlichen Forderung hatte man uns vor etwa einem Jahr einen Kostenbescheid geschickt. Den habe ich zur Prüfung weitergegeben und dann auch bezahlt. Dennoch kam vier Wochen später eine Erinnerung, dann zwei Wochen darauf eine Zahlungsaufforderung und Frau Büser hat dann dort angerufen und dem Herrn Stadtkämmerer klar gemacht, wann und wie wir bezahlt haben.
Zwei Wochen später steht so ein schnaufendes, rotgesichtiges Männlein mit krummgelaufenen Schuhen und einem lächerlich kleinen Cordhütchen auf dem Kopf bei uns im Büro und will eben diese Forderung der Kommune zwangsvollstrecken.
Der ließ sich nichtmal durch den vorgelegten Zahlungsbeleg beeindrucken. Da könnten wir ihm ja eine Kopie von machen und mitgeben. Er wisse nämlich nichts außer der Tatsache, daß er bei uns vollstrecken soll, den Rest machen „die da drinnen“.

Um weiterem Ärger aus dem Weg zu gehen, haben wir seinem Drängen nachgegeben und ihm die 84,24 Euro in bar gegen Quittung bezahlt. Ein Fehler, wie sich bald herausstellte, denn nunmehr war es zu einer Überzahlung gekommen und die Kämmerei kam in Schwierigkeiten, weil man nun einerseits die aufgelaufenen Zinsen und Säumniszuschläge für die vermeintliche Forderung und die uns zustehenden Zinsen für den zuviel eingetriebenen Betrag gegeneinander aufrechnen mußte, bevor man uns das zuviel bezahlte Geld zurücküberwies. Allerdings hatte man uns keck die Vollstreckungskosten für den Hütchenmann abgezogen.
Um diese Vollstreckungskosten entbrannte nun ein Streit per Briefwechsel, der schließlich darin gipfelte, daß ich die Sache unserem Steuerberater und Anwalt übergeben habe.
Erst die Drohung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht brachte den Kämmerer zu der Einsicht, daß er und seine schiefbeschuhten Mannen eventuell einen Fehler gemacht haben könnten. Der wäre aber nur möglich gewesen, weil wir ein zweites Mal gezahlt hätten und deshalb hätten wir auch für die dadurch entstandenen Verwaltungskosten geradezustehen.

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Dem hielt unser Anwalt entgegen, daß wir sehr wohl völlig korrekt und zeitnah gezahlt hätten, der Fehler also in der Aussendung der Mahnungen und des Vollstreckungszwerges gelegen hätte.

Das sah man behördlicherseits auch ganz genau so, nur stellte man sich vehement auf den Standpunkt, für die durch uns entstandenen Kosten, inkl. Anwaltshonorar, hätten wir höchstselbst einzustehen.

Fast ein Jahr ging das so hin und her und nun wäre Ende Februar der Termin vor dem Verwaltungsgericht gewesen. Da kam jetzt am Montag ein ebenso kurzes, wie erlösendes Schreiben. Man entschuldigt sich für den Fehler, der durch eine „interne Fehlbuchung“ passiert sei, stehe für die gesamten inzwischen entstandenen Kosten ein und werden diesen, inwzischen beträchtlichen Betrag, unverzüglich auf das Konto unseres Anwaltes überweisen, damit sei die Angelegenheit in unserem Sinne entschieden.

Über diesen Quatsch brütete ich am Donnerstagabend noch, da kam der erste Anruf. Unsere Fahrer baten um Schützenhilfe. Bei einem Polizeieinsatz mußten Unfallofper geborgen werden und zwar nicht zwei, wie von der Polizei gemeldet, sondern vier.
Bevor ich in solchen Fällen eine weitere Mannschaft aus der Nachtruhe reiße, die lange Anfahrtzeit der Männer in Kauf nehme und natürlich auch deren Einsatz bezahlen muß, denke ich pragmatisch. Ich nehme also einen Bestattungswagen, fahre dorthin und lassen das Fahrzeug von der bereits vor Ort arbeitenden Mannschaft beladen. Während die dann noch die Papiere erledigen, kann ich schon wieder heimfahren.

So, dann aber ins Bett. Mein Kopf ist wie in Watte gepackt. Ich fahre auf den Hof, dann in die untere Ebene, lasse den Wagen da stehen, die Männer werden ihn später entladen und den Rest machen.
Kaum bin ich im Haus, geht mein Handy. In H…heim kommt Sandy mit Kunden nicht klar. Der glatzköpfige Alte dort will nur vom Chef persönlich bedient werden, er zahle ja schließlich auch den vollen Betrag in echten Euro und deshalb müsse er sich nicht mit „subalternen Figuren“ abgeben. Normalerweise wüßte Sandy in solchen Fällen schon wie sie sich zur Wehr setzen kann, notfalls unter Verzicht auf den Auftrag. Aber in diesem Fall hatte die jetzt verstorbene uralte Mutter des Glatzkopfes bei uns eine Vorsorge abgeschlossen, alles im Voraus bezahlt und da kann man nicht so einfach raus aus dem Auftrag.
Nach H…heim sind es aber 35 Kilometer Fahrt und das bei diesiger Sicht.
Bis ich dort ankam war der Alte auf 180, wollte uns den Auftrag entziehen, mich verklagen, dem Papst ein Telegramm schicken und natürlich, wie könnte es anders sein, kennt er einen Bürgermeister persönlich.
Aber ich bin verheiratet und habe Kinder, da weiß man wie man mit störrischen Menschen umzugehen hat. Nach 10 Minuten war er wachsweich, gab noch seine ganz speziellen Zusatzwünsche zu Protokoll und geriet dann ins Fabulieren, was uns zusätzliche 30 Minuten kostete.

Sandy fuhr mit ins Büro, sie wollte die Sache gleich in den PC tippen und ging auch nicht auf meinen Vorschlag ein, daß ich das ja machen könne. Mir war das gar nicht so unlieb, ich war todmüde.

Seit meinen oben geschilderten Betrachtungen über den Brief der Stadtkämmerei waren über vier Stunden vergangen. Manches erzählt sich eben schneller als es in Wirklichkeit zeitlich in Anspruch nimmt.

Ich schaue noch mal eben bei Sandy (ins Büro) rein, dann gehe ich nach oben, gerade habe ich die Hose aus, da geht das Handy. Sandy haucht ihr übliches „Sorry“ ins Telefon. Schon wieder die Polizei, jemand hat sich in den Kopf geschossen. Besser ist es, wenn ich da auch hinfahre.
Alles in allem dauerte das auch wieder zwei Stunden.

Nach so einer Nacht habe ich dann zu nix mehr Lust, zu gar nichts mehr.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#lange #nacht

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(©si)