Branche/Kommune

Die Lichtmaschine aus dem Krematorium

Rainer liest gerne das Bestatterweblog. Rainer ist überhaupt gerne mal im Internet unterwegs und Rainer kennt natürlich auch Ebay, wo er ab und zu was ersteigert.
Nun schrieb mir Rainer Ende Januar folgende Mail:

Hallo Herr Wilhelm,

ich bin ein begeisterter Leser ihres Blogs und gehöre zu denen die es vollständig von hinten bis vorne gelesen haben.
Nun brauche ich selber einen Rat.

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Mir ist etwas kurioses passiert:
Die Kurzform ist daß ich auf Ebay bei einem Verkäufer für meinen VW T3 … eine Lichtmaschine ersteigert habe.
Erhalten habe ich jedoch eine Urne samt gefüllter Aschekapsel und Begleitzettel.
Der Verkäufer kann sich dieses angeblich nicht erklären.

urne-ebay

Zugetragen hat sich der Vorgang bereits im Dezember. Da ich das Paket jedoch erst vor kurzem (Anmerkung Bestatterweblog: Ende Januar) geöffnet habe kann ich erst jetzt versuchen die Angelegenheit zu klären.
Durch den Begleitzettel ist mir der beauftragte Bestatter natürlich bekannt.

Man kann sich unschwer vorstellen, wie viele Mails und Telefonate Rainer in der Folgezeit veranlaßt hat, um der Sache auf den Grund zu gehen und vor allem, das war ihm sehr wichtig, der Verstorbenen eine würdige Bestattung zu ermöglichen.

Vor allem aber wollte Rainer verhindern, daß die Sache einfach unter den Teppich gekehrt wird, so nach dem Motto: „Senden Sie mir das Ding einfach zurück.“
Außerdem stellte er sich natürlich die Frage, ob da irgendwo in Deutschland auf einem Friedhof in einem Urnengrab jetzt seine Lichtmaschine begraben liegt.

Irgendwie fühlte sich der unfreiwillige Urnenbesitzer nun auch dafür verantwortlich daß die Verstorbene gemäß ihres Willens bzw. dem ihrer Angehörigen bestattet wird.

Er recherchierte weiter und stieß über Google sogar auf eine passende Traueranzeige und konnte so den Namen einer Angehörigen ausfindig machen, die leider dann nicht im Telefonbuch auffindbar war.

Ich gab ihm auf seine Mail hin den Rat, unverzüglich mit dem ihm bekannten Bestattungshaus oder der zuständigen Friedhofsverwaltung in Kontakt zu treten.
Das hat Rainer dann auch getan und erfuhr folgendes:

wie ich soeben von der Bestatterin erfahren habe, hat sie die Urne zu einem Friedhof in der Nähe meines Wohnortes geschickt.
Da sich auf dem Paket aber der Adressaufkleber des Absenders befindet von dem ich erwartet hatte ein Paket zu erhalten ist die
einzige logische Erklärung daß auf dem Versandweg beide Adressaufkleber abgefallen sind und von der Post vertauscht wurden.
Oder es hat sich jemand einen makaberen Scherz erlaubt. Postmitarbeiter sollten ja eigentlich wissen wie ein Urnenkarton aussieht.

Erwähnenswert ist noch daß die Urne von niemandem vermisst wurde.
Die sehr entfernten Verwandten der Verstorbenen wollten bei der Beisetzung nicht anwesend sein und die Trauerfeier hat am Wohnort
der Verstorbenen stattgefunden. Dieser ist mehrere 100 Kilometer vom Friedhof entfernt.
Die Friedhofsverwaltung, die über die Zusendung der Urne informiert war, hat sich bei der Bestatterin wegen der fehlenden Urne
nicht gemeldet.

Ich werde die Urne am Montag persönlich zum Friedhof bringen.

Die ganze Sache ist schon eine sehr, sehr merkwürdige Geschichte. Bestatterkollegen werden es sofort erkennen: Bei dem auf dem Bild abgebildeten und für den Versand verwendeten Karton handelt es sich um die Lieferverpackung der Überurne, so wie Bestatter sie vom Großhändler oder Hersteller bekommen. Besonders stabil sind diese Kartons nicht, werden aber wegen der passenden Größe gerne für den Urnenversand genommen, wobei die passende Größe dann auch wieder das Problem ist, denn außer der Urne paßt nicht mehr viel Polstermaterial hinein.
Man sieht auf dem Bild auch deutlich, wie „lummelig“ und wellig die Pappe ist.
Der Versand von Urnen per Post ist übrigens eine ganz übliche Vorgehensweise.

Spielen wir das doch mal in Gedanken durch!
Also, da gibt es einen Bestatter, der die Urne von A nach B versendet, damit die Asche einer in A verstorbenen Person auf dem Friedhof in B beigesetzt werden kann.
Die Bestatterin, um es genau zu sagen, klebt einen Aufkleber auf den Karton, der den Absender und den Empfänger nennt.
So kommt der „Aschenbembel“ auf die Reise und landet bei der Post bei DHL.
Gleichzeitig will ein Versender für Autoersatzteile eine Lichtmaschine von irgendwoher nach B schicken, wo Rainer wohnt.

Auf dem DHL-Transportweg passiert nun das Seltsame: Irgendwie bekommt das Urnenpaket den Versandaufkleber des Lichtmaschinenkartons.
Zauberei?
Dummer Scherz?

Auf jeden Fall steht Auktionsgewinner Rainer eines Tages da und hält ein Paket in Händen, das statt des erwarteten Stromgenerators eine Urne mit den sterblichen Überresten einer wildfremden Frau enthält.

Die absendende Bestatterin kann sich das nicht erklären. Der Lichtmaschinenversender reagiert nach einiger Zeit auch nicht mehr auf irgendwelche Mails.
Dabei wäre er als einer der beiden beteiligten Absender in der Lage bei DHL nachforschen zu lassen, wo seine versandte „Lichtmaschine“ geblieben ist und wie es zur Vertauschung kam.

Nun findet die Sache langsam, zumindest mal für die eingeäscherte Frau, einen Abschluß: Leser Rainer hat dafür gesorgt, daß die Asche zur Friedhofsverwaltung gelangte und schreibt mir nun:

Die Friedhofsverwaltung hatte mir versprochen sich bei mir zu melden wenn der Termin der Beisetzung feststeht
da ich darum gebeten hatte daran teilnehmen zu dürfen. Ich habe jedoch nichts mehr von dort gehört.

Der Verkäufer der Teile, den ich darum gebeten hatte mit der Post den Verbleib der Sendung zu klären da ich das
als Empfänger nicht kann, beantwortet meine E-Mails nicht mehr. Die Bewertungsfrist ist ja auch abgelaufen.
Hauptsache ist aber natürlich daß die Frau ordentlich bestattet wurde.

Ich finde es einerseits sehr erstaunlich, daß so eine Verwechslung passieren kann. Noch erstaunlicher ist aber, daß alles letztlich an Leser Rainer hängen geblieben ist.
Sehr lobenswert finde ich aber andererseits, daß eben dieser Rainer sich nun so dafür eingesetzt hat, daß Frau H. endlich ihre letzte Ruhe finden kann.
Einen herzlichen Dank an Rainer, für das Erzählen seiner Geschichte und die Überlassung des Fotos.

Bildquellen:

  • urne-ebay: Peter Wilhelm

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