Menschen

Die Liegegrube

Toms Weisheit des Tages: „Adipositas ist eine schwerwiegende Krankheit.“

Nur neun Stufen sind es vom Haus der Familie Brokowksi bis auf den Bürgersteig. Aber die neun Stufen und der etwa acht Meter lange Weg zum Straßenrand hatten es in sich.
Die ganz alte Frau Brokowski hatte das „Tannenbaumsyndrom“, ich schrieb schon einmal darüber, ein kleines Köpfchen, schmale Schultern, ein leichter Fall.
Denkste! Nach dem Zurückschlagen der Decke liegt da ein Mensch, der von Alter, Krankheit und langem Liegen aufgebläht, aufgedunsen und voller Fett und Wasser ist.
Zu Zweit ist es unmöglich, die Frau aus dem Bett zu heben, sie liegt in ihrer Kuhle wie festzementiert.

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Dann hilft uns der Sohn, auch schon über 60 und beinamputiert, wir wollen das gar nicht, doch der Mann will unbedingt, schnallt sich eine Prothese an und zerrt, drückt und schiebt.
Wir sind kurz davor zu kapitulieren und zwei weitere Männer anzufordern, da macht es ein schnalzendes Geräusch und die alte Dame löst sich irgendwie aus ihrer Liegegrube.
Dann schaffen wir es sogar, die Frau recht würdig auf die Trage zu bekommen, die Gurte passen nur so eben um den Bauch.

Die Schwiegertochter weist uns den Weg, umflattert uns wie eine aufgeregte Henne, will jetzt schon den Beerdigungstermin wissen und in einer Übersprungshandlung wischt sie zwischendurch mit dem Zipfel ihrer Kittelschürze Staub.
Die Trage schneidet in die Hände, jede Tür und jede Ecke wird zur Qual. In Sekunden beginnt der Schweiß zu rinnen, die Muskeln ziehen.

Am Schwierigsten ist das Umgreifen am Wagen. Der der vorne geht, muß ja an die Seite treten, damit das vordere Ende der Trage ins Auto geschoben werden kann, dabei muß er aber auch an der Trage umgreifen…

Als die Klappe des Wagens ins Schloss fällt, atmen wir durch, es dauert ein paar Minuten bis der Puls wieder runter geht. Puh, geschafft!


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Menschen

Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 2. Oktober 2009 | Revision: 23. September 2012

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15 Jahre zuvor

oha. Wir mussten mal runter unserer Oma helfen wieder ins Bett zu kommen, weil sie weiss der Henker wie rausgefallen war. Sie lebte also noch und konnte wenigstens ein kleines bisschen helfen, aber wirklich einfach was das nicht.
Aber da mit der Liegekuhle, gibt es da vielleicht einen einfachen Kniff, womit man eventuell vorbeugen könnte? Ein weiteres Laken oder ähnliches auslegen, das im Fall der Fälle man den „Patienten“ besser heraus bekommt?
Oder hätte man nicht das vorhandene Laken nehmen können?

Naja, aber wenn man es auch wieder zu einfach macht, habt ihr ja nichts mehr ordentliches zu tun XD
*duck*

Mfg

madda

jemand
15 Jahre zuvor

Gibt es für Bestatter eigentlich auch Tragegurte?

Christians Ex
15 Jahre zuvor

Wie für Möbel??
Ich habe das ungute Gefühl, das lässt die Pietät nicht zu.

15 Jahre zuvor

War der Karren dann tiefergelegt? 😀

Was schätzt du den, wieviel wog die Dame?

Avarion
15 Jahre zuvor

Das einzige was da hilft ist regelmässig die Matratze umdrehen um die Kuhlenbildung zu verzögern und wenn das Umdrehen nichts mehr bringt eine neue Matratze zu kaufen

robertd
15 Jahre zuvor

Hallo,

ich habe sowas beim Zivi genossen – 120 kg Mann, dritter Stock, kein Lift… da kommt Freude auf 🙂

Zum Umgreifen: Wir hatten damals auch noch Fahrzeuge ohne Fahrtrage (die hier: http://imcdb.org/images/029/555.jpg ). Die hatten hinten einen ausziehbaren Tisch, auf dem man die Trage samt Patient erst mal quer ablegen kann, dann wird die Trage auf dem Tisch fahrend um 90° gedreht (also nur ein Ende ist in der Luft, das andere auf dem Tisch) und hinein geschoben.
Gibts sowas bei Bestattungswagen nicht? Mit so einem Tisch ist der ganze Vorgang wesentlich eleganter. 🙂

eulchen
15 Jahre zuvor

[size=200][color=blue][b]…gut gemacht Jungs…[/b][/color][/size]

robertd
15 Jahre zuvor

ergänzend zu Kommentar #6 von mir: hier kann man den beschriebenen Tisch sehen: http://membres.lycos.fr/autoshorsserie/MAJ_juin_2003/Dossier_Mercedes/MB_W_124_BONNA_MIESEN_D3.jpg

MacKaber
15 Jahre zuvor

@robertd: Haach wie schön, einer aus meiner Zeit. Einer der noch die Erbswurstsuppe
noch kennt.
Wenn ich den Zivis und FSJ’lern schildere, wie es früher vor 40 Jahren im Krankentransport und Rettungsdienst war, können sie es fast nicht glauben. Und doc, wir waren damals stolz, auf den neuesten Stand zu sein. Von wegen RA – In meiner Heiratsurkunde steht: Krankentransportsanitäter.

neugieriges Eulchen
15 Jahre zuvor

@ MacKaber…ach was? Wurden früher echt in die Heiratsurkunden die Berufe der Ehepartner eingetragen? Gibts das heute auch noch?

MacKaber
15 Jahre zuvor

@ eulchen: ist ja immerhin schon über 37 Jahre her. Heute weiß ich nicht, wie es gehandhabt wird, hab in letzter Zeit nicht geheiratet.

15 Jahre zuvor

In Personenstandsurkunden wird sogar recht häufig der Beruf mit angegeben. In früheren Zeiten diente die Berufsangabe zur näheren Unterscheidung der Menschen, vor allem auch im ländlichen Bereich, wo die Familien sehr groß waren und viele Träger des selben Namens vorkamen: Der Landarbeiter Wilhelm Müller und der Bürstenmacher Wilhelm Müller z.B.

In noch früherer Zeit wurden von den Kirchenschreibern und Pfarrern (Einwohnermeldeämter gibt es ja noch nicht so lange) die Berufe als eines der wichtigsten Merkmale eingetragen. Ja aus den Berufen sind z.T. die Nachnamen überhaupt erst entstanden: Müller, Bauer, Jäger, Schmidt, Schultheiss usw.

Früher waren mit den Berufen ja häufig auch Privilegien oder Einschränkungen verbunden und es war für die Menschen wichtig zu wissen, wer was ist.

Man wechselte ja auch nicht, wie heute, seinen Beruf u.U. alle Nase lang.
In alten Heirats- und Sterbeurkunden habe ich schon die eigentümlichsten Berufe gelesen: Fettstecher, Darmschleimer, Pinseldrücker usw.




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