Allgemein

Die Oma

Vor einiger Zeit war ich schon einmal bei einer Familie, die eine vollautomatische Kaffeemaschine hatte.
Gestern war ich beim Ehepaar Maurer, die Oma im Heim war gestorben und das ‚ist für alle eine Erlösung‘. Das Beratungsgespräch sollte noch schnell am Sonntag stattfinden, denn heute schon geht’s an den Bodensee in Urlaub, Trauerfeier bitte erst wenn die Leute wieder aus dem Urlaub zurück sind. Pragmatische Aussage dazu: „Mitnehmen können wir die Oma jetzt sowieso nicht mehr und wenn wir hierblieben, könnten wir auch nicht helfen.“
Klar, die haben Recht.

Meine Oma ist ja auch tot, schon lange. Und meine Oma bewahrte den Kaffee in einer kleinen Blechdose mit Schraubdeckel auf, Kaffee war etwas Besonderes, etwas Wertvolles und wenn überhaupt, dann gab es sonntags welchen und dann auch nur für die Eltern. Wollte sie welchen zubereiten, dann nahm sie ihre Kaffeemühle, maß sorgfältig mit einem Lot die Bohnen ab und mahlte sie sorgfältig und langsam. Zwischendurch kontrollierte sie immer, ob das Kaffeemehl in der kleinen Schublade unten an der Kaffeemühle fein genug wurde.
Der Kaffee wurde dann mit einem Pinsel aus der Mühle direkt in eine Kanne aus emailliertem Blech befördert, kein Krümelchen des wertvollen Stoffs blieb zurück.
Mit kochendem Wasser wurde der Kaffee angegossen und dann mit Wasser weiter aufgefüllt. Noch einen kurzen Moment kam die Blechkanne dann auf den Ofen zog noch einmal Hitze und dann war er fertig.

Man ließ ihn immer etwas stehen, damit der Kaffee sich setzen konnte und nicht zuviel „Prütt“ in die Tassen geriet, aber etwas Kaffeesatz kam trotzdem immer mit. Geschmeckt hat dieser Kaffee köstlich.

Werbung

Heute geht das alles natürlich schneller, besser und vor allem computergesteuert. Herr Maurer ist so stolz auf seinen Kaffeeautomaten aus der Weltraumforschung, daß er nicht mal seiner Frau erlaubt, die Maschine zu berühren. „Die hat einen eingebauten Wasserfilter, der entfernt den ganzen Kalk aus dem Wasser und man braucht sie dann nicht mehr entkalken. Aber Sie wissen ja wie das ist, ich entkalke die natürlich trotzdem, die Hersteller schreiben viel, ob das dann stimmt, weiß man ja nicht.“

Auch diese Maschine macht einen Höllenlärm und für eine geraume Zeit ist jedes Gespräch unmöglich. Ich verstehe ja, daß das Zermahlen der Bohnen einen gewissen Lärm macht, aber warum wird das Ganze durch ein nicht enden wollendes Klacken und Klopfen eingeläutet, begleitet und beendet? Und warum ist das Mahlwerk so laut?
Ich muß es gar nicht en detail schreiben, man kann sich denken wie es war. Erst blinkte das Lämpchen für den Restebehälter, der Kaffeekochvorgang wurde unterbrochen. Dann war das Wasser alle und es ging wieder nicht weiter. Die erste Tasse die produziert wurde, stand dann schon nach drei oder vier Minuten bereit, litt aber gewaltig an dem Problem, daß sie nur mit heißem Wasser gefüllt war.
„Man kann sogar Milch aufschäumen!“

„Aha.“

„Den Wasserfilter muß man nur alle vier Wochen….“
Den Rest konnte ich nicht mehr verstehen, im Inneren der Maschine startete gerade ein Airbus.

Doch auch diese kakophonische Geräuschkulisse führte immer noch nicht zum erwünschten Erfolg, denn nun heulte das Mahlwerk in ungewohnter Tonlage, die Bohnen mußten aufgefüllt werden.
Okay, ich gestehe, der Kaffee den ich dann bekam, der war wirklich lecker. Ich rühre ja immer den ollen Schaum obendrauf schnell weg. Ich hasse kochendheißes Zeug und trinke am Liebsten alles mit mundgerechter Temperierung. Wer auch immer den Menschen ins Gehirn gehämmert hat, Wein müsse unbedingt sauer sein, der muß es auch gewesen sein, der den Leuten beigebracht hat, auf Kaffee müsse sich oben Schaum befinden. Hallo! Schaum gehört aufs Bier! Crema nennt man diesen Schaum und der kann auf Espresso drauf sein, weil Espresso mit sehr viel Druck entsteht. Aber eine schöne, frisch gebrühte Tasse Kaffee hat allenfalls ein kleines Bläschen oder Schaumfleckchen vom Eingießen und keine deckende Kahmschicht.

Kaffee wird ja normalerweise mittels Kannen und Filtern aufgebrüht, das ist ein langsamer Vorgang bei dem gar kein Schaum entsteht. Auch das Eingießen, so wußte es schon meine Oma, hat langsam zu geschehen, weil Kaffee gerne oxidiert und säuerlich schmeckt, wenn man ihn in die Tasse stürzt. Bei all dem kann kein Schaum entstehen und somit hat für mich, und nur für mich kann ich sprechen, Schaum auf dem Kaffee nichts verloren.
Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Hölle und süß wie die Liebe, so soll der Kaffee nach einem arabischen Sprichwort sein. Wo ist da bitte die Stelle an der es heißt „mit Schaum obendrauf wie ein Fluß nach einem Fischsterben“?

Gut, ich glaube, man konnte jetzt zwischen den Zeilen lesen, daß ich keinen Kaffee mit Schaum will. Beate, die Geschminkte, sagte neulich in einer Gaststätte so über drei Tische hinweg zu mir: „Hm, lecker und so’ne Crema obendrauf.“

„Ich mag keinen Schaum auf’em Kaffee.“

„Ach, so’ne Crema ist doch toll.“

„Weswegen?“

„Ja, ähm…, öh…, die gehört doch oben drauf.“

„Seit wann?“

„Keine Ahnung.“

„Ist bei Dir zu Hause auch Schaum auf’em Kaffee?“

„Nee.“

„Und kochst Du zu Hause guten Kaffee?“

„Na hör mal, ich koche den besten Kaffee der Welt, ich nehm‘ doch die Krönung!“

„Aha, und wenn Du Dir dann draußen irgendwo einen Kaffee bestellst, soll der dann besser oder schlechter sein, als Deiner zu Hause?“

„“Naja, der hier ist gut, aber zu Hause ist der noch besser.“

„Und zu Hause ist kein Schaum drauf?“

„Nee.“

„Aber hier ist welcher drauf und den findest Du toll?“

„Ja aber der muß doch drauf sein.“

„Und ist der lecker?“

„Nee.“

„Also?“

„Das gehört sich doch aber so.“

„Nee eben nicht.“

„Eigentlich haste Recht aber die sagen alle Crema wäre gut.“

„Meinetwegen.“

Eine Weile starrte Beate, die Geschminkte, noch in ihre Tasse, probierte verstohlen den Geschmack des Schaums, verzog ihr Gesicht und rührte dann die Crema unter.
Ha! Mission erfüllt!

Bei den Maurers habe ich den Schaum schnell untergerührt und wie gesagt, der Kaffee ist lecker, aber alles in allem hätte meine Oma, Gott hab sie selig, mit Blechdose, Kaffeemühle und Emailkanne auch nicht länger gebraucht.

„Na, aber die Maschine ist klasse! Die hat 1.098 Euro gekostet und war erst einmal in Reparatur. Wir sind ja auch zu zweit und da kochen wir schon so an die sechs Tassen jeden Tag und wenn Besuch kommt…“ Herr Maurer wird von seiner Frau unterbrochen: „Wenn Besuch kommt, dann hol ich immer die normale Filterkaffeemaschine raus, wenn man mehr als vier Tassen hintereinander braucht, geht das mit der alten Maschine schneller.“

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)