Menschen

Die Sache mit dem nächtlichen Finger

orgel

Eben ist Frau Schuck wieder nach Hause gegangen. Seit Jahren bieten wir so im Nebenbeigeschäft Solar-Grablichter an. Es ist ja auch schön, wenn abends auf den Gräbern die vielen kleinen roten Kerzen flackern.
Am meisten macht man das ja an Allerheiligen und ich habe ja genau an dem Tag Geburtstag. Also war natürlich an diesem Tag auch immer ein Besuch bei den Großeltern auf dem Friedhof fester Bestandteil des Tagesablaufs. Wir gingen immer gegen Abend, steckten zwei Blechlaternen an gebogenen Haltern in die Erde und stellten rote Kerzen hinein.
Schön! Die vielen Lichter, Klasse! Ich habe ja wenigstens die ersten sechs Jahre meines Lebens gedacht, die Leute machen das alle nur, weil ich Geburtstag habe.

Im Kindergarten hatte mir Agnes, ein potthäßliches Mädchen mit Pfannekuchengesicht, das ich damals heiraten wollte, erzählt, daß sie Geburtstag hat. Das war irgendwann im Mai. Natürlich habe ich sie mit großen Augen gefragt, ob sie ihren Geburtstag nach dem schönen Nachmittag, den Geschenken und dem Kaffeetrinken dann auch immer mit roten Kerzen auf dem Friedhof feiert.

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Unsere Kindergartennonne war entsetzt und ich mußte als frühkindlicher Gruftie draußen im Gang bei der blattlosen Yucca-Palme in der Ecke stehen.

Es hat sich aber nichts geändert, ich finde die roten Dauerbrenner immer noch schön.
Doof ist nur, daß die nicht wirklich dauernd brennen. Entweder schmilzt seitlich das rote Plastik und die ganze Paraffinpampe läuft raus oder der Docht brennt schneller als das Paraffin und versinkt irgendwann verlöschend in der Masse. Brennt so ein Ding wirklich mal richtig, dann ist der „Spaß“ nach ein paar Stündchen vorbei. Selbst dann, wenn „Dreitageslicht“ draufsteht.

Diese Solar-LED-Lichter sind da praktischer. Tagsüber lädt die Solarzelle das Ding auf und bei einsetzender Dunkelheit schaltet ein Sensor das flackernde Lämpchen an. Wenn die Dinger nicht geklaut werden, halten die fast ewig.

So: Und davon hatte Frau Schuck sechs Stück gekauft. Für jedes ihrer vorverstorbenen Geschwister eins.

„Die gehen nicht.“

„Die müssten aber funktionieren, wir hatten sonst noch keine Klagen.“

„Die gehen aber nicht.“

„Tagsüber laden die sich auf und die leuchten dann im Dunkeln.“

„Was?“

„Am Tag aufladen, nachts Licht.“

„Wie?“

„Nur abends!“

„Was, nur am Abend?“

„Ja, nur im Dunkeln.“

„Ach so. Am Tag leuchten die gar nicht?“

„Nee.“

„Nur am Abend?“

„Genau.“

„Können’se mir das mal zeigen?“

Ich nehme eine Lampe aus der Schachtel, ein bißchen sind die ja immer vorgeladen. Mit dem Finger halte ich den kleinen Sensor an der Seite zu und schon leuchtet das Flackerbirnchen.

Frau Schuck nickt: „Sehen’se, die ist auch schon kaputt.“

„Wieso das denn, die leuchtet doch wunderschön.“

„Ja, aber jetzt is‘ Tach und Sie haben gesacht, die geht nur am Abend.“

„Nee, die fangen dann an zu leuchten, wenn auf den Sensor da an der Seite kein Licht mehr fällt. Wenn’s draußen dunkel wird, ist das der Fall und dann leuchtet oben schön das Lämpchen.“

„Es ist aber jetzt draußen nicht dunkel. Meinen Sie, ich bin doof, nur weil ich alt bin?“

„Um Himmels Willen, so etwas würde ich niemals annehmen, das Eine schließt das andere ja nicht aus.“

„Was?“

„Nix.“

„Dann is‘ ja gut.“

„Also, Sie haben jetzt gesehen, wie das funktioniert.“

„Schon…“

„Aber?“

„Auffem Friedhof die gehen nich‘.“

„Nur abends!“

„Da bin ich doch gar nich‘ mehr auffen Friedhof.“

„Tagsüber laden die sich nur auf.“

„Und abends tun die dann leuchten?“

„Jaha!“

„Sicher?“

„Ganz bestimmt.“

„Könn’wer da mal hingehen?“

„Wohin?“

„Auffen Friedhof? Datt’se mir mal zeigen wie das geht.“

„Hab ich doch gerade erst gemacht. Gucken’se: Finger drauf, Licht an. Finger weg, Licht aus.“

„Ja glauben’se ich steh die ganze Nacht auffen Friedhof rum und mach Finger drauf und Finger weg?“

„Das macht das Ding doch alles ganz von alleine.“

„Sie müssen sagen, wenn ich Sie nerve, aber ich bin eine alte Frau und ich kenne mich mit dem ganzen neuen elektrischen Zeug nicht aus.“

„Nein, Sie nerven nicht als andere, die auch nichts verstehen.“

„Was?“

„Nix.“

„Dann is‘ ja gut. Also nochmal, wie geht datt jetz?“

„Tagsüber scheint die Sonne und das Licht wird in Strom umgewandelt und in der Lampe drin gespeichert. Abends wenn es dunkel ist, dann merkt das der Sensor und schaltet die Lampe ein. Dann leuchtet die und der Akku gibt langsam den Strom ab. Am nächsten Tag lädt sich das wieder auf und so weiter.“

„Ach so, dann haben Sie ja den Fehler gemacht.“

„Wieso?“

„Ja, so’n Akku haben Sie mir gar nicht mitgegeben.“

„Der ist doch fest in der Lampe unten drin.“

„Und den muß man aufladen?“

„Nein!“

„Ha’m Sie aber grade gesacht! Kann datt sein, datt Sie sich auch nich auskennen?“

„Dohoch!!!!“

„Wattenu? Muß man den aufladen oder nich?“

„Das macht der von alleine, der ist da ganz innen drin. Sie müssen nix machen, einfach Lampe auf das Grab stellen und abwarten. Wenn der Akku tagsüber voll geworden ist, geht abends das Licht an.“

„Hab ich aber noch nie gesehen.“

„Sind Sie denn abends auf dem Friedhof?“

„Nee, dann is ja auch abgeschlossen.“

„Eben. Aber die Lampe brennt trotzdem.“

„Und wer bitteschön macht immer den Finger drauf und wieder runter? Is‘ doch abens abgeschlossen. Hören Sie mir eigentlich nicht zu?“

Ich muß mir unbedingt so eine eigene Einäscherungsanlage einbauen lassen, unbedingt!


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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 21. September 2010 | Revision: 19. Juni 2012

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14 Jahre zuvor

Das war bestimmt eine Ex-Patientin von mir, das kommt mir so bekannt vor….

Wenn ich mir die Augen zuhalte, bist Du nicht mehr da.

14 Jahre zuvor

Hallo da draussen,

ne, ne, 🙂 ich hoer nich mehr zu, ich lieg unterm Tisch!
Is ja wie bei meiner Oma =:-)

Gruss Woody

14 Jahre zuvor

Frauen und Technik…

*Duck und weg*

Aber drollig is’s scho 🙂

Gruß
Joe

Sanna
14 Jahre zuvor

Mysterium Solarzelle – ein fast so großes Geheimnis, wie der Strom aus der Steckdose (fließend – aber nicht flüssig, da tropft so gar nix aus der Wand…).
Schreib doch mal an den Yogi Rangeshwar. Eine Aufklärungssendung für Senior(inn)en in Sachen Solar betriebener Grableuchten ist unumgänglich (für die Nerven von Tom *gg*).

Kadabra
14 Jahre zuvor

Jepp, schon sehr süß, wenn auch nervenaufreibend.

Meine Oma (stolze 97) will ab und zu mal das Internet erklärt bekommen, weil ja im Fernsehen immer davon gesprochen wird. Bisher konnte aber noch niemand seine Nerven dazu überreden Selbstmord zu begehen.

Anonym
14 Jahre zuvor

„frühkindlicher Gruftie“ – kein Wunder, dass du Bestatter geworden bist, bei so makaberen Familienbräuchen 😛

14 Jahre zuvor

Köstlich! Ich hab mich beim lesen herrlich amüsiert.

14 Jahre zuvor

Die arme Frau macht sich doch nur Gedanken zum Gedenken. Was sollen denn die Nachbarn denken, wenn die abends mal auf dem Friedhof sind und das Lämpchen nicht ordnungsgemäß flackert? Sowas kann bis zu Klagen wegen übler Nachrede gehen.

Mit dem Finger hast Du Dich natürlich in eine ausweglose Situation manövriert. Vielleicht hätte man ihr sagen sollen, dass der Service mit dem Fingerdraufhalten inklusive ist und am Abend eine Armee von unterbezahlten Fingerdraufhaltern auf die Friedhöfe ausschwärmt um alle Flackerlämpchen zu versorgen.

Außerdem hätte sich die Frage angeboten, ob sie sicher ist, dass beim Kühlschrank das Licht ausgeht, wenn die Tür zugemacht wird. Dann hätte noch jemand anderes seinen Spaß bekommen.

Sanna
14 Jahre zuvor

@ kall
Wie – ächt jezz???? Geht im Kühlschrank das Licht aus, sobald die Tür zu ist? Meine Lebensmittel müssen dort in einer dunkeldusteren und kalten Gruft rumliegen??? Ich-faß-es-nicht! So was gehört verboten. Das ist ja Frevel an Kühlware!

Garfield
14 Jahre zuvor

@ Sanna:

Wenn Du willst, dass Deine Kühlware Licht hat, musst Du den Stecker vom Kühlschrank ziehen. Wenn der keinen Strom mehr bekommt, macht er das Licht an. Aber auch nur, solange die Tür zu ist. Das ist dann wie bei der Solarlampe.

Sanna
14 Jahre zuvor

@ Garfield

Nöönööö – ich habe mich inzwischen entschlossen, einfach die Kühlschranktür offen stehen zu lassen. Sicher ist sicher!!! So ein wenig Sonnenlicht macht Wurst und Käse doch farblich viel interessanter…
🙂

14 Jahre zuvor

Kopf – Tischkante.
Herrlich, dafür hätte ich nicht die Geduld.

Garfield
14 Jahre zuvor

@ Sanna:

Dann wird es aber dem Kühlgut zu warm. Da musst Du eine Energiesparlampe reinschrauben. Die straht kaltes Licht aus. Das kühlt dann wieder.

Snyper
14 Jahre zuvor

Also, die funktionieren nur so ganz nahe an einem Sarg.

Legen Sie sich mal rein, hier haben sie die Kerze, schön festhalten, wir machen jetzt den Deckel mal zu und dann geht die lampe an..

turtle of doom
14 Jahre zuvor

[quote=“Sanna“]Wie – ächt jezz???? Geht im Kühlschrank das Licht aus, sobald die Tür zu ist?[/quote]

Meine Damen und Herren, das wird euch bei 5:50 hier erklärt: http://www.youtube.com/watch?v=-vPJkQsP20A

Der unvergessliche Tex Avery

Ma Rode
14 Jahre zuvor

Ahhh, noch ein Filmfreak und einer, der Tex Avery kennt … *verneig*

Fraggel
14 Jahre zuvor

Hat ein bischen was von der Frage ob die Schrödersche Katze noch lebt…

Anni
14 Jahre zuvor

Naja, es gibt ja Leute, die lassen sich stehenderweise und nur bis zum Oberkörper beerdigen, damit sie die Grabpflege noch selber erledigen können. Also, wenn die eh da noch so auf dem Grab rumlungern, dann können die nachts ja wohl auch das Fingerchen an das Kerzchen halten – oder ist das etwa zuviel verlangt??? 😉

Sarkastikum1
14 Jahre zuvor

„Was?“
„Nix.“
Danke, muss immer noch grinsen.

@Garfield:
Kühles Klima durch kaltes Licht? Prima, danke für den Tipp!
Sommertags in allen Räumen Licht einschalten, natürlich mit kalten Energiesparlampen.
Kann man das dann auch abfüllen und einkochen? Zum Haltbarmachen? Und dann verkaufen? 😉

S.

Winnie
14 Jahre zuvor

Und wenn neben dem Grab eine Laterne steht, oder am Rande des Friedhofs eine am Straßenrand, leuchtet so eine Lampe auch nicht, weil der Sensor gar nicht merkt, dass es dunkel ist/wird. 😉

Roichi
14 Jahre zuvor

Tja Tom, das nächste mal in einen Raum ohne Fenster gehen und das Licht ausmachen. Spart Nerven.

Garfield
14 Jahre zuvor

@ Sarkastikum1:

Na klar. Das sind diese Kühlakkus. Die legt man in den Kühlschrank unter die Energiesparlampe. Dann speichern die das kalte Licht.

Sensenmann
14 Jahre zuvor

Was ist das für eine Welt, in der nicht mal ein simples Grablicht sicher vor DAUs ist? Ich wäre spätestens dann ausgetickt, als die mich gefragt hätte, ob ich mich nicht auskennen würde.

Positiver Nebeneffekt der Geschichte: Wenigstens wissen wir jetzt endlich, wer damals mit dem ganzen Grufti-Kram angefangen hat.

@Fraggel: Schröder war der Bundeskanzler. Der Physiker mit der Katze hieß Schrödinger. Soviel Zeit muss sein 😛

Garfield
14 Jahre zuvor

@ Sensenmann:

Aber vielleicht hatte Schröder auch eine Katze…

*duck und weg*

14 Jahre zuvor

@Garfield

Und war Schröders Katze auch gleichzeitig tot und lebendig?

Garfield
14 Jahre zuvor

Kann doch sein. 😀

Sensenmann
14 Jahre zuvor

@Garfield: Bundeskatze beim Bundeskanzler… warum eigentlich nicht. Solange es kein leicht untergroßer, gelber Kater ist *ebenfalls duck und weg* 😉

[size=8px](Auch hier leider ein OT-Nachtrag: Hinter dem letzten Kommentar wiederholen sich bei mir alle ab #13, aber ohne grauen Hintergrund. Bei Bedarf kann ich einen Screenshot liefern.)[/size]

simop
14 Jahre zuvor

@Sensenmann:
Nicht nur bei Dir…

14 Jahre zuvor

Ach wie herrlich.
Und dabei noch freundlich bleiben, ist echt eine Kunst!

Wie kannst du nur mit der Hand drüber das Licht erzeugen, also wirklich!

Wenn mehrere Lampen ziemlich nah zusammenstehen, leuchtet nur eine, hab ich auch schon gesehen.

Big Al
14 Jahre zuvor

@ minibar.
Und die nichtleuchtende Lampe übernimmt dann die zweite Schicht, wenn der ersten der Strom ausgeht.
Ungeahnte Möglichkeiten.
B. A.

Persephone
13 Jahre zuvor

waaaaaahhhhh, zu köstlich, das ist fast besser als die (inzwischen sicher jedem bekannten) Gewitter-Oma.

„was? – nix! – dann ist ja gut“ :-))

*kicher* und wer hält dann nachts den Finger auf den Sensor, damit das Licht brennt *lol*




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