Die Siebler waren da und sind nun gegangen, in zwei verschiedene Richtungen und mit hochroten Köpfen. Aber ich muß anders herum anfangen: Die Familie Siebler kam vor etwa einer Stunde, um eine Beerdigung für ihren verstorbenen Vater zu bestellen. Der alte Mann war schon lange verwitwet, zuletzt im Heim gewesen und so standen seine sechs Kinder und Schwiegerkinder bei uns in der Halle und meldeten seinen Tod.
Die Abläufe bei uns sind ja ziemlich routiniert und normalerweise führe ich die Angehörigen immer zu einem ersten Gespräch in eines der Büros. Dort frage ich die persönlichen Daten des Verstorbenen ab, kläre schon mal das Grundsätzliche und wenn ich dann weiß, was für eine Bestattung es wird und was für ein Grab die Leute wollen, dann geht es ans Aussuchen von Sarg, Urne und Wäsche.
Bei den Sieblers kam aber alles anders.
Die waren nämlich der Meinung, daß ein Bestatter ein Halsabschneider ist und hatten sich schon vorher im Internet schlau gemacht. Mit einigen Blättern in der Hand gab sich einer der Schwiegersöhne als frischgebackener BestattungsExperte zu erkennen und wußte schon auf meine Einladung ins Beratungszimmer alles besser: „Nein, wir haben gelesen, daß man sich erst auf den günstigsten Sarg einigen sollte, wo haben Sie die denn stehen?“
Nach Beifall heischend schaute er sich feixend in Richtung seiner Verwandtschaft um und ich führte die Familie freundlich lächelnd in unseren Ausstellungsraum. „Bitte schauen Sie sich um…“
Weiter kam ich gar nicht, denn der mit den Zetteln wedelte mir mit seinen Blättern vor der Nase herum: „Nix da, das sind ja alles Prunksärge, wo sind die günstigen?“
„Da vorne, Sie müssen nur mal schauen…“
„Ich meine die ganz günstigen.“
„Da ist auch einer für knapp 400 Euro dabei, günstiger geht es dann nicht mehr.“
So, an dieser Stelle hätte das Gespräch dann so weitergehen können, wie man es schon so oft erlebt hat und ich hätte sowieso gewonnen. Ich bin doch schließlich der Kaufmann und der Fachmann und ich weiß aus hunderten von ähnlichen Begegnungen, wie man letztlich das verkauft was richtig ist. Aber ich brauchte gar nichts zu sagen, denn der andere Schwiegersohn machte deutlich, daß er den anderen weder persönlich noch wegen seiner Internetklugheit leiden kann: „Jetzt pack mal Deinen Scheiß da weg, wir wollen schließlich beraten werden.“
Aha, also waren es doch nicht DIE Sieblers, sondern einige oder vielleicht nur einer von ihnen.
Doch ich komme gar nicht dazu, das näher untersuchen zu können. Die Sieblers geraten an Ort und Stelle dermaßen in Streit, daß die Fetzen nur so fliegen.
„Wer hat denn Vater drei Monate lang gepflegt?“
„Ja und, was sind schon drei Monate, wir hatten Mutter ein halbes Jahr bei uns.“
„Das ist ja noch gar nichts, wir sind vier Jahre lang hingefahren und haben denen das Haus geputzt!“
„Ja, das Haus was Du für Dich ganz alleine haben willst, wer hat Vater denn zu einem Testament überredet?“
…
So ging es fast eine Viertelstunde und ich habe sie gelassen. Normalerweise würde ich da höflich einschreiten, aber vielleicht brauchen die das, um erst einmal Ordnung in ihren Krempel zu bringen.
Am Ende haben alle rote Köpfe, die Frauen sind entrüstet, die Männer wütend und schließlich haut der erste beleidigt ab. Ihm folgen zwei Fraktionen, die sich vor der Tür trennen und verschwinden.
So stehe ich da, die Sterbepapiere des alten Sieblers in den Händen, sage mal so eben für mich ganz alleine ‚Tschüß“ und warte nun, daß die wiederkommen. Die kommen immer wieder.
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Klasse beschrieben diese selbst ernannten Internetspezialisten. Hattest du auch schon mal welche, die damit angegeben haben, sich vorher im Bestatterweblog schlau gemacht zu haben? 🙂
was sollen sie auch anderes machen. Die Papiere sind erstmal im Bestattungshaus 😉
@1: das würde mich auch mal interessieren!
Wenn sie sich beim Bestatterweblog schlau gemacht hätten, würden sie sich ja gerade NICHT so aufführen… 😉
Und ich dachte immer, der Bestatter hat erst den Auftrag, wenn die Leiche im Keller liegt 😉
[quote]was sollen sie auch anderes machen. Die Papiere sind erstmal im Bestattungshaus ;)[/quote]
Ja und? Papier kann man neumachen lassen, aber den Opa hat man noch woanders.
@dieFee, wer sagt denn, dass sie den Bestatterweblog auch kapiert haben? Leute die das hätten, würden überhaupt nicht so auftreten wie in dem Beitrag beschrieben von wegen gleich mit Ausdrucken aus dem allwissenden großen Web herumwedeln. Es gibt aber sicher einen Haufen Leute, die hier mal kurz durchgesurft sind und nun ihr „Wissen“ nutzen, um Bestattern den letzten Nerv zu rauben. Insofern wäre gerade ein Bericht von Tom über solche Leute, die sich ausgerechnet auf sein Weblog berufen, sicher ein echtes Schmankerl… 😉
[quote]Die kommen immer wieder.[/quote]
Und sei es auch nur, weil die die Papiere doch noch für Eichenlaubs brauchen könnten. xD
Oder die ‚Reste‘ (der Tote) machen es so bzw. warten es ab, wie mein noch lebender Kollege (knapp 80) es immer sagt: „Ich verlasse mich da ganz aufs Stinken, denn wenn ich stinke graben sie mich freiwillig ein…“
@6 man kann – aber wie wahrscheinlich ist das denn 😉
Hätten sich diese Leute doch im Internet bloß auch über Kommunikationspsychologie und „Anger-Management“ schlau gemacht.
Klar, die kommen immer wieder. Notfalls halt in 30 Jahren, liegend und mit den Füßen voran. 😉
die kommen wieder.
Denn es gibt sicher auch noch einen zweiten teil 😀 Ich kenn doch de olle tom 😀
Wie ich gelegentlich Internetklugscheissern sage: „Lass mich mit deiner Internetbildung in Ruhe, ich habe das wirklich gelernt.“
na dann…abwarten und Tee trinken…wieder mal eine schöne neue Geschichte…
Gehörte der Opa eventuell einer seltenen christlichen Vereinigung an? Somit Sonderein[strike]park[/strike]sargwünschen Das würde dem ganzen noch ein kleines Krönchen aufsetzen, feix.
Ich bin gespannt auf eine weitere hoffentlich mehrteilige Story, dieses Mal über die Sieblers! 🙂 Das liest sich auf jeden Fall sehr gut!
Was bist du auch ein böser Betrüger, tztztz… wie wir alle, natürlich 🙂
Soll ja auch so Trauergäste geben, die man nach der Feier noch 4 Stunden lang bedient und glücklich macht und die zum Abschied dann sagen: „Naja, n Trinkgeld kriegense jetz‘ aber nich, war ja teuer genug…“
§1 Der Kunde ist König hat immer recht.
Bestägige ihm das, und er wird Dir für Deine Ehrlichkeit dankbar in die Augen blicken. Du mußt aber unschuldig gucken.
Sodann zeige ihm Deine Referenzenzen: „Diese Kratzer und Kerben hier auf der Tischplatte sind alle durch die Gürtelschnallen der Kunden verursacht, die ich schon über den Tisch gezogen habe.“
Ich frage mich ja, warum die sich nie streiten, bevor sie dann zur Beratung gehen. Wäre alles viel leichter.
Man kann das mit den Worten meines ehemaligen Chefs besiegeln
„Die letzte Handlung eines Geschäfts ist immer das Wechseln des Geldes vom Kunden zu mir – was davor war ist mir dann auch scheißeegal“
Ja, solche Klugscheißer hatte ich in Beratungsgesprächen auch öfter, die behaupteten sogar Kollegen zu sein! Wenn man dann hörte was für einen Blödsinn sie von sich gaben, entlarvten sie sich oft selbst. Dabei dann freundlich zu bleiben ist schon sehr schwer!!