Mitarbeiter/Firma

Die Wasseruhr

Es ist Tradition in meinem Bestattungshaus, daß ab Heiligabend bis zum ersten Werktag nach Heilige Drei Könige nicht gearbeitet wird.
Zwar ist das eine Zeit, in der doch recht gern gestorben wird, jedoch haben auch fast alle Ämter geschlossen und auch die Friedhöfe sind nicht gut mit Personal bestückt. So genügt es, wenn wir einen Notdienst aufrecht erhalten und ansonsten den Angestellten und der Cheffamilie ein paar ruhige Tage gönnen.

Da ich jede Art von so genanntem Zwangsurlaub nicht mag, bei dem der Chef einfach sagt, dann und dann müßt ihr Urlaub nehmen, liebe Angestellten, bin ich schon nach zwei Jahren davon abgerückt, jedem zu erklären, er müsse sich in diesem Jahr soundsoviel Urlaub noch für diese Zeit „zwischen den Jahren“ reservieren. Stattdessen hatte ich die Mitarbeiter eines Tages dahingehend informiert, diese Tage seien, ohne irgendeinen Rechtsanspruch und bei entsprechender Auftragslage auch widerruflich, einfach so frei. Als Geschenk für die sowieso immer mal wieder geleistete Mehrarbeit.
Mit dieser Methode bin ich immer gut gefahren.

An diesem Tag, es war auch ein 7. Januar, also der Tag nach Heilige Drei Könige, der hier in Baden-Württemberg ein Feiertag ist, erschien Antonia mit dunklen Rändern unter den Augen zum Dienst.

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„Wow, haste was Geiles erlebt?“ erkundigte sich Sandy und drehte und wandte ihren Körper lasziv, griff sich mit den Fingern ins Haar und gab ein leichtes Stöhnen von sich.

„Sandy!“ gellte Frau Büsers Stimme mahnend aus dem großen Büro und Antonia glotzte Sandy nur an und fragte: „Haste Würmer, oder warum zappelst Du so?“

„Weil Du so fertig aussiehst“, meinte Sandy und Antonia antwortete: „Ach das, das ist wegen dem Wasser.“

„Wegen DES Wassers!“ rief Frau Büser aus ihrem Büro, was wieder einmal unter Beweis stellte, daß ihr nichts, aber auch gar nichts entgehen konnte.

„Was für’n Wasser?“ erkundigte sich Sandy.

„Na ja, mein Hauswirt hat mir einen Zettel in den Briefkasten geworfen, ich solle doch bitte, weil ich Parterre wohne und so hilfsbereit bin, zum Jahreswechsel bitte im Keller den Stand von der Wasseruhr aufschreiben und ihm durchgeben. Das muß der irgendwie der Gemeinde oder dem Wasserwerk melden.“

„Ja und? Biste im Keller dann ’nem Sexprotz begegnet?“

„Nee, wieso das denn? Das war ganz anders.“

„Laß Dir nicht jeden Wurm aus der Nase ziehen! Was ist denn passiert?“

„Vor lauter Silvester und Neujahr hatte ich das ganz vergessen und gestern an Heilige Drei Könige hat der mich angerufen. Das war mir sowas von peinlich, da bin ich dann sofort in den Keller.“

„Und da war dann der Sexprotz?“

„Was hast Du bloß immer mit diesem Sex, Mensch nochmal! Also, ich stand da so vor der Wasseruhr und will mir gerade 469,8 aufschreiben, da dreht die blöde Uhr sich weiter. Ich hör‘ am Rauschen, daß da irgendjemand im Haus duscht. Also mußte ich warten bis der fertig war, da hatte sich die Zahl hinterm Komma schon wieder verändert. Also streich ich die erste Zahl durch und schreib die neue Zahl hin. Da bin ich dann gerade an der Tür von dem Kellerraum, da rauscht das doch schon wieder. ‚Mist‘, hab ich gedacht, bin also wieder zurück und habe abgewartet. Das dauerte länger, da muß sich jemand ’ne Wanne vollaufen gelassen haben.
Und wie ich dann nach ’ner halben Stunde endlich die Zahl hatte, müssen auf einmal alle im Haus so ungefähr gleichzeitig aufs Klo.
Wieder dreht sich der Zähler wie bekloppt.
Also hab ich mich auf ’nen Kartoffelsack gesetzt und – ja und da bin ich dann eingeschlafen. Bis heute morgen um fünf… Dann war ich wie gerädert, meine ganzen Knochen steif, ich voller Kartoffelstaub und der Zähler war sich wieder am drehen.
Erst kurz bevor ich aus dem Haus bin, hat er mal stillgestanden und dann konnte ich die Zahl endlich aufschreiben.“

„Du tust mir leid“, sagte Sandy und man sah ihr an, daß sie ein herausprustendes Lachen nur mühsam unterdrücken konnte.

„Mir auch!“ rief Frau Büser aus ihrem Büro und Antonia meinte: „Nächstes Jahr soll das ein anderer machen, mir ist Wasserablesen zu anstrengend.“

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