Frag doch den Undertaker

Die wortlose Plastiktüte

Es schreibt eine Leserin:

„Im Krankenhaus bekommt man oft bloß wortlos eine Plastiktüte in die Hand gedrückt, „

Nun so kann man das auch nicht sagen!
Plastiktüte – ja, das stimmt sehr oft. Aber wortlos? Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Man hat doch oft auch lange Verstorbene begleitet und die Angehörigen damit auch, da drückt man doch niemandem wortlos eine Tüte in die Hand!
Ich kann mir das nicht mal in einer gestressten Notaufnahme vorstellen!

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Man achte doch einfach mal auf meine Wortwahl. Ich schrieb, daß man da oft nur wortlos eine Tüte in die Hand gedrückt bekommt. Dieses „oft“ beschreibt, daß so etwas häufig vorkommt, sagt aber nichts darüber aus, ob das nun häufiger vorkommt, als andere Vorgehensweisen.

In der Tat ist es aber so, daß besonders in Großstädten die Kleidung und das persönliche Habe des Verstorbenen nicht auf der Station verbleiben, wo eine herzensgute, in Trauerbegleitung geschulte und um die besondere Trauersituation der Angehörigen bemühte Nachtschwester in absoluter Selbstlosigkeit den Angehörigen Trost und Zusprache zukommen lässt und ihnen dann die Gegenstände in einer neutralen Verpackung überreicht.

Ja, das ist bewußt überspitzt formuliert, um zu zeigen, daß mir sehr wohl bewußt ist, daß sich das Pflegepersonal in aller Regel in endlosem Schichtdienst den Arsch aufreißt, um es mal deutlich zu sagen, und für eine absolut miserable Bezahlung nur immer mehr Patienten versorgen muß. Da ist es löblich und mit Dankbarkeit anzuerkennen, wenn das Pflegepersonal auch noch die Zeit findet, den Angehörigen eines jüngst Verstorbenen noch ein paar passende Worte mit auf den Weg zu geben.

Doch leider sieht die Realität in weiten Bereichen ganz anders aus.
Der Patient ist längst „von Station“ verschwunden und liegt in einer Sammelkammer mit vielen anderen Leichen.
Das persönliche Hab und Gut liegt bei einem Grobian im Keller in nach Namen sortierten Tüten und der einzige Dialog ist: „Jemand muß noch die Leichenschau bezahlen“, und „Wenn Sie noch keinen haben, rufen sie am besten den Bestatter XYZ.“

Alles Überzeichnungen, ich weiß, aber die Realität spielt sich irgendwo dazwischen ab. Jedenfalls kommt man mit denen, die den Verstorbenen zuletzt gepflegt haben, manchmal gar nicht mehr in Kontakt und die mit denen man in Kontakt kommt, sind diejenigen, die den ganzen Tag nur mit Leichen zu tun haben oder überhaupt keinen Bezug zum Verstorbenen oder dessen Angehörigen haben.

Es geht auch anders, das zeigen Beispiele aus der Praxis. Da wird der Verstorbene in ein eigenes Zimmer oder eine Abschiedskapelle gebracht, ich kenne sogar ein Krankenhaus, in dem die Verstorbenen vom Personal hergerichtet und in ein Totenhemd gekleidet werden. Man stellt ein paar Kerzen auf und gibt den Angehörigen, so sie denn beim Sterben nicht dabei sein konnten, dann Gelegenheit, Abschied zu nehmen.
Ja, alles das geht, und alles das wird gemacht.
Es gibt auch Krankenschwestern und -pfleger, die persönliche Worte finden und den Angehörigen wirklich Trost zusprechen. Gut!

Aber je mehr Krankenhäuser irgendeinem Konzern gehören, der lediglich auf die investorenfreundliche Gewinnoptimierung ausgelegt ist, wird es eher so aussehen.


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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 9. Januar 2010 | Revision: 7. Januar 2015

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cygx-1
14 Jahre zuvor

Als mein Opa im Krankenhaus gestorben ist, gab es nicht mal eine Plastiktüte. Meine Oma „durfte“ die Sachen einen Tag später im (Mehrbett-)Zimmer selber einpacken. Vom Personal gab es keinerlei Hilfe und das Ganze hat sie damals sehr mitgenommen.
Wobei ich auch Verständnis für die Krankenschwestern und ihren Stress habe; aber ich denke so sollte kein Angehöriger behandelt werden.

INTensivling
14 Jahre zuvor

Es gibt überall schwarze Schafe, genauso wie es immer wieder Pflegekräfte gibt, die sich besonders um die Angehörigen kümmern.

Bei Patienten die länger bei uns auf Stat liegen und dann versterben, ist das Procedere genauso, wie bei denen die nur kurz hier liegen. Die Habseligkeiten wurden vor Ankunft der Angehörigen aufgelistet und in eine Plastiktüte verpackt, die mit Namen und Geburtsdatum des Verstorbenen beschriftet ist.
In einem „passenden“ Moment werden diese Dinge überreicht und die Übergabe wird von dem Empfänger gegengezeichnet, damit es später nicht heißt, die 10.000€ Rolex sei nicht dabei gewesen.

Allerdings werden die Gespräche bei den Langliegern in der Regel länger sein, da man einen anderen Draht zu den Angehörigen hat.
Und natürlich gibt es auch Angehörige, bei denen merkt man: Die wollen den Verstorbenen sehen, die „Tüte“ haben und gehen – da gibt es dann auch keine großen Gespräche mehr.

14 Jahre zuvor

Meine Ehefrau ist im November 2006 bei einem Autounfall gestorben. Als ich damals in der Klinik (Lahr/Schwarzwald) ankam, war sie bereits tot und lag in einem Raum der Intensivstation. Noch heute bin ich darüber erstaunt und dankbar, wie menschlich und einfühlsam alle mit mir und den anderen Angehörigen (die später dann noch dazukamen) umgegangen sind, was auch für den Umgang mit ihren persönlichen Sachen und ihrer Kleidung galt. Ich durfte über 5 Stunden bei ihr am Bett bleiben und mich von ihr verabschieden. Es war von Anfang an klar, dass es meine Entscheidung sein wird, wann ich gehe. Diese Zeit war unglaublich wertvoll für mich. Ganz anders leider beim Tod meines Vaters im Sommer 2002: in der Klinik (Freiburg) wurden mir und meiner Familie nur wenige Minuten gegeben und der Arzt ließ uns nicht einmal mit meinem Vater alleine.

MacKaber
14 Jahre zuvor

Zitat: „Das persönliche Hab und Gut liegt bei einem Grobian im Keller…..“
Ob das der Kerl ist, der aussieht wie Quasimodo und im „Nosferatu“ die Särge reisefertig machte?




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